Beste Freunde und Schwestern

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Nachdem Anette und Markus mir alles erzählt hatten, gingen sie wieder aus dem Zimmer und ließen mich und Kia alleine.

Wir beide hatten uns einiges zu erzählen - immerhin hatten wir uns nie zuvor getroffen und sind in völlig verschieden Familien aufgewachsen.

Am Anfang hatten wir allerdings keine Ahnung, wo wir beginnen sollten. Immerhin waren 14 Jahre eine lange Zeit, in der viel passiert war.

"Also...", begann Kia schließlich das Gespräch. "Du hast mir doch von dieser Katharina erzählt. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?"

Auf einmal spürte ich wieder diesen Stich in meinem Herzen.

Ich hatte, seit ich Kia gesehen hatte, nicht mehr an sie gedacht, doch jetzt musste ich wieder daran denken, was passiert war.

War unsere Freundschaft nun wirklich vorbei?

"Alles Okay?", fragte Kia, die offenbar merkte, dass etwas nicht stimmte.

"Ja, es ist nur...Ich habe mich mit ihr gestritten.", erklärte ich ihr.

"Worüber?", fragte mich Kia daraufhin.

Ich erzählte ihr die ganze Geschichte und sie hörte aufmerksam zu.

Es tat gut, darüber zu reden und langsam fühlte ich mich wirklich besser.

Kia hörte mir schweigend zu.

Als ich fertig war, sagte sie: "Das war doch nicht deine Schuld!"

"Doch...", erwiderte ich traurig.

"Nein, garantiert nicht! Du bist diejenige, die das Recht hätte, auf sie sauer zu sein.", erklärte Kia.

"Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?", fragte ich.

"Du hast zwar deine Eltern angelogen, was auch nicht okay war, aber Katharina hätte dich nicht dazu zwingen sollen, darüber zu reden, wenn du das nicht willst. Das geht sie nämlich überhaupt nichts an!", meinte Kia.

"Aber...Katharina ist meine beste Freundin.", erwiderte ich.

"Auch die besten Freunde müssen die Grenzen der anderen respektieren und dürfen sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen.", gab Kia zu bedenken.

"Wir erzählen uns normalerweise alles und sie hat sich halt Sorgen um mich gemacht.", entgegnete ich.

"Das heißt nicht, dass sie das Recht hat, dich zum Reden zu zwingen und schon gar nicht das Recht, darüber zu urteilen. Echte Freunde machen das nicht!", erklärte meine Schwester.

Während sie redete, hatte ich irgendwie das Gefühl, dass sie aus eigener Erfahrung sprach.

Dies sagte ich ihr nun und sie begann zu erzählen: "Ja, ich habe sowas auch schon erlebt, aber aus einem anderen Grund. Ich hatte damals eine sehr gute Freundin. Sie hieß Evelyn und wir haben uns auch alles erzählt. Damals waren wir in der 6. Klasse. Irgendwann hat sie sich in einen richtig fiesen Jungen verliebt. Ein richtiger Mobber war er. Sie hat es mir nicht gesagt, weil sie wusste, was ich über ihn dachte. Ich habe aber gemerkt, dass sie irgendwie komisch drauf war. Ich habe sie irgendwann direkt gefragt und sie hat es zugegeben. Ich habe daraufhin versucht, ihr zu erklären, dass der Typ nicht der richtige für sie ist."

"Du hast sie darauf angesprochen und verurteilt?!", erwiderte ich überrascht.

"Ja, das habe ich gemacht. Ich weiß inzwischen, dass es falsch war, aber damals habe ich nicht darüber nachgedacht.", bestätigte Kia meine Vermutung.

"Was ist eigentlich aus eurer Freundschaft geworden?", fragte ich neugierig.

"Evelyn war ziemlich lange sauer auf mich - monatelang und in der Zeit war sie sogar mit dem Typen zusammen - aber irgendwann hat sie selbst erkannt, dass er ein Idiot war. Sie ist danach wieder zu mir gekommen und hat gesagt, dass ich recht hatte. Ich habe mich aber auch bei ihr entschuldigt, weil ich ihre Privatsphäre nicht respektiert hatte.", erwiderte Kia.

"Denkst du, dass Katharina das auch irgendwann kapiert?", fragte ich unsicher.

"Ich weiß es nicht.", meinte Kia. "Aber wenn sie anständig ist, bestimmt."

"Das ist sie.", sagte ich.

"Dann werdet ihr bestimmt bald wieder die besten Freundinnen sein.", freute sich Kia.

"Willst du mal ein Foto von ihr sehen?", fragte ich nun.

"Klar, zeig mal her." Kia grinste über das ganze Gesicht.

Daraufhin stand ich auf und suchte ein ausgedrucktes Foto von ihr. Mit dem Handy ging es ja nicht, denn das hatten nach wie vor meine Eltern. Ich wurde schnell fündig und zeigte es Kia sofort.

Es war ein Selfie von mir und Katharina, dass wir aufgenommen hatten, als wir gemeinsam einen Freizeitpark besucht hatten.

Kias Grinsen wurde breiter.

"Die sieht echt nett aus.", murmelte Kia, wahrscheinlich mehr zu sich selbst, doch ich hörte sie und erwiderte: "Das ist sie auch. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und sie war eigentlich immer sehr nett zu mir."

"Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?", fragte Kia erneut und diesmal antwortete ich ihr: "Ich war damals ungefähr 4, als ein neues Mädchen zu uns in den Kindergarten kam. Ihr Name war Katharina und ich habe sie gefragt, ob wir zusammen spielen wollen. Sie wollte und so haben wir uns angefreundet. Später sind wir dann beide in die selbe Grundschule gegangen - in die da hinten." Ich deutete in die Richtung, in der die Häuser und der Bahnhof waren. "Danach ging es dann auch auf die selbe weiterführende Schule, da wir uns auf keinen Fall trennen wollten.", beendete ich meine Geschichte. "Wie hast du Evelyn kennengelernt?", fragte ich daraufhin.

"Wir haben schon immer in selben Hochhaus gelebt und unsere Eltern waren auch schon immer die besten Freunde. Daher war sie vor allem als kleines Kind oft bei uns und wir haben viel zusammen gespielt.", erzählte mir Kia.

"Mag sie auch Animes?", fragte ich grinsend.

"Ja, sie mochte Animes sogar schon bevor ich sie für mich entdeckt habe. Genaugenommen bin ich durch sie zum Fan geworden.", verriet Kia.

"Wie denn?", wollte ich wissen.

Grinsend erwiderte Kia: "Ihr Onkel ist ein riesen Fan von Animes und hat es ihr schon als Kleinkind gezeigt. Daher war sie von klein auf ein Fan. Später hat sie mich dann dazu überredet, einen Anime zu schauen."

Daraufhin war das Gespräch im Gange und wir erzählten uns gegenseitig von unserem Leben.

Wir konnten gar nicht mehr aufhören, da es so viel zu erzählen gab.

Später brachte Anette uns etwas zum Abendessen ins Zimmer und fragte Kia nach der Nummer ihrer Adoptiveltern, um sie anzurufen und ihnen alles zu erklären.

Danach zog sie sich wieder zurück, damit wir uns in Ruhe unterhalten konnten.

Kia und ich aßen vergnügt die Pizza und erzählten uns weiter aus unseren Leben.

Nachdem wir uns eine ganze Weile unterhalten hatten, sagte Kia plötzlich: "Ich bin so froh, dass du mich damals angeschrieben hast."

"Ich auch.", erwiderte ich und spürte plötzlich, wie mir die Tränen in die Augen steigen.

Meiner Schwester schien es ähnlich zu gehen.

Nun öffnete Kia ihre Arme und ich warf mich hinein.

Weinend umarmten wir uns, doch nicht aus Trauer. Es waren Tränen der Freude.

Ich umarmte meine Schwester, die ich seit 14 Jahren nicht gesehen habe und von der ich zuvor nichts gewusst habe.

Wahrscheinlich ging es ihr in diesem Moment genauso.

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns wieder voneinander lösten, doch als wir es taten, sahen wir uns tief in die Augen und lächelten.

Die Brieffreundin Where stories live. Discover now