In jener Nacht konnte er seinen Eltern nicht helfen, weil er nicht nach Hilfe schreien konnte.

In jener Nacht spürte er zum ersten Mal, was es bedeutete, hilflos zu sein.

In jener Nacht hatte er seine Eltern umgebracht. Und dafür musste er bestraft werden.

Taehyung ging zwei Jahre lang zum Psychologen—Juhee war bei den meisten Sitzungen daneben, auch wenn man ihr ansehen konnte, wie sehr sie es hasste, hier zu sein.

Jung-Soo forderte ihn regelmäßig auf, über sein Trauma zu reden—über seine Eltern, über den Unfall, über das, was er fühlte... alles, was ihn am Abend den Schlaf raubte.

Irgendwann war er an einem Punkt angelangt, wo er über sein Trauma sprechen wollte.

Er hatte es noch nie jemanden erzählt, er wollte seinen Schmerz und seine Wut mit anderen teilen, wollte alles, was sich über die Jahre angestaut hatte rauslassen, aber—

Jedes Mal, wenn er den Mund öffnete, erstarrte er.

Die Worte blieben ihm wie ein Fremdkörper im Hals stecken und seine Augen wurden glasig.

Er konnte nicht mit dem Psychologen oder mit Juhee darüber reden, wie das, was ihn verletzt hatte, es ihm unmöglich machte zu sprechen.

„Taehyung, was ist los? Warum weinst du?", probierte es Jung-Soo. Er schob Taehyung das iPad mit den Notizen näher. „Versuch es mir mitzuteilen. Wie du willst. Du musst nicht sprechen."

Er weinte?

Taehyung griff sich ins Gesicht und tatsächlich—es war nass. Tiefe, schaudernde Schluchzer entflohen seiner Kehle.

Es war zu viel. Es schmerzte.

Er wollte, dass es aufhörte.

Jung-Soo zog das iPad zurück, als er bemerkte, dass Taehyung keine Anstalten machte, danach zu greifen. Er versuchte es gar nicht. Er gab langsam auf.

Juhee saß ihm gegenüber und seufzte. „Wir kommen morgen wieder. Ich glaube, für heute ist es genug."

Also kamen sie am nächsten Tag wieder—diesmal weinte Taehyung nicht, denn er war wütend. Wütend auf sich selbst und auf alle anderen.

Nächsten Tag weinte er wieder.

Es war immer das Gleiche—ein tagtägliches Auf und Ab von Emotionen, das er selbst nicht kontrollieren konnte.

„Ich werde dich in eine andere Schule versetzen", verkündete Juhee eines morgens. Sie saß am Esstisch und schlürfte Kaffee. Taehyung saß ihr gegenüber und starrte auf sein Brötchen. Er rührte es nicht an.

Erst, als sie weitersprach, hob er den Kopf und registrierte ihre Worte. „Es liegt offensichtlich nicht an deinen Noten, du tust in letzter Zeit nichts anderes außer lernen und lesen, aber ich bin der Meinung, dass du Veränderung brauchst. Neue Leute. Neue Gesichter. Die Lehrer in deiner jetzigen Schule fördern dich nicht genug und dir schadet es nicht, wenn du etwas aus dir rauskommen musst. Vielleicht ändert sich dann etwas."

Musst.

Taehyung zuckte mit den Schultern.

„Ist es dir egal?", fragte sie. „Kannst du verstehen, wieso ich dieser Meinung bin?"

Nein, konnte er nicht, aber es war ihm egal. Er hatte keine Freunde mehr. Er hatte jeden von sich gestoßen und nun musste er mit den Konsequenzen leben. Er hoffte, dass er sich irgendwann an die Einsamkeit gewöhnen konnte.

All The Words You Never Said [VKOOK]Where stories live. Discover now