Frust

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Meneo saß an der Promenade und nahm einen Schluck des Eistees, welchen er sich vor ein paar Minuten gekauft hatte. Tia war am Telefon. "Er ist einfach aufgetaucht. Das hat Kao echt kalt erwischt."

"Kann ich mir vorstellen. Wie geht's dir damit? Er war schließlich dein bester Freund."

Seine Freundin erkundigte sich stets nach seinem Wohlergehen, selbst wenn sein Bruder mal wieder Thema war. Er liebte sie so sehr dafür. "Ich bin okay. Genervt, aber okay."

"Sicher...?" In ihrer Stimme schwang etwas mit, was verriet, dass sie ihn auch übers Telefon durchschaut hatte...

Neo seufzte auf und lehnte den Kopf gegen die Mauer, an der er stand. "Ich fühl mich überfordert. So machtlos, weil ich nichts unternehmen kann, Kaoki zu helfen." Sein Blick huschte über die Leute, die über die Strandpromenade spazierten. Kinder rannten um die Wette, verliebte Pärchen hielten Händchen, Touristen machten Fotos, Wassersportler schafften ihre Ausrüstung an den Strand. "Es ist wie damals. Als er aus dem Krankenhaus entlassen worden war."



-



Die ersten Tage nach Kaokis Rückkehr waren anstrengend gewesen. Sein Bruder war kaum fähig dazu alleine auf die Toilette zu gehen. Sie wechselten sich stets ab in der Betreuung, seine Eltern und er. Jetzt stand seine Schicht an, wo er nun von der Uni nachhause gekommen war. So war Kaoki nie alleine oder auf sich gestellt.

Neo hatte das Gefühl der Stärkste von ihnen sein zu müssen. Ihm ging es schließlich gut, seinen kleinen Bruder hatte es erwischt... und seine Mutter war fast zusammengebrochen unter den Sorgen, sein Vater hatte auch kaum mehr klar denken können. Aber er brauchte auch mal eine Pause. Er hatte schon zwei Prüfungen verpasst, die er zwar nächstes Jahr wiederholen konnte, doch sein Studium, sein angestrebter Abschluss litt darunter...

Begleitet von einem schweren Seufzen ließ sich Meneo gerade auf die Couch sinken und hatte den Fernseher einschalten wollen um zum Abendessen ein wenig Unterhaltung zu genießen, da hörte er diesen dumpfen Aufschlag über den Flur her. "Bitte nicht... Kao!" Er war aufgesprungen, sein Sushi war vergessen, die Serie, die er sehen wollte, völlig verdrängt. Neos Füße stolperten übereinander, als er aus dem Wohnzimmer in Richtung des Zimmers seines Bruders stürmte. "Kiki?!" Er bekam es mit der Angst zu tun, auch wenn er wusste, dass seinem Bruder hier in sicherer Umgebung nichts weiter geschehen konnte... Doch er mochte Schmerzen haben, Angst. "Kao!"

Die Tür war nur angelehnt, Neo stieß sie viel zu grob auf, aber das spielte jetzt keine Rolle. Das Bild, welches sich ihm bot, zerriss ihm das Herz und er reagierte prompt, als er zu seinem Zwilling stürmte. Kaoki weinte bitterlich, als er auf allen Vieren hockte, das geschiente, unbewegliche Bein seitlich von sich gestreckt, weil er einfach keine Kraft hatte es zu belasten. Die Krücken lagen neben ihm, aber nicht in Reichweite. Kao zitterte am ganzen Körper, als Neo vor ihm auf die Knie ging und ihn direkt an sich zog. Sein Bruder ließ keine Sekunde verstreichen und krallte sich förmlich in sein Shirt, hielt sich fest, schluchzte auf.

"Ich helfe dir auf, komm." Er musste stark sein, durfte sich jetzt nicht eingestehen, dass es auch ihm wehtat seinen Bruder so hilflos zu sehen. Es warf auch ihn aus der Bahn, zu wissen, dass Kaoki nie wieder in der Lage sein würde das Leben zu führen, welches er vor diesem schrecklichen Unfall geführt hatte. Wenn er könnte... würde er tauschen.

Mühsam, da er das gesamte Gewicht seines Bruders stemmte, zog er Kao auf die Füße, stützte ihn, da der andere das geschiente Bein nicht belastete. Vorsichtig setzte er seinen Zwilling auf das Bett, hob die Krücken auf und lehnte sie so an, dass sie griffbereit waren. "Wie kann ich dir helfen, hm?"

Burning Oaths at the Beach of PearlsWhere stories live. Discover now