52 // hallo mein herz

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Die nächsten Tage sind hart. Es vergehen mehr als zwei Wochen ohne jeglichen Kontakt zu Shalik.

Einzig einmal ruft Omar mich an, Ziyads Cousin und ein Freund von Shalik, der seine anwaltliche Vertretung übernimmt. Er versichert mir, dass er Einsicht in die Akten hat und dass das Gericht keine Beweise hat, die für eine Verurteilung von Shalik ausreichen würden.

Trotzdem bleibe ich skeptisch.

Zu oft wurde mir bereits das Blaue vom Himmel versprochen und zugesagt, dass ganz sicher alles gut wird, während es immer nur noch schlimmer wurde.

Ein wenig beruhigt mich allerdings, dass Omar Shalik bereits in Haft besucht hat und dieser mir ausrichten lässt, das es ihm den Umständen entsprechend gut geht und er mich über alles liebt und vermisst.

Dass Shalik, der sich schwer damit tut, über seine Gefühle zu sprechen, diese Worte vor einem seiner Kollegen über die Lippen gebracht hat, rührt mich so sehr, dass ich schlucken muss.

"Wir müssen eine Besuchserlaubnis für dich beantragen. Das Gericht muss wegen der U-Haft genehmigen, dass du Shalik besuchen darfst", hat Omar mir erklärt. "Du musst mir eine Kopie deines Personalausweises schicken und dann beantragt meine Mitarbeiterin das für dich. Wenn das Gericht zustimmt, bekommst du die Besuchserlaubnis per Post zugeschickt und kannst einen Besuchstermin in der JVA vereinbaren. Du musst allerdings damit rechnen, dass ihr optisch und akustisch überwacht werdet und weil Shaliks Delikt ein BTM-Delikt ist und er bereits eine Vorgeschichte mit Drogen hat, kann es gut sein, dass Besuche vorerst nur mit Trennscheibe stattfinden dürfen."

Nach unserem Telefonat habe ich Omar sofort alle erforderlichen Sachen zugeschickt und seitdem schaue ich mindestens zweimal täglich mit wachsender Ungeduld in den Briefkasten, in der Hoffnung auf den sehnsüchtig erwarteten Brief vom Gericht.

Ich habe ein wenig via Google recherchiert und herausgefunden, dass das Gericht die Besuchserlaubnis durchaus auch verweigern kann. Seitdem habe ich Angst, dass ich Shalik vielleicht nicht mal mit den angekündigten, großen Einschränkungen besuchen darf und die Ungewissheit treibt mich in den Wahnsinn.

Bei meinen Recherchenversuchen bin ich auch auf der Seite eines "Knastforums" gelandet und habe getrieben von Langeweile und Neugier ein bisschen quer gelesen. Angemeldet waren laut eigener Auskunft hauptsächlich Frauen, die angegeben haben, dass sie bereits seit zwei, vier oder sechs Jahren auf ihren Partner oder Ehemann warten. Manche haben noch einige Jahre vor sich und fiebern dem Ende entgegen, während andere sich mit dem Urteil "lebenslänglich" konfrontiert sehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie man sowas durchstehen kann und auch nicht, wieso man sowas durchstehen will. Allein Liebe kann einen doch nicht alles akzeptieren lassen, was der eigene Partner so veranstaltet, denn für lebenslänglich oder auch für langjährige Haftstrafen muss man ja ordentlich was auf dem Kerbholz haben.

Ich für meinen Teil weiß jedenfalls, dass ich das nicht packen würde, jahrelang auf Shalik zu warten, während er im Knast sitzt und mich von Termin zu Termin im Vierzehn-Tage-Takt zu hangeln und Kommunikation nur noch über Briefe zu haben.

Es ist ja schon schwer genug für mich, seit über zwei Wochen nichts von Shalik zu hören. Seit Beginn unserer Beziehung standen wir fast 24 Stunden am Tag im Kontakt. Selbst wenn wir etwas getrennt unternommen haben oder arbeiten waren, haben wir nonstop Nachrichten ausgetauscht und uns mit Bildern, Videos und Sprachnachrichten gegenseitig auf dem Laufenden gehalten.

Trotzdem ist es auf eine merkwürdige Art und Weise befreiend, dass ich momentan nichts zu befürchten habe. Keine Polizei, die in meine Wohnung stürmen könnte, keine Flucht, die mich gedanklich ununterbrochen auf Trab hält, keine Streitereien. Es ist wie es ist, absolut beschissen, und doch irgendwie tröstlich, dass es schlimmer kaum noch kommen kann.

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