4. Kapitel

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Begleitet von meinem zwei Wachen wurde ich, hinter Hohepriester Cadmus zu Alvaro gebracht. Still schweigend lief Illias neben mir.

Doch anders als erwartet gingen wir nicht zu seinem Arbeitszimmer, sondern in den dritten Garten dieses riesigen Palastes. Das Geräusch von Stahl auf Stahl und das Sirren von fliegenden Objekten konnte man hören wenn man sich konzentrierte. Ansonsten vernahm ich nur das knirschen von Stiefeln auf den steinernen Boden.

Ein wunderschöner Pavillon tauchte in mein Sichtfeld auf. Geriffelte Säulen stützten das imposante Dach, welches den heiligen Vater des Lichts, Keph, mit seinen Untergebenen Engeln zeigte. Die dünnen Vorhänge wehten leicht im Wind.

Und dort drin auf einem Sessel mit einer Tasse in der Hand und vor sich irgendein Dokument saß Wesir Alvaro. Er hatte sich in meiner Abwesenheit nicht groß verändert. Er war Tel'navarianer, ungefähr Anfang vierzig, in dem ordentlich gestuzten Bart einzelne graue Strähnen und seine Haaren war zurückgekämmt. Seine Haut hatte die Farbe von echtem Mahagoniholz und eine kleine Narbe teilte seine linke Augenbraue in zwei. Die Tel'navarianer waren zwar für ihre Größe bekannt, dennoch beeindruckte mich seine jedes mal aufs neue, genauso wie seinen beidruckenden Körperbau.

Als er unser kommen hörte hob er den Kopf. Stumm betrachtete er mich, als müsste er mein altes Ich mit dem jetztigen in Einklang bringen. Er hob die Hand und wies mich an, mich ihm gegenüber zu setzen. Zitternd atmete ich aus und setzte mich. Illias nahm den Stuhl neben mir und schob ihn dicht an mich heran. Als wollte er mir mitteilen das er da war.

"Du bist eindeutig nicht tot", begann er.

Ich weiß nicht was ich erwartet hatte, aber diesen Satz wohl nicht.

"An mir lag es nicht", antwortete ich. Sein Mundwinkel zuckte kurz. Mehr nicht.

"Aurora", bedächtig sprach er meinen Namen aus. "Ich suche dich schon seit deiner Verschleppung, und obwohl je mehr Zeit verging, es immer hoffnungsloser aussah dich zu finden gab ich die Hoffnung nie auf. Und jetzt bist du wieder hier"

Dass bei ihm sprach er nicht aus, doch ich hörte es so stark, als hätter er es ausgesprochen. Auch passte diese offene Rührseligkeit nicht so recht zu ihm. Ich hatte ihn immer als hartgesonnen Kerl in Erinnerung. Anscheinend hatten auch er ein weichen Kern - eine Achillesferse.

Ich hatte es nicht wirklich vorgehabt, aber ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

Du dumme Närin. Du weißt warum du hier bist. Er ist nur Mittel zum Zweck. Vergiss das nicht, schallte eine Stimme in mir, mich. Ich wusste es und würde es auch nicht so schnell vergessen, aber wenn ich an meinen Vater dachte, tauchte zuerst sein Bild auf. An meinen richtigen Vater hatte ich keine Erinnerung, genauso wenig wie an meine Mutter oder meine restliche Familie. Ich wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt lebten oder schon Tod waren.

"Aber wie hast du es eigentlich geschafft von diesen Rebellen abzuhauen, Aurora?", Alvaro trank ein Schluck aus seiner Tasse und musterte mich Argwöhnisch.

So sehr er sich wohl freute mich wieder zusehen, er war jetzt wieder ganz die rechte Hand des Königs. Seine silbernen Augen forschten stumm meine Züge nach einem Zeichen von Verrat. Illias kleiner Finger berührte meinen leicht. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.

Ich bin hier.

"Bei der letzten Razziae sind viele von denen gefangen genommen worden. Danach kam das große Feuer. Sie waren abgelenkt und ich hatte freie Bahn. Sie haben wohl nicht daran geglaubt das ich versuchen würde zu fliehen. Haben mich unterschätzt. Ich denke, dass sie nicht glaubten das ich einen Ort gehabt hätte an den ich hätte gehen können.", erklärte ich knapp. Ich war froh das die Lüge mir so einfach über die Lippen kam und meine Stimme fest klang.

Er schaute mich lange an. Sagt nichts. Trank nur ab und zu etwas von seinem Tee. Dann nickte er und der Ausdruck in seinen Augen weicher.

"Ich glaube dir Aurora. Und der König tut das gewiss auch. Aber du musst dich am Wochenende beweisen müssen. Dass weißt du", bedeutungsschwanger sah er mich an.

Entschlossen reckte ich mein Kinn und sah ihm in die Augen. "Ja, dessen bin ich mir durchaus bewusst"

Er stand auf und klaschte in seine Hände. Drei Diener kamen herein. Gemeinsam trugen sie eine große rechteckige Mahagonikiste zu uns. Ein weiter trug einen kleinen Tisch. Vorsichtig wurde die Kiste auf den Tisch abgestellt, auf dem danebn noch ein rotes Tuch lag. Mit einer Verbeugung zu Alvaro verschwanden sie wieder alle so schnell wie sie gekommen waren.

Neugierig musterte ich die Mahagonikiste, aber es gab keinen Hinweis auf den Inhalt. Auch Illias sah überrascht aus. Ich wandte mich wieder zu ihm um.

"Was ist das?", fragte ich Alvaro.

"Schau nach", er lehnte sich zurück.

Langsam um meine Neugier nicht zu sehr zu verraten stand ich auf. Vorsichtig berührte ich das glatte Holz und suchte die Öffnung. Ein leises klick ertönte. Ich drückte den Deckel auf.

Keuchend besah ich mir den Inhalt. Ich schlug mir eine Hand auf den Mund um ein freudiges quietschen zu dämpfen. Man hörte es trotzdem. Neugierig schlenderte Illias zu mir um zu sehen was mich so aufwühlte.

Abgedeckt mit Stroh damit es nicht zerkratzte lagen meine Zwillingsschwerter - Katanas - dort drin. Mit zitternden Finger holte ich eines heraus. Bedächtig strich über den abgenutzten Griff. Trotz des Glanzes durchs polieren konnte man die Kerben gut erkennen. Um den golden Grifff wadten sich Drachen. Früher hatte es einmal mir gehört. Alvaro war der Meinung es wäre besser mich auch im Kampf zu unterrichten.

Ich nahm auch das zweite hervor. Beitbreinig stellte ich mich hin, ging leicht in die Knie für ein sicheren Stand und schwang probeweise die Klingen. Illias konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Es fühlte sich noch genauso gut an wie früher.

Lächelnd legte ich die Klingen neben der Kiste und holte das nächste hervor. Zwei gebogene Messer im gleichen Stil, perfekt austariert lagen jetzt in meinen Händen. Auch hier konnte man erkennen das es schon benutzt wurde.

Dann der Bogen mit dem Kecher und den dazugehörigen Pfeilen. Fast zärtlich fuhr ich mit einem Finger über die Schnur.

Als letztes holte etwas schwarzes hervor. Ich hielt es vor mich damit ich es besser betrachten konnte. Ein matt, lederner, schwarzer Anzug.

Schwungvoll drehte ich mich wieder zu Alvaro. Der mich mit einem leisen Lächeln bedachte. Doch dann verschwand es.

"Komm mit. Ich will sehen, ob du noch in Form bist"

Die Gabe der Aurora ~ stolen memoriesWhere stories live. Discover now