Ihnen ging Remus aus dem Weg, während er sich langsam aber sicher in Little Whinging einlebte. Und parallel dazu? Da führte er hinter der stets magisch verschlossenen Tür zur leer stehenden Wohnung im Erdgeschoss eine verzweifelte Suche nach Beweisen, die ihm irgendwie helfen würden, Sirius doch noch aus Askaban zu holen. 

Er hatte kürzlich den dritten Antrag auf Besuch gestellt, wieder ordnungsgemäß im Abstand von 90 Tagen zum letzten und er ging immer noch alle paar Wochen aufs Postamt und gab einen Brief für Sirius auf. Ein paar landeten wieder bei ihm selbst. Für einige erhielt er einen Bescheid, dass sie wohl unterwegs verloren gegangen waren, aber von den meisten hörte er gar nichts mehr. Falls sie in Askaban ankamen, woran er, wenn er ehrlich war, wirklich zweifelte, dann kam auf jeden Fall auch keine Antwort. 

Er versuchte auch, Kontakt mit ehemaligen Todessern aufzunehmen, in der Hoffnung, dass ihm irgendwer sagen konnte, wie genau Voldemort den Aufenthaltsort der Potters herausgefunden hatte, was er Sirius angetan hatte, damit er das Geheimnis verriet. Sicher, er konnte es nicht über Folter geschafft haben, aber vielleicht über die Folter von jemand anderem? Remus wusste, dass Sirius es nicht ertragen konnte, andere zu sehen, wenn sie den Cruciatus erlitten. Hatten die Todesser das gegen ihn verwendet? Irgendwie wollte er nicht glauben, dass Sirius so leicht brechen würde. Unter Wochen und Monaten der psychologischen Folter vielleicht, aber nicht in unter einem Tag. 

Es ergab keinen Sinn. Also suchte er nach Informationen von innen. Die meisten Leute, von denen ihm bekannt war, dass sie Todesser gewesen waren, waren jedoch kaum zu kontaktieren. Entweder sie saßen ebenfalls in Askaban oder sie leugneten, jemals freiwillig Voldemort gefolgt zu sein. Remus bezweifelte, dass sie wirklich alle unter dem Imperius gestanden hatten, aber was auch immer wirklich geschehen war, die meisten lasen seine Briefe entweder überhaupt nicht oder er bekam eine knappe Antwort, dass sie nicht wussten, wovon er sprach, schließlich waren sie nur unfreiwillige Handlanger gewesen und hatten keine Ahnung, wer noch dazu gehört hatte. 

Die letzte Hoffnung, die Remus in dieser Hinsicht noch hatte, und das sagte er wirklich nur ungern, lag bei Severus Snape. 

Remus wusste, er war ein Todesser gewesen, sie hatten zu mehreren Gelegenheiten gegeneinander gekämpft, aber irgendetwas musste er getan haben, um in Dumbledores Augen wieder vertrauenswürdig zu sein, denn seit letztem September unterrichtete er in Hogwarts. Remus vermutete, dass Snape irgendeine Art Doppelagent gewesen war und wenn ihn sein Bauchgefühl nicht täuschte, dann hatte es vermutlich etwas mit seiner einseitigen Besessenheit mit Lily zu tun. 

Unwillkürlich fragte sich Remus, was Sirius wohl hätte tun müssen, um ein solches Pardon von Dumbledore zu bekommen. 

Remus war sich sicher, dass Snape auf einen Brief von ihm nicht antworten würde, also fragte er Anne, ob sie einen Nachmittag auf Julie aufpassen würde, damit er einen alten Kollegen besuchen konnte, mit dem er dringend etwas besprechen musste. Sie zögerte keine Sekunde und Remus nahm sich vor, ihr auf dem Rückweg Blumen oder Schokolade als Dankeschön mitzubringen. Oder, überlegte er dann, vielleicht etwas anderes, denn Blumen oder Schokolade waren vielleicht nicht angebracht von einem scheinbar alleinstehenden jungen Vater an eine verheiratete junge Frau. Vielleicht konnte er sich besser revanchieren, indem er irgendwann einmal auf Hannah oder die Jungs aufpasste. 

~~~~~

Hogwarts war still. Kein Wunder, es war Dienstag und mitten in der Prüfungszeit, aber Remus hatte die Stundenzeiten noch im Kopf, also lehnte er sich gegen die Wand vor Slughorns altem Büro, an dem jetzt eine Messingplakette mit der Aufschrift "Professor S. Snape, Zaubertränke" hing. Remus konnte Sirius und James in seinem Hinterkopf hören, die ihn dazu drängten, einen Permanentmarker zu nehmen (oh wunderbare Muggelerfindung) und irgendeine vulgäre Zeichnung darauf zu schmieren. Aber er hielt sich zurück, schließlich war er hier, um Snape um Hilfe zu bitten. 

Die nur allzu vertraute helle Glocke klingelte durchs Schloss, er konnte überall Türen aufgehen hören, Schuhe klapperten über Korridore, hunderte Stimmen schnatterten und füllten die Schule. Auch die Tür zum Zaubertränke-Klassenzimmer schwang auf, ein Schwall Sechstklässler drang heraus, einige kannte Remus noch, sie waren in der zweiten gewesen, als er seinen Abschluss gemacht hatte. Ein paar erkannten ihn ebenfalls, zwei blieben stehen und sprachen ihm ihr Beileid um Lily, James und Peter aus. Er konnte nur stumm nicken. Er versuchte sich vorzustellen, wie es wohl am ersten November gewesen war, als Dumbledore den Schülern verkündet hatte, dass der Krieg vorbei war. Sie hatten gefeiert, das sicher. Aber hatten die oberen drei Jahrgänge vielleicht auch mit Schock gehört, dass ausgerechnet Lily und James, die sie noch als Schulsprecher erlebt hatten, die letzten Opfer gewesen waren? Hatten sie getrauert? 

Remus wischte den Gedanken weg, dann trat er durch die Tür ins Klassenzimmer. Snape stand am Lehrerpult und sortierte die abgegebenen Proben irgendwelcher Zaubertränke. Remus klopfte gegen die offen stehende Tür und er sah auf. Sein Blick verfinsterte sich. 

"Lupin", sagte er wenig begeistert. 

"Snape", grüßte Remus zurück und er versuchte, dabei zu höflich wie möglich zu klingen. "Ich brauch deine..." er würgte beinahe ein wenig an dem Wort, "...Hilfe." 

Seine Lippen kräuselten sich zu diesem Grinsen, was Remus nur als hämisch beschreiben konnte. Er richtete sich auf. 

"Sag mir, was du willst und dann überlege ich es mir", schnorrte er. Es kostete Remus all seine Selbstdisziplin, sich nicht umzudrehen und wieder zu gehen. Vorzugsweise nachdem er Snape ins Gesicht geschlagen hatte. 

"Es geht um Sirius", sagte er. Snape lachte. 

"Nein." Er schwang seinen Zauberstab und dirigierte die Proben vor sich her, als er sich in Richtung seines Büros umdrehte. 

"Nein, warte!", rief Remus schnell und es klang wesentlich mehr nach Betteln als er Snape gegenüber jemals hatte sein wollen. Dem schien das allerdings zu gefallen und er drehte sich mit triumphierendem Gesichtsausdruck noch einmal um. Remus holte tief Luft.

"Ich versuche nur, zu verstehen, was damals geschehen ist", sagte er leise. "Ich weiß, du hast James und Sirius immer gehasst, aber du kannst nicht abstreiten, dass es unwirklich erscheint, dass Sirius James und Lily freiwillig verraten hat." 

Snape kniff die Augen zusammen. 

"Black ist und bleibt eben das - ein Black. Ist es wirklich so unwahrscheinlich unter diesem Gesichtspunkt?", fragte er abfällig. Remus zog die Augenbrauen hoch. 

"Ja", sagte er dann. "Und das weißt du." Er seufzte. "Ich weiß, du bist in den Kreisen unterwegs gewesen -" Er hob die Hand, um Snapes Protest im Keim zu ersticken. "- ob als Todesser oder als Spion weiß ich nicht und es ist mir auch herzlich egal. Aber du warst dabei." Er sah Snape direkt an. "Alles, was ich wissen will, ist ob du was gesehen hast. Irgendjemand anderen aus dem Orden, der Informationen weitergegeben hat, irgendein Gerücht, wie Du-weißt-schon-wer an den Aufenthaltsort der Potters gekommen ist." 

Für einen Moment dachte er, Snape würde ihn auslachen, ihm noch einen schönen Tag wünschen und gehen. Und tatsächlich trat ein höhnischer Gesichtsausdruck auf sein Gesicht. 

"Du bist erbärmlich, Lupin", sagte er dann. "Statt dich damit abzufinden, dass dein...Liebhaber ein Verräter war, jagst du irgendwelchen Schatten nach. Glaubst du nicht, dass ich Dumbledore  gesagt hätte, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, wer der Verräter war? Glaubst du, ich hätte zugelassen, dass er Lily...dass er die Potters findet, wenn ich es hätte verhindern können?"

Remus schwieg. Nein, das glaubte er nicht. 

"Aber du hat Sirius nie bei den Todessern gesehen?", fragte er dann ruhig. Snape seufzte genervt. 

"Es war kein Sommercamp, Lupin", blaffte er dann. "Wir haben keine Vorstellungsrunde mit Name, Wohnort und Lieblingstier gemacht. Ich maße mir nicht an, auch nur die Hälfte aller Todesser zu kennen. Und ein Doppelagent für deren Seite wäre sicher nicht zu unseren Vollversammlungen gekommen oder hast du mich je im Hauptquartier gesehen?"

Remus schluckte. 

"Aber du hast ihn nie gesehen?", wiederholte er dann noch einmal, drängend. Snape verdrehte die Augen, dann gab er ein wenig nach. 

"Nein", knurrte er, "ich hab ihn nie bei den Todessern gesehen." 


Hehehe, ich bin sehr auf dem Sprung, von daher heute nicht viel Geschnacke hinteran. Schönen Tag euch, trinkt viel bei der Hitze und wir hören uns Samstag (ich bin ~excited~)!

Der Buchladen im LigusterwegWhere stories live. Discover now