Entscheidung

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Kaoki war Frühaufsteher, weswegen er bereits mit dem Sonnenaufgang aufgewacht war, doch er hatte sich möglichst wenig bewegt um Brynn nicht zu wecken, der neben ihm schlief. Sie hatten die Nacht miteinander verbracht und er hatte seinen Körper mit all den Spuren und Narben des Unfalls offen gezeigt. Brynn hatte ihn uneingeschränkt akzeptiert, hatte ihn angenommen und geliebt. Kaoki war ermutigt und fühlte sich dadurch nur noch tiefer mit diesem jungen Mann verbunden.

So friedlich, wie Brynns Gesicht im Schlaf wirkte, wollte er ihn für die nächste Zeit in Erinnerung behalten. Daher versuchte er irgendwie an sein Handy zu gelangen, was ihm nach ein paar Augenblicken und für ihn anstrengenden Verrenkungen schließlich gelang. Ein Foto war schnell gemacht und mit wenigen Klicks stand sein neuer Hintergrund fest. Unfair, es ohne Brynns Wissen zu tun, das war ihm bewusst, aber zu seiner Verteidigung war zu sagen, dass es wohl kaum mehr eine Gelegenheit geben würde diese Perfektion einzufangen.

Ihn überkam jäh ein Einfall. Eine vielleicht zu abgehobene, waghalsige Idee. Aber eine Eingebung, der er folgen wollte. Kaoki öffnete den Browser seines Handys...



Sie hielten einander bei der Hand, als sie am Strand spazieren gingen. Übermorgen würde Brynn abreisen. Dieses Mal hatten sie sich ganz bewusst gemeinsam für die Fernbeziehung entschieden... doch war das wirklich richtig? „Brynn." Kaoki blieb stehen und spürte, wie für den Bruchteil eines Augenblicks der Druck von Brynns Hand fester wurde, ehe auch er stehen blieb und ihn erwartungsvoll ansah. „Schaffen wir es?"

"Wenn wir es beide wollen."

Kaoki sah zu Boden und löste seine Hand. Der Gedanke war ihm so plötzlich gekommen. Weder mit Neo, noch mit seinen Eltern hatte er darüber gesprochen. Mit niemandem. "Vielleicht sind es nur ein paar Wochen..."

"Nein." Brynn schüttelte den Kopf. "Wir machen weitere Jahre daraus, okay? Komm schon." Fast wehleidig klang diese Aufforderung.

Kaoki lächelte. "Ich meine, vielleicht sind wir nur ein paar Wochen getrennt."

"Was meinst du damit?" Brynn wurde misstrauisch, das konnte er ihm ansehen.

"Du weißt, dass ich darüber nachgedacht hatte Sportmanagement zu studieren, ehe ich mich dazu entschieden hatte das Springen professionell zu verfolgen."

"Ja, klar. Wir haben darüber geredet..."

Zitternd atmete Kaoki aus. Vielleicht war sein Vorhaben gar nicht in Brynns Interesse? Aber die letzten Wochen waren so wundervoll gewesen, ihm war schleierhaft, wie man das nicht fortführen wollte... Brynn hatte genauso Freude und Glück empfunden, wie er. Aufrichtig. Nichts davon war geheuchelt gewesen. "Ich hab nachgesehen. Interessehalber. Und die Bewerbungen waren noch genau einen Tag geöffnet und ich hab die Chance genutzt."

"Was für eine Bewerbung?" Die Stimme seines Freundes war leiser geworden, als wollte er nicht glauben, worauf das hier hinauslaufen mochte. „Kao?"

"Die Uni, die mit deinem Institut zusammenarbeitet." Jetzt war es raus.

"Oh mein Gott, Kao." Schockiert legte sich Brynn die Hand über den Mund.

"Wenn wir Glück haben, kann ich –"

"Du kommst mit mir?", unterbrach er ihn und schien es eilig mit einer Bestätigung zu haben, allerdings musste Kaoki die aufsteigende Begeisterung dämpfen.

"Na ja, ich würde nachkommen, wenn ich genommen werde."

Brynn lachte auf, aus tiefstem Herzen. "Ich liebe dich!" Diese Reaktion hatte er sich so sehr erhofft. "Das ist wunderbar. Das ist so wunderbar." Der Surfer stürzte vor, packte ihn bei den Hüften und hob ihn hoch, drehte sich mit ihm. Perspektiven. In der Liebe, im Beruf, im Leben. Er hatte sie wiedergefunden... nein, er hatte sie gewechselt. "Und dein Bruder?" Brynn ließ ihn wieder herunter.

"Es klingt vielleicht hart, aber er hat auch ein eigenes Leben und das soll er leben. Ich halte ihn auf."

"Kaoki."

"Brynn."

"Bist du dir sicher diesen Schritt gehen zu wollen?" Sein Freund ließ es klingen, als hätte er ihm soeben einen Heiratsantrag gemacht.

Kao kicherte. "So sicher, wie ich war, als ich mich jedes Mal aufs Neue 20 Meter tief von einer Klippe gestürzt habe."

"Okay, ich formuliere die Frage um. Bist du verrückt genug diesen Schritt zu gehen?"

"Muss ich mich wiederholen?"

Als sie einander in die Augen sahen, das Meer leise rauschte, raste die erste Rakete des Feuerwerks gen Himmel und erhellte den Abend für einen Augenblick in hunderten von Farben. Die Blumen und Sterne spiegelten sich in der Meeresoberfläche tausendfach und Kaoki wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Die Richtige... denn es war die erste seit langem, die er aus eigenem Antrieb heraus getroffen hatte.

Er hatte viele zweite Chancen erhalten – und er war dankbar um jede einzelne. 

Burning Oaths at the Beach of PearlsWhere stories live. Discover now