NOT YOUR BONNIE

44 // liebe ist nicht alles

"Meine Welt ist im Laufe des Tages zusammengebrochen. Mein Herz ist in zwei Teile gerissen und ich weiß nicht, ob es jemals wieder heilen wird. Kannst du bitte zu mir kommen? Keine Ahnung, ob ich darüber reden kann, aber ich will gerade einfach nicht alleine sein."

Es kostet mich wahnsinnige Überwindung, diese Worte in mein Handy zu tippen und dann auch wirklich abzuschicken. Ich bin weder jemand, der jammert, noch jemand, der gerne um Hilfe bittet, aber gerade sehne ich mich einfach nach meiner besten Freundin, nach dem Menschen, der schon so viel mit mir erlebt hat und mich besser kennt, als jeder andere.

Die Stille hier ist unerträglich und die Ungewissheit, wie es jetzt weitergeht, erdrückt mich.

"Oh mein Gott", ist ihre erste Reaktion. "Ich mache mich sofort auf den Weg, Schatz. Soll ich was mitbringen? Willst du was essen oder so?"

Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel und schiebe mir meine Haare hinter die Ohren. "Nein, ich habe keinen Appetit", antworte ich ehrlich. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich das letzte Mal was gegessen habe oder wie spät es ist.

Manche Tage vergehen wie im Flug und andere wiederum, wie dieser, sind so quälend lang und ereignisreich, dass sie einem eher wie 240-Stunden-Tage vorkommen.

Mühsam erhebe ich mich von der Couch, wasche mein Gesicht mit kaltem Wasser und ziehe mir einen bequemen Home-Anzug aus beigem Nickistoff an. Meine Augen sind vom vielen Weinen so dick und rot, als würde ich unter akutem Heuschnupfen leiden, während mein Gesicht weiß wie eine Kalkwand ist. Ich sah selten schlechter aus.

Als es an der Tür klingelt, springt Chico aufgeregt von der Couch und steht schwanzwedelnd und aufgeregt vor mir im Flur. Vermutlich denkt er, dass sein Herrchen endlich wieder nachhause kommt. Ihn scheint der ganze Trubel heute auch ziemlich verwirrt zu haben. Hunde haben ein feines Gespür dafür, wenn es ihren Menschen nicht gut geht, wobei mein ganzes Geheule und Geschreie seit heute Mittag wohl auch mit halb so vielen Spindelzellen noch eindeutig gewesen wäre.

Mit zügigen Schritten kommt statt meines Freundes jedoch meine langjährige Freundin das moderne Treppenhaus hoch. Ihr schlanker Körper steckt in einer engen dunkelblauen Jeans und einem kuscheligen, rosafarbenen Hoodie. Das lange schwarze Haar hat sie zu einem Dutt zusammengebunden, wie sie es immer tut, wenn sie arbeiten geht und sie ist dezent geschminkt. Als sie mich sieht, verzieht sich ihr Gesicht mitleidig.

"Schatz", sagt sie traurig und zieht einen Schmollmund. Liebevoll legt sie ihre Arme um meine Schultern und küsst mich auf die Wange. "Was ist denn passiert?"

Ich kann nicht verhindern, dass ich direkt wieder anfange zu weinen. Rani schließt die Wohnungstür hinter sich und zieht ihre Sneakers aus. Gemeinsam gehen wir ins Wohnzimmer und kuscheln uns auf die Couch. Meine beste Freundin legt sich ganz nah an mich und zieht eine Kuscheldecke über uns, ehe sie mich besorgt mustert.

"Hat er dich betrogen?" Ich schüttele entschieden den Kopf. "Bist du schwanger?" Wieder verneine ich mit einer Kopfbewegung. Das würde mich wohl kaum so fertigmachen, wie die Wahrheit. Ich wäre ja fast froh, wenn es nur das wäre.

"Die Polizei war heute hier", beginne ich seufzend. Ich weiß, dass Rani nicht verurteilt. Sie ist super tolerant und offen, sagt einem jedoch auch immer ins Gesicht, was sie denkt. Auch wenn ich diese Eigenschaft sonst sehr an ihr schätze, weiß ich nicht, ob ich das heute verkrafte. Ich weiß selbst nicht, was ich will und will mich darin auch nicht von ihr beeinflussen lassen. Ich muss mir erstmal darüber klarwerden, wie es mit Shalik und mir weitergehen soll.

"Sie haben die Wohnung durchsucht und Shalik mit auf die Wache genommen. Sie haben ihn verhört und danach wieder frei gelassen, aber er ist nur kurz mit nachhause gekommen. Er ist erstmal geflüchtet um Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, dass sich alles aufgeklärt", fasse ich die letzten Stunden in zehn äußerst pragmatische Sekunden zusammen.