✔Kapitel 3

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Kapitel 3

"Harry", stellte er sich auch selbst vor, ohne die Hand zu nehmen. Etwas verwirrt zog Liam seine Hand zurück, lächelte aber kurz darauf wieder. "Du musst keine Angst haben, Harry, ich tue dir nichts. Versprochen." Harry glaubte ihm, seine Art, wie er sich verhielt, deutete nicht daraufhin, dass er bedrohlich sein könnte. Also spürte Harry auch keine Bedrohung.

"Tut mir leid wegen deiner Hand. Es ist nicht wegen dir, ich fasse andere Menschen nicht gern an, außer Mum und meine Schwester." Liam lachte, aber kein gemeines, ein sanftes und freundliches Lachen. "Hast wohl eine Bakterienphobie? Verständlich. Heutzutage weiß man nicht, was die Menschen alles angefasst haben." Harry schüttelte den Kopf. "Nein, das hab ich nicht, ich finde Bakterien interessant, ich lese viel über sie. Ich habe das Asperger-Syndrom, was mich daran hindert." Harry war sich sicher, dass Liam sich nun auch von ihm abwenden würde, wie alle anderen vor ihm es taten. "Oh ... okay. Na ja, gut, dann werde ich dich nicht anfassen, wenn du es nicht möchtest. Ich bin neu hier an der Schule und wir können sicher Freunde werden, wenn es dir recht ist." Freunde? Harry hatte noch nie einen Freund. Was bedeutete es einen Freund zu haben? Was war der Unterschied zwischen einem normalen Menschen und einem Freund? "Ich weiß nicht, was muss ich denn da tun? Ich weiß nicht, was ein Freund macht", gab Harry unsicher von sich und spielte mit seinen Fingern. "Hast du denn keine Freunde?" Sofort schüttelte Harry den Kopf. "Okay, dann hast du jetzt einen. Viel tun musst du nicht. Freunde verbringen viel Zeit miteinander. Wir könnten anfangen, in dem wir später gemeinsam in der Kantine zu Mittag essen gehen. Was hältst du davon?" Harry hatte noch nie Gesellschaft beim Mittag, es war ihm so auch immer am liebsten. Doch die Vorstellung von Liams Gesellschaft gefiel ihm. "Klingt gut", gab er deshalb mit einem Lächeln von sich und schien Liam mit seiner Antwort zufrieden zu machen. "Okay, Harry, ich muss jetzt in meine Klasse. Wir treffen uns dann später in der Kantine, okay?" Harry nickte und nachdem er mit einem Okay geantwortet hatte, verschwand Liam hinter der nächsten Ecke.

Harry war das Grinsen ins Gesicht gemeißelt. Er hatte einen Freund, zum ersten Mal in seinem Leben hatte sich jemand nicht sofort wieder von ihm abgewandt, seine Familie natürlich ausgeschlossen. Er fühlte sich gut, und so saß er auch bis zur Mittagspause breit grinsend im Unterricht.

Er blickte auf die Uhr, die über der Tür seines Klassenzimmers hing. Viel zu langsam bewegte sich der Zeiger, viel langsamer als sonst erschien es Harry. Das Ticken des Uhrwerks ließ ihn unruhig auf seinem Platz hin und her rutschen. Noch zehn Sekunden und das Klingeln würde ihn von dieser langweiligen Geschichtsstunde erlösen und die Mittagspause einläuten.

Keine Sekunde ließ er den tickenden Zeiger aus den Augen, zu sehr freute er sich darauf, Liam wiederzusehen. Er wollte noch mehr über dieses Freundschaftsding erfahren, von dem er so wenig Ahnung hatte.

Endlich erklang das erlösende Klingeln, auf das Harry so lange gewartet hatte. Schnell packte er alle seine Schulsachen in seine Tasche, hängte sie sich über die Schulter und lief aus dem Raum in Richtung Kantine.

Er lief an der langen Schlange vorbei, die sich an der Essensausgabe erstreckte, und steuerte auf seinen üblichen Platz zu, auf dem er immer saß. Harry mochte das Essen in der Schule nicht, es sah seiner Meinung nach seltsam aus und somit hatte er es noch nie probiert.

Als er Platz nahm und sein Sandwich, das seine Mutter ihm jeden Tag zubereitete, auf den Tisch legte, hing sein Blick auf der Eingangstür der Kantine.

Es dauerte nicht lang und Liam kam mit einem Lächeln durch die Tür und schaute sich suchend um. Als er kurz darauf Harry entdeckte, ging er ohne Umwege auf ihn zu.

"Hey Harry, schön dich wiederzusehen." Harry lächelte schüchtern, zu ungewohnt war die Tatsache, dass jemand sich freute ihn zu sehen. "Hallo Liam. Setz dich doch." Gesagt, getan, ließ Liam sich neben Harry nieder und packte sein Mittagessen aus. "Isst du garnichts von der Kantine?", fragte Harry, als er Liams Sandwich sah. "Nein, ich kann Kantinenessen nicht leiden. Es schmeckt und sieht aus wie schon einmal gegessen." Harry musste kichern bei Liams Aussage. Zumal er immer dasselbe dachte.

"Harry, erzähl mir etwas über dich. Was machst du so, wenn du nicht gerade in der Schule bist?" Unsicher legte Harry sein Sandwich zurück in seine Box. "Nicht viel, denke ich. Ich lese gern und manchmal seh ich mir mit meiner Mum einen Film an." Harry wollte ihm von seiner größten Leidenschaft noch nichts erzählen. Nur seine Mutter und Gemma wussten davon und das sollte auch vorerst so bleiben. "Liam, darf ich dich etwas fragen?" Mit vollem Mund nickte er Harry zu, worauf dieser weitersprach. "Kannst du mir vielleicht erklären, was Freunde so tun? Ich verstehe das alles noch nicht und es ist schwer für mich, mir darunter etwas vorzustellen." Liam schaute nach oben und schien die richtigen Worte zu suchen. "Also, Freundschaft ist etwas Tolles. Man ist immer füreinander da, hilft sich gegenseitig. Im Grunde weiß man alles von dem anderen. Freundschaft ist ein Geben und Nehmen und eine der wichtigsten Sachen auf der Welt. Man beschützt sich gegenseitig. Man unternimmt viele Sachen gemeinsam, wie zum Beispiel ins Kino gehen, Musik hören oder einfach nur chillen und nichts tun. Verstehst du, was ich meine?" Harry nickte zur Bestätigung. Das klang alles so neu für Harry, aber er würde versuchen Liam ein guter Freund zu sein.

***

Ich wollte gern noch etwas erklären, weswegen ich privat angeschrieben wurde.
Es geht um das letzte Kapitel in dem Harry die Sache mit dem 'Kloß im Hals haben' nicht verstand.

Also es ist bei Asperger/Autismus so das diese Menschen Gefühle die sie spüren nicht erklären oder mit Sachen in Verbindung bringen können. Wenn es für uns heisst 'ich habe Schmetterlinge im Bauch" dann kann ein Autist/Aspergerpatient diese Sache nicht nachvollziehen. Er ist einfach nicht in der Lage dieses Gefühl mit solch einer Aussage zu verbinden. Für ihn ist es einfach ein Gefühl von z.b. Magenschmerzen oder Übelkeit. Viele Denken das diese Menschen keine Liebe empfinden können. Doch das ist falsch sie können es genau wie wir auch aber sie können es nicht definieren, und wissen nicht das dieses Gefühl von Schmetterlingen wie wir es kennen auf Liebe hindeutet.
Ich hoffe ich hab das jetzt einigermaßen verständlich erklärt. Wenn nicht, könnt ihr mich gern nochmal Fragen.

Genauere Informationen zu Asperger/ Autismus findet ihr im Kapitel "Zusatzkapitel // Aufklärung Asperger"

✔Asperger 1 - I'm not a Freak •|• Larry [In Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt