29 // rip playstation-abende

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"Tia, was ist mit der Kiste? Kommt die auch mit?", fragt Shalik und wischt sich mit dem Handrücken ein paar Schweißperlen von der Stirn. Hätten wir gewusst, dass es an diesem Freitag Ende August so heiß wird, hätten wir uns für meinen Umzug wohl lieber einen anderen Tag ausgesucht. Aber wer konnte das schon ahnen? In Deutschland ist die Chance, einen tropischen Sommertag zu erwischen, an dem es nicht in Strömen regnet, ja eigentlich verschwindend gering.

Dafür, dass ich einige Tage lang mit mir gerungen und mir die Entscheidung so schwer gemacht habe, ist von dem endgültigen Entschluss, mich auf das Abenteuer "Zusammenziehen" einzulassen, bis zu dem heutigen Tag, an dem ich zum vorerst letzten Mal in meinem Kinderzimmer stehe, das mittlerweile fast komplett leergeräumt ist, nicht viel Zeit vergangen. Wie so oft im Leben, ging am Ende dann alles ganz schnell.

Ich begutachte den unbeschrifteten Umzugskarton, den Shalik mir ungeduldig unter die Nase hält, habe aber keinerlei Idee, was da drin sein könnte. "Was ist das denn?", frage ich Shalik daher mit einem hilfesuchenden Blick.

"Das fragst du den Richtigen", antwortet er und verzieht leidend sein markantes Gesicht. "Du hast doch die Kisten gepackt, nicht ich."

Kurzerhand ziehe ich den Pappdeckel auseinander, um einen Blick auf den Inhalt des Umzugskartons erhaschen zu können. Es ist die Kiste mit meinen Socken und meiner Unterwäsche, die Shalik noch immer in den Händen hält.

"Das sind meine Socken und Schlüppis", informiere ich ihn und klappe den Karton wieder zu. "Dann kann der Karton ja hierbleiben, Unterwäsche brauchst du eh nicht mehr."

Irritiert sehe ich ihn an. Hat er jetzt den Verstand verloren?

"Hatte ich noch nicht erwähnt, dass wir zuhause immer nackt rumlaufen?"

Ich zeige ihm grinsend einen Vogel. "Ich glaube du spinnst."

"Was denn? Das steht so in der Hausordnung", scherzt er weiter und macht sich zeitgleich schon wieder auf den Weg nach unten zu dem kleinen Sprinter, den wir für den heutigen Tag gemietet haben.

Es erklärt sich von selbst, dass sich mein Hab und Gut größtenteils auf kistenweise Anziehsachen, Schuhe, Taschen, Schmuck und Schminke beschränkt, schließlich ziehe ich nicht mit einem ganzen Hausstand, sondern nur mit meinen wenigen persönlichen Habseligkeiten aus meinem Kinderzimmer um.

Wir hätten den Umzug auch nur mit unseren Autos wuppen können, wenn ich nicht meinen Schminktisch und eine Kommode hätte mitnehmen wollen; mein Bett und meinen Kleiderschrank lasse ich nämlich vorerst in meinem Kinderzimmer, da Shalik ein größeres Bett und auch einen geräumigeren Kleiderschrank in seiner Wohnung hat.

Ziyad erklimmt die letzten Stufen und schiebt die Ärmel seines T-Shirts lässig über die Schultern. "Muss noch was runter?", fragt er mich atemlos und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Wasserflasche. "Nur noch die fünf Kisten unter der Fensterbank und der Stuhl von meinem Schminktisch, aber den nehme ich mit nach unten. Ich fahre jetzt schon mal mit Rani vor in die Wohnung um die Schlafzimmerwand final zu streichen."

"Lass mal, ich nehme den Stuhl schon", bestimmt Ziyad und schreitet direkt zur Tat. "Dafür sind wir schließlich hier."

Mit wir meint er seine Wenigkeit und Dion, denn auch der dunkelblonde Kosovo-Albaner ist heute gekommen, um Shalik und mir mit Men-Power beim Schleppen zu helfen. Rani, die gerade erst eingetroffen ist, hat hingegen zugesagt, mit mir die Schlafzimmerwand zu streichen.

Bereits letzte Tage hat meine beste Freundin mir geholfen die ursprünglich knallrote Wand erstmal mit einer weißen Grundierung zu übertönen, bevor wir sie heute in einem dezenten steingrau anstreichen wollen.

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