Plötzlich kamst du | Callum Ilott ✔️

Kapitel 55

Es ist passiert. Ich dachte ich bin auf der Weg der Besserung und ich bin es wahrscheinlich auch, aber es ist doch wieder gekommen. Ich schaue kurz auf meine Haarbürste und fasse mir daraufhin durch meine Haare. Aus den ganzen Haaren die nun in meiner Hand sind, könnte man gefühlt eine Perücke machen.

Ich habe es schon früher gehasst, dass mir meine Haare ausgefallen sind. Man hat zwar nie einen extremen Unterschied gesehen, aber jedes Mal so viele Haare wegschmeißen zu müssen, weil zu viele ausfallen, geben dir kein gutes Gefühl.

Ich setze mich kurz auf dem Badewannenrand und schaue auf meine Hand. Es scheint für einige nicht viel zu sein, aber für mich ist es zu viel. Ich hasse es. Ich schmeiße die Haare in den kleinen Müll und setze mich wieder auf den Badewannenrand. Ich schaue mich von meiner Standpunkt aus im Spiegel an und je länger man sich anschaut, desto mehr Sachen fallen einen auf.

Ich streiche mir etwas über meine Nase und sehe, dass meine Sommerprossen etwas verblasst sind. Meine Wangen sind gerötet und mit winzig kleinen Pickeln versehen und meine Schlüsselbeine schauen mehr heraus als sonst. Wieso habe ich mich bloß so krass wieder verändert? Ich mache gefühlt einen Schritt nach vorne, aber dafür wieder drei nach hinten.

"Ana?", höre ich Callums laute Stimme und wische mir etwas über meine Wangen, als ich merke, dass einige Tränen kommen. Ich will im nächsten Moment eigentlich aufstehen, aber Callum findet mich als erstes.
"Alles gut?", fragt er mich verwirrt und ich weiß, dass es dumm ist, ihn anzulügen. Ich schüttel daher mit meinem Kopf und wische mir kurz durch mein Gesicht.

Callum atmet etwas auf und setzt sich im nächsten Moment neben mich auf den Badewannenrand. Er hält mir seine Hand hin und ich verschränke meine in seine. Zwischen uns herrscht kurz eine Stille, bis ich sie unterbreche und einfach los rede.

"Ich erkenne mich garnicht mehr wieder, wenn ich in den Spiegel schaue. Ich habe mich so krass verändert, dass es erschreckend ist. Ich dachte echt, dass alles besser wird, aber nach diesen zwei Wochen sehe ich noch viel abgemagerter aus, als sonst. Meine Haut sieht schrecklich aus, meine Haare fallen mir aus und ich sehe einfach nicht mehr schön aus.", sage ich und bemerke erst bei den letzten Sätzen, dass ich wieder am weinen bin.

Callum löst seine Hand von meiner und steht auf, bevor er sich vor mich kniet und meine beiden Hände in seine Hände nimmt. Er streicht mit seinen Daumen über meinen Handrücken und schaut mir in meine Augen.

"Du bist wunderschön Anaïs. Ganz egal was dir dein Spiegelbild und dein Kopf einreden wollen. Nur weil du an einer Stelle abgenommen hast, heißt es nicht, dass es überall so ist. Du solltest aufhören dich selber schlecht zu reden.", sagt Callum und bringt mich kurz zum nicken.

"Dir geht es schon viel besser als am Anfang. Auch wenn du es nicht siehst, sehe ich es. Ich bin echt stolz auf dich und du solltest es auch sein. Du kannst es sein. Du hast vieles unmögliche geschafft und du bist über deinen eigenen Schatten gesprungen. Ein Schritt nach hinten ist kein Weltuntergang.", sagt er und steht auf, als ich genauso aufstehe. Ich löse meine Hände aus seinen und gehe näher auf ihn zu um ihn zu umarmen. Callum legt seine Arme direkt auf mich und streicht mir über meinen Rücken.

"Danke Cal. Ich weiß nicht was ich ohne dich tun würde.", nuschel ich etwas und lege meinen Kopf auf seiner Brust ab. Callum zieht mich noch etwas näher an sich und drückt mir einen kurzen Kuss auf meinen Scheitel.
"Keine Sorge. Daran musst du nie denken."

* * *

Ich habe es schon zu lange heraus gezögert es meine Eltern zu sagen. Sie haben genauso ein Recht es zu erfahren und ich muss mich echt bei Lando bedanken, dass er so lange ruhig geblieben ist. Callum und ich fahren an diesem späten Nachmittag in Richtung Bristol. Ich bleibe die meiste Zeit über ruhig und schaue einfach aus dem Fenster. Die Natur von England zieht an mir vorbei und ich bin erstaunt wie schön unser Land eigentlich sein kann. Ich sollte mal mehr in die Natur gehen.