28 // armes baby

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Die brütende Sommerhitze dieses Augusttages hängt wie ein schwerer Vorhang über der Stadt. 35 Grad sind vielleicht angenehm, wenn man am Meer sitzen und die Zehen im Sand vergraben kann, umgeben von salziger Luft und ab und an gekitzelt von einer sanften Brise; 35 Grad in Essen, einer Großstadt im Ruhrgebiet, sind einfach nur Folter und geben einen Vorgeschmack auf die Hölle. Man steht im Freien und wünscht sich, jemand würde endlich mal das Fenster öffnen und ordentlich durchlüften. Die Hitze steht flirrend über dem aufgeheizten Asphalt, es gibt viel Stein und Beton durch die dichte Bebauung, weshalb sich hier in der Innenstadt alles deutlich schneller aufheizt als auf dem Land.

Jetzt ein Cabrio zu haben wäre ein Segen, denke ich mir, während ich meine kleine A-Klasse per Knopfdruck aufschließe. Wenigstens die Illusion von frischer Luft in diesem schwülen Klima.

An Tagen wie diesen empfinde ich es als großes Glück, dass ich aktuell nur in Teilzeit arbeite und schon relativ früh Feierabend machen kann.

In den letzten drei Monaten ist einiges passiert. Ich habe meine Abschlussprüfungen mit Bravour bestanden und meine Ausbildung mit der Endnote 1,8 abgeschlossen. Das Autohaus, in dem ich gelernt habe, wollte mich gerne halten, hat aber aktuell nicht das Budget und die Möglichkeiten, eine weitere Vollzeitkraft einzustellen. Deshalb haben wir uns einvernehmlich darauf verständigt, dass ich vorerst in Teilzeit weiter dort arbeite.

Mir kommt es ganz gelegen, nach all dem Lernstress der letzten Monate mal wieder etwas mehr Zeit für mich zu haben. Mehr Lohn als in der Ausbildung bekomme ich definitiv, meine Ansprüche sind momentan noch nicht besonders hoch und ich habe auch noch ein bisschen was auf der hohen Kante.

Auch bei Shalik hat sich was geändert und zwar etwas, was für mich essenziell wichtig ist: Shalik hat endlich seine Schulden abbezahlt, was bedeutet, dass er nicht mehr jedes Wochenende nächtelang in der Disco steht um Pillen zu verticken. Er hat also nun wirklich die Chance sich zu resozialisieren und ein straffreies Leben zu führen ohne Angst um seine körperliche Unversehrtheit haben zu müssen und aktuell bin ich davon überzeugt, dass er das auch wirklich will.

Ich setze mich auf den Fahrersitz, dessen heißes Leder sich durch den Stoff meines Bleistiftrockes brennt und die Viskosemischung an meinem schwitzigen Po kleben lässt.

"Babe?", begrüßt Shalik mich durch die Boxen meines Autos, als er meinen Anruf annimmt.

"Hey", begrüße ich ihn und parke meinen Wagen rückwärts aus der Parklücke. "Klebst du auch so sehr wie ich?"

"Übertrieben. Ich stand heute am Autohof fünf Stunden in der prallen Sonne, ich habe mir richtig den Rücken verbrannt", jammert er.

"Du hattest Chico aber nicht dabei oder?"

"Ne, es ist viel zu heiß für den. Habe ihn heute zuhause gelassen, der verträgt diese ekelhafte Hitze gar nicht."

"Ach mein armes Baby", sage ich mit Schmollmund. "Armes Baby? Hallo? Ich habe mir den Rücken verbrannt, nicht er!"

Ein breites Grinsen schleicht sich auf meine vollen Lippen. Es ist nicht das erste Mal, dass Shalik sich entrüstest darüber beschwert, ich würde Chico mehr Aufmerksamkeit schenken als ihm, doch ich weiß, dass er das nicht so meint. Der kleine Rüde ist wie sein Kind und er könnte niemals mit einer Frau zusammen sein, in deren Leben Chico keinen Platz hätte.

"Um deinen Rücken kümmere ich mich gleich persönlich, okay? Ich habe jetzt Feierabend und bin auf dem Weg zu dir. Soll ich uns was zu essen mitbringen?"

"Nein, brauchst du nicht. Ich war vorhin kurz bei meiner Mama, die hat mir Essen für uns mitgegeben", antwortet Shalik.

"Ah mega. Dann können wir gleich schön zusammen essen, ich wollte dir auch noch was erzählen", informiere ich meinen Freund noch und reibe mir vorfreudig über den Bauch, bevor wir uns voneinander verabschieden.

NOT YOUR BONNIEWhere stories live. Discover now