22. Stressabbau und Stimming

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So, heute mal wieder ein Kapitel, das mit dem Thema Autismus und ADHS zu tun hat. Es ist schwer, das zu trennen, weil ich von mir selbst nur beides zusammen kenne. Deswegen ist es hier ein bisschen mixed up.

Ich habe den Begriff "Stimming" erst vor einigen Monaten von einem Youtuber kennengelernt. (Echt? Sicher? Uff, mittlerweile kommt es mir vor, als würde ich den schon ewig kennen!) Er steht für "self-stimmulating behavior" und beschreibt das Wiederholen von Bewegungen, Geräuschen, Lauten, an etwas riechen... Jedenfalls Reizzufuhr irgendeiner Art.
Es gibt verschiedene Arten von Stimming: kontrolliert, unkontrolliert, taktil, akustisch, visuell...
Eigentlich machen und brauchen alle Menschen Stimming, aber für neurodivergente Menschen hat es nochmal eine viel wichtigere, exentiellere Bedeutung.

Unkontrolliertes Stimming ist häufig das, was manchmal so als "typisch behindert" gilt: Hände klatschen, Oberkörper hin und her wippen und sonstige Bewegungen, die der Körper von selbst macht, um Stress abzubauen. Das können auch kleinere Bewegungen sein, die man selbst nicht sofort wahrnimmt.
Autisten und ADHSler neigen dazu, Tics zu entwickeln und das hängt, denke ich jedenfalls, eng mit dem Bedürfnis nach Stimming zusammen. Wenn man ADHS-Medikamente nimmt, kann das noch verstärkt werden. Schulter zucken, Bewegungen mit den Fingern oder im Gesicht... Es kommt eben häufig bei Autismus vor, aber auch zum Beispiel bei Angststörungen oder bei ADHS. Das kann manchmal echt belastend sein, wenn man weiß, dass es auf andere komisch wirkt, man aber nichts dagegen machen kann. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu Selbstverletzung kommen. Und auch sonst gibt es viele Tics, die ziemlich auf die Gesundheit gehen (vor allem, wenn man eh schon Probleme damit hat...)
Manche Sachen davon sind aber auch gut und es tut gut, sie absichtlich als kontrolliertes Stimming zu machen. Es wäre schön, wenn man in der Öffentlichkeit nicht schräg angeschaut werden würde dafür.
Viele Autisten haben lange Zeit mehr oder weniger erfolgreich versucht und gelernt, ihre Stims zu unterdrücken. Dann muss man sich erst wieder dran gewöhnen, sie zuzulassen. Internalisierter Ableismus ist an dieser Stelle echt hart. Man kommt sich zunächst sehr komisch vor, wenn man Stimming zulässt, weil man immer eingetrichtert bekommen hat, dass das komisch aussieht und man das nicht machen soll.

Letztendlich ist es eine Reaktion des Körpers auf starke Emotionen, Überreizung, sensory issues oder Ähnliches. Um diesen Stress abzubauen, kann man mit kontrolliertem Stimming dagegenhalten.
Manchmal ist es auch das, was vielleicht so ähnlich ist wie Langeweile in eintönigen Schulstunden: "unterstimmuliert sein" (being understimmed). Das ist dann der Punkt, wo man nicht mehr stillsitzen und sich nicht konzentrieren kann. (Es ist echt schwer, das zu erklären ohne zu wissen, wie sich Neurotypische in langweiligen Schulstunden fühlen xD Denn anscheinend gibt es auch Menschen, die sich auch bei Langeweile konzentrieren können, wenn auch vielleicht nicht jede*r Neurotypische. Aber diese Menschen kennen das Gefühl jedenfalls vielleicht gar nicht...)
Dazu als biologisches Hintergrundwissen: Das hat alles auch was mit dem Hormonhaushalt zu tun. ADHSler haben oft zu wenig Dopamin und so. Und das versucht man sich dann über äußere Einflüsse zu holen. Das kann sich dann auch z.B. in "Handysucht" zeigen und da ist die Ursache natürlich wichtig zu wissen, wenn man davon weg kommen will. Denn die Lösung ist da natürlich nicht, einfach nur das Handy wegzusperren oder so, sondern gezielt mit anderen Methoden das zu erreichen, was man mit dem Handy tut. Manchmal fühlt sich mein Kopf an, als würde er explodieren bzw meine Gedanken lösen ganz unangenehme Gefühle aus. Dann scrolle ich durch meinen Insta-Feed und das hilft. Wenn ich nun aber meine Instagramzeit verringern will, dann brauche ich irgendwas, was diesen Effekt auch hat, sonst wirds unangenehm.

Für kontrolliertes Stimming kann man zum Beispiel Stim toys / fidget toys benutzen. Das können speziell entwickelte (und manchmal teure) Teile sein oder Alltagszeugs. Manche Spielzeuge wie der Schleim, der Fidget Spinner oder die fidget poppers waren (oder sind) zeitweise bei vielen Jugendlichen richtig beliebt. Das hat gewisse Vorteile, aber kann auch zu Problemen führen: nämlich dass sie zum Beispiel in der Schule verboten werden, weil sie auf Dauer den Unterricht stören. Das ist dann natürlich sehr problematisch für die, die es dringend brauchen.
Mein Lieblings-fidget-toy ist der fidget tangle (oben links) Außerdem hab ich noch mehrere Popper und Fidget Spinner. Bei einem davon ist ein Element rausgebrochen. Die dadurch entstandene Unwucht macht es aber eigentlich noch interessanter, weil man es jetzt durch "schütteln" zum Drehen bringen kann. Der fidget spinner leuchtet außerdem im Dunkeln.

How I accidentally became an AllyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt