23. Nomen est omen

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"Fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein." (Jesaja 43,1) Das kam mir gerade so als Bibelvers zum Thema Namen in den Sinn. Voll krass, wie Gott einfach unseren Namen kennt und uns damit ruft. Welche Kraft das hat. Das wissen wohl vor allem die trans Leute mit Eltern, die sie die ganze Zeit deadnamen oder den Namen einfach irgendwie vermeiden (wie in Felix ever after, wo der Vater Felix einfach nur "kid" nennt).

Namen sind echt krass. Sie haben Macht und sind Teil der Identität. Wenn jemand einen ruft, kann das richtig intensive Emotionen hervorrufen. Je nach dem, wie derjenige den Namen sagt und welche Beziehung man zu demjenigen hat. Ob geschimpft wird, ob der Name liebevoll geflüstert wird, ob man herbeigerufen wird, oder ob zum ersten Mal jemand den richtigen Namen benutzt.

Einen Namen zu finden, ist nicht umsonst für viele trans Menschen einer der wichtigsten Teile der Transition. Selbst wenn nicht alle ihren Namen offiziell ändern, haben sie vielleicht trotzdem einen und benutzen ihn in safe spaces (wie ich).

Ich benutze meinen Namen, Samu, als eine Kurzform von Samuel, mit meinen Internetfreund*innen in meinen Fandoms und weiteren Teilen des Internets, wo ich mich einigermaßen sicher fühle. Manchmal denke ich darüber nach, auch meine besten Freund*innen zu fragen, ob sie ihn benutzen können. Aber dann müssen die wieder aufpassen, wo sie ihn benutzen und wo nicht (bin ja nicht überall geoutet), und dann ist da natürlich auch wieder dieses altbekannte Gefühl von "Ich will niemandem zur Last fallen, ich bin so froh, dass sie dass überhaupt so gut akzeptieren, da will ich nichts überstrapazieren". Na toll, nicht hilfreich, dieses Gefühl.

Ich nenne meinen Geburtsnamen nicht Deadname. Es macht mir nicht groß was aus, so genannt zu werden, ich identifiziere mich noch teilweise damit. Dennoch habe ich manchmal das starke Bedürfnis, meinen neuen Namen aufzuschreiben bzw generell zu benutzen und es ist echt kacke, wenn das dann nicht geht, weil ich an der Stelle nicht geoutet bin oder es beispielsweise ein offizielles Dokument ist.
Das beste wäre ein Doppelname mit beiden Namen, aber es klingt nicht wirklich gut. Mit meinem Zweitnamen könnte es zwar gehen, aber das ist nun gerade der, mit dem ich mich nicht so identifiziere und der mich auch eine ganz bestimmte Zeit in der Schule erinnert. Und in der Schule war ich eher Außenseiter und wurde auch geärgert, deshalb hat dieser Name etwas diesen Beigeschmack. Ich bin aber sehr froh, dass ich den damals benutzt habe, denn er ist auch irgendwie zu einem Schutzpanzer für mich geworden. Dabei war es eigentlich eine total spontane Entscheidung, weil es noch eine zweite mit meinem Namen in der Klasse gab und die Lehrerin jeden mit Zweitnamen gefragt hat, welcher Name benutzt werden soll. (Untypisch für mich, so eine Art der Entscheidungsfindung. Aber interessant, dass ich das damals so beschlossen habe.)
Bei meinem Geburtsnamen sehe ich hingegen eher mein 3-jähriges Ich vor mir, das ich sehr gut leiden kann und mit dem ich mich irgendwie gut identifizieren kann.

Wie ich meinen Namen gefunden habe und was mir dabei wichtig war:
Mein Name ist ein Name, der meiner Mutter gut gefällt und den sie eventuell auch gewählt hätte, wäre ich bei der Geburt gleich als männlich eingeordnet worden.
Ich mag den Klang, ich mag, dass man eine genderneutrale Kurzform davon machen kann, ich mag die Bedeutung. Er hat die gleiche Herkunftssprache wie mein Geburtsname (Hebräisch, kommt im Alten Testament vor) und den gleichen Anfang (was allerdings auch der Grund ist, warum die beiden als Doppelname nicht so gut klingen, dazu kommen die Initialen, die halt echt beschissen sind).
Wichtig war für mich die Bedeutung und der Klang. Und insgesamt sollte es sich natürlich einfach gut und nach mir und richtig anfühlen.

Tipps für dich:
Gib dir Zeit. Wenn Kinder ihren Namen lernen, hören sie den sehr oft, bis sie ihn verinnerlichen. Es ist das selbe wie mit dem Pubertäts-Ding: du wirst dich vielleicht erst als Junge identifizieren müssen, bevor du dich als Mann siehst. Für cis Jungs kommen die Veränderungen auch nicht über Nacht (und das selbe gilt entsprechend für Mädchen). Wenn sich ein Name gut, aber noch fremd anfühlt, nimm dir also Zeit, ihn auszuprobieren: Schreibe Texte über dich, fülle Steckbriefe aus, beschrifte ein Foto, übe Unterschriften. Logg dich mit dem Namen irgendwo im Internet ein (beachte allerdings dabei, dass es eventuell dein echter Name sein wird). Frag eine kleine Gruppe von Internetfreund*innen, ob sie dir helfen. (Schreib ansonsten auch gerne hier in die Kommentare, dann schreib ich dir einen Testtext und andere können das dann auch machen, falls hier jemals irgendwer sein wird.) Es gibt auch eine Webseite, auf der man Namen und Pronomen ausprobieren kann. RPGs sind auch gut, besonders für Pronomen. Ich hab meine Pronomen auch über einen Charakter gefunden, der mir sehr ähnlich ist und xier/xiem benutzt. Sier/siem wird genauso konjugiert und gefiel mir besonders zum sprechen noch besser. Apropos sprechen: jetzt hab ich ja viele schriftliche Dinge genannt, aber sprechen ist natürlich auch wichtig. Schicke dir zum Beispiel selbst ein Audio.

Habt ihr noch mehr Tipps? Ab in die Kommentare damit!
Wie habt ihr euren Namen gefunden und welche Gedanken habt ihr noch zu dem Thema Namen?

How I accidentally became an AllyWhere stories live. Discover now