Plötzlich kamst du | Callum Ilott ✔️

Kapitel 1

April 2021
Autodromo Enzo e Dino Ferrari

Die Sonne in Imola zeigt sich an diesen Samstagvormittag wieder von seiner besten Seite. Ich bin froh, dass wir an so warmen Rennwochenende wenigstens auf die Hosen verzichten können und Röcke anhaben dürfen.

Imola ist schon die vierte Station in diesen Rennjahr. Weitere 19 werden im Laufe des Jahres noch folgen und ich weiß noch nicht ob ich mich auf so viele Rennen freue. Mehr Rennen bedeutet auch weniger Zeit für Familie und weniger Aufenthalt zuhause. Ich sehe mein Privileg und bin sehe dankbar für diesen Job, aber auf Dauer bin er dich echt zerreißen.

Samstag ist schon ein etwas turbulenter Tag. Ich hätte den Tag gestern noch mehr genießen sollen. Neben dem ersten und zweiten Training, in denen die Fahrer ihre Runden drehen um die Strecke besser kennenzulernen oder die verschiedene Strategien für das Rennen heraus zu finden, wird der Freitag unter uns auch als Media Day betitelt.

Samstag wird alles etwas ernster. Das dritte freie Training findet statt, aber genauso das Qualifying. In diesen 60 Minuten kommt es darauf an der schnellste zu sein um sich als erster am Sonntag einreihen zu können. Wir haben dieses Jahr schon mehrere sogenannte Polesetter gehabt und Imola ist immer für Überraschungen bekannt.

Als der britische Vertreter der Formel 1, Sky UK, mich als einer der Medienassistentin angenommen hat, hätte ich aus allen Wolken fliegen können. Ich habe nicht umsonst Journalismus studiert und obwohl viele mir meinen Traum ausreden wollten, kann ich ihnen nun mit Stolz zeigen, dass es geklappt hat. Es ist nicht einfach gewesen, aber ich habe alles getan um nun hier zu stehen.

Ich habe mir meine Aufgaben in den letzten zwei Jahren zwar etwas anders vorgestellt, aber vielleicht gehört das einfach dazu. Vielleicht gehört es dazu den ganzen Tag Mikros im Media Panel auf- und abzubauen und alles zu machen, was sonst niemand machen will.

"Hallo Hübsche."

Ich hebe meinen Kopf und schaue in die hellen Augen meines Bruders. Als er dazu noch amüsiert lacht, verdrehe ich leicht meine Augen. Ich schraube das Mikro zuende und stelle mich dann wieder richtig an.

"Hast du etwa jemand anderes bei der Kommentar erwartet?", fragt er mich weiter provokant und bekam als Reaktion meinen Mittelfinger zu sehen.

"Natürlich nicht, wer könnte sonst so nervig sein?", frage ich ihn  und lächel ihn leicht an. Er will gerade etwas sagen, aber er wird dadurch unterbrochen, dass Charlotte, Landos persönliche Medienbeauftragte zu uns stößt. David, mein Chef, lässt sich genauso blicken und gibt seinen Kameramann ein Zeichen.

"Willkommen zurück! An unserer Seite steht nun Lando Norris, der uns einige Fragen zum bevorstehenden Qualifying hier in Imola beantworten wird. Hallo Lando.", fängt David an und blendet mich mal wieder total. Ich kenne es nicht anders.

Es hat seine Vorteile als Medienassistentin ausgerechnet beim Sport seines Bruders zu arbeiten. Ich sehe ihn jedes Mal wenn ein Rennen stattfindet und sonst sehen wir uns auch regelmäßig. Ihn so oft zu sehen ist definitiv auch ein Nachteil. Er nutzt jede Möglichkeit um mich irgendwie zu provozieren und um mich zu ärgern. Ich mache zwar das gleiche und es ist auch oft lustig, aber niemand kann mir sagen, dass man mit Geschwistern keine Hass-Liebe Beziehung hat.

Ich kann ihn nicht weiter zu hören, da ich weitere Mikros aufbauen musst. Die Mikros lassen sich nicht von alleine aufbauen. Leider.

"Sieht echt spaßig aus was du machst.", ertönt eine weitere Stimme. Ich hebe meinen Kopf und schaue in die Augen von George, einer der besten Freunde von Lando. George lächelt mich etwas an und blendet Lando total aus, der nur einige Meter weiter von uns steht