10. Kapitel

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Wie jeden Monat saß ich in diesem restaurierten, wohl früher mal beeindruckenden Raum, der vor etlichen Jahren der Ratssaal gewesen sein musste. Die hohe wuchtige Steindecke wurde von Säulen gehalten, die nur noch wenig ihrer alten Pracht zeigten. Mir kam es immer so vor, als würden sie jeden Moment zusammenstürzen und uns unter einem Haufen Geröll begraben. Jedes mal vor dem betreten des alten Anwesens betete ich zu Riah, dass sie uns Schutz bot. Und wie ihr seht lebe ich noch.

In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Holztisch, der trotz zahlreicher Mühe die Kratzer und Kerben zu erneuern, immer noch so aus sah wie es aus dem letzten Jahrhundert, aber ich war die letzte die sich deswegen beschweren würde.

 Alle zwölf Stühle um den Tisch waren besetzt und keines der Gesichter schien glücklich zu sein. Kein Wunder, ich konnte mir auch besseres vorstellen, als hier zu sitzen, aber trotzdem freute ich mich jedes mal darauf. Irgendwie zumindest. Aber hauptsächlich war ich stolz darauf, als wichtig genug erachtet zu werden, dass ich mir den Platz hier verdient hatte. Es war nicht immer  einfach gewesen, vor allem, weil viele Angst vor meiner Gabe hatten, aber ich hatte es geschafft und war sozusagen zum Generalleutnant ernannt worden. Mein Ziel war es zwar Generalin zu werden, aber wie sagt man so schön? Ein Schritt nach dem anderen.

"Du weißt das wir Recht haben, Allistair", raunte Lord Lay. Er war früher Besitzer, der größten und ertragsreichsten Eisen und Stahl Mienen von Gantrick. Heute ist er einer der zwölf Ratsmitglieder unserer Rebellengruppe, die sich nicht dem König untergeordnet haben.

"Wir hätten das schon viel früher machen sollen, du weißt das" Haralda Elwyne - ehemalige Oberbefehlshaberin der Ellesmere'ischen Armee. Zurzeit nur unsere Generalin.

"Ja, aber-" Allistair, unser Oberhaupt und früher der Seneschall den Königspaars von Ellesmere, wollte etwas erwiedern, wurde aber von Lord Osborne unterbrochen.

"Nein! Wir wissen, dass dein Spion sagt, wir sollen warten, aber wir haben uns lange genug zurückgelehnt" Lord Osborne ist für sein Titel noch relativ jung, erst Ende Zwanzig, wenn ich schätzen müsste, aber für seine Impulsivität bekannt.

"Mein Spion hat gesagt, dass Prinz Lorcan nicht mit der Politik seines Vaters einverstanden ist" Allistair ignorierte den jungen Lord, was diesem nicht zu gefallen schien. Aber er war nicht der einzige in dem Raum. Unruhe machte zwischen den Ratsmitgliedern breit.

"Ach ja? Woher will er das wissen?", zischte Osborn.

"Er hat seine Quellen" Allistairs vage Antwort ließ den Unmut der Anwesenden größer werden.

"Also für mich hört sich das sehr nach Ausflüchten an. Allistair, wir haben alle Vertrauen in dich und deine Entscheidungen, aber es kann so  nicht weitergehen" Lord Cadogan war ein älterer Mann, der eher auf Beweise, als Worte setzte.

"Genau! Ein Vertrauter von mir hat mir gestern geschrieben, dass Prinz Lorcan wieder auf Säuberungstour war. Diesmal ein Dorf in Gantrick - Asimi. Ein dutzend Häuser wurden abgebrannt, darunter auch die Mühle. Es dauert Zeit sie wieder aufzubauen. Zeit die sie nicht haben. In wenigen Monaten beginnt der Wolfsmond und wenn sie bis dahin keine neue Mühle haben, werden sie den nicht überleben." Lady de Noailles, eine überaus reiche Frau, der die Edelsteinmienen Tel' Navar's gehören.

"In Perinth, Camden, Omura und Zenica dasselbe. Und jedes mal wirkt es, als würde er etwas suchen."Lady von Brunswick nickte der blondhaarigen Lady de Noailles zustimmend zu.

"Meine Leute haben mir davon auch schon berichtet. Die Frage ist nur - was? Was sucht er?" Lord Cadogan sah zu Allistair, als wüsste er die Antwort.

Doch niemand antwortete auf seine Frage. Wir alle waren in Gedanken vertieft und überlegten was Prinz Lorcan wohl suchen konnte. Bis sich Haralda Elwyne zu Wort meldete.

"Oder wen. Wir wissen nicht ob er nur nach einen Gegenstand sucht. Es könnte auch eine Person sein" Die Worte der Generalin ließ Unruhe entstehen. Bedeutungsvolle Blicke wurden ausgetauscht und stumme Gespräche gefürht.

"Aber lohnt es sich für ihn denn überhaupt, diesen ganzen Chaos zu hinterlassen, wenn er doch nur ein Gegenstand oder eine Person sucht?", fragte Lord Cauchon. Er kam aus Lavandia und war, soweit ich es beurteilen konnte, sehr bodenständig.

"Außer - ihr glaubt doch nicht das er sie sucht, oder?" Lord Lays Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden. Doch das war für mich nebensächlich, viel eher interessierte es mich, wen er mit sie meinte und warum Prinz Lorcan sie suchen sollte. Ich schaute mich um, in der festen Überzeugung noch mehr Leute zu sehen, die sich fragten von wem er sprach, doch alle schienen genau zu wissen, was er mit seinen Worten meinte - Alle außer mir.

"Wir wissen im Moment noch gar nichts und deswegen werden wir noch nichts unternehmen."

WAS?! Er wusste was Prinz Lorcan tat und wollte trotzdem nichts unternehmen? Wir sollten einfach zugucken, während Prinz Lorcan wieder auf Säuberungstour ging, oder wie? Nicht mit mir! Das Geräusch meines Stuhls, als er über den Boden schrammte und ließ die fassunglosen, entsetzten und wütenden Gesichtsausdrücke Mitglieder mir zu wenden. Ich wusste das alle Blicke auf mir lagen, als ich wütend meine Hände auf der Tischplatte vor mir abstürzte und Allistair tief in die Augen blickte. Ich bemerkte nur am Rand, wie der Stuhl neben mir, ebenfalls zurück geschoben wurde und Brian, der Sohn von Allistair, sich neben mir hinstellte, seine Hand auf meine legte und sie kurz drückte. Kurz fühlte ich wie meine Magie erwachen wollte, doch ich schob sie weg, bevor jemand das glühen meiner Male sehen konnte. Das hätte mir gerade noch gefehlt!

"Das kannst du nicht von uns verlangen, Allistair! Nicht nach allem was passiert ist.", rief ich.

"Ruhe!" Der Blick unseres Anführers schien mich zu durchbohren, doch ich gab nicht nach. "Ich habe nicht gesagt, dass wir gar nichts tun werden." 

"Und wie ist dann dein Plan, Vater?", fragte Brian in dem Moment, als ich wieder den Mund aufmachte.

"Wir werden jemaden ins Schloss schleusen, dem ihr alle vertraut und der die wahren Pläne von Prinz Lorcan herausfindet und einen Weg findet den Dämon König Elgan zu töten."

"Und wer soll dieser jemand sein?" Biran wartete gar nicht erst die Anwort ab und sprach schon weiter. "Die letzten Leute die wir versucht haben ins Schloss zu schmuggeln, damit sie uns Informationen besorgen, sind alle erwischt und hingerichtet worden. In den Hauptstädten hängen die Leichen all derer immer noch am Galgen. Ich habe diesen ekelhaften bitter süßen Geschmack des Todes immer noch im Mund und die Bilder von den Krähen wie sie die Augen der Leichen rauspicken, werden mich noch lange verfolgen."

"Das werden sie uns alle, Junge.", sagte Lord Cauchon leise und die anderen Mitglieder nickten zustimmend. Die Stimmung hatte sich von fassunglos über wütend bis hin zu trauernd in so kurzer Zeit verändert, dass ich gar nicht mehr mitkam.

"Es tut mir Leid, dass du das schon sehen musstest, Sohn. Das gilt für uns alle." Allistair sah jeden einmal in die Augen bevor er weitersprach. "Ich hab lange überlegt. Die Vor und Wieder abgewogen und bin letzendlich zu dem Schluss gekommen, dass es die richtige Entscheidung ist Aurora ins Schloss zu schicken. Natürlich nur, wenn du einverstanden bist, ansonsten suchen wir jemand anderen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 20, 2022 ⏰

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Die Gabe der Aurora ~ stolen memoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt