Kapitel 6

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BIANCA

Ich half gerade Julieta und Pepa beim Schmücken und fragte mich immer noch, ob ich ihnen jetzt wirklich von Hernando erzählen sollte. Ich mochte ihn zwar sehr, aber er hatte sich mir heute Morgen doch sehr aufgedrängt und ich wusste nicht, ob ich das jemandem erzählen konnte oder sollte. Mit etwas Glück, war das auch nur ein schlechter Scherz von ihm gewesen! Ich war für die Dekorationen auf der oberen Etage zuständig, wo ich gerade einige Banner und Girlanden am Geländer der Galerie befestigte. Casita baute eine neue Treppe auf, die auf die Galerie zu mir hinaufführte, damit ich nicht ständig mit dem riesigen Korb voller Deko die kleine Treppe an der Ecke rauf und runter laufen musste. Ich musste lächeln.
"Gracias, Casita", sagte ich. "Wenn du nicht wärst, würde ich mich hier dumm und dämlich laufen!" Casita zog die Banner höher, die ich gerade befestigt hatte, was wie ein Lächeln wirkte, worauf ich lächelte. Sie freute sich wohl über mein Kompliment. Ich zog die Schnur der Girlande fest und ging dann weiter. Ich kam an die Ecke mit dem Aufgang zu Brunos Turm. Anders als seine Schwestern, hatte Bruno nicht nur ein Zimmer, sondern einen ganzen Turm bekommen! Dazu war sein Zimmer sehr abgeschieden und nach dem, was ich so über ihn wusste, passte das auch zu ihm. Abgeschieden. Ich war als Kind ständig wegen Pepa und Julieta hier gewesen, aber Bruno hatte ich eigentlich nie gesehen. Ich blieb unsicher vor seiner Tür stehen. Es war auch sein Geburtstag, aber er würde nicht bei seiner Familie sein. Das war auch irgendwie schade für ihn. Hoffentlich konnte er, wo immer er auch war, trotzdem einen schönen Geburtstag feiern. Sollte ich vielleicht auch an seine Tür ein Banner hängen? Immerhin war es ja auch sein Geburtstag! Na ja, ein kleines Banner würde wohl kaum schaden. Also band ich eine kleine, grüne Girlande über die Tür, die urplötzlich zu leuchten begann. Ich zuckte erschrocken zurück. Wie konnte das sein? Brunos Tür hatte noch nie geleuchtet! Die Türen leuchteten nur so grell, wenn jemand seine Gabe benutzte! Aber wie konnte das sein? Neugierig berührte ich das Holz, doch da hörte die Tür auch schon auf zu leuchten. Was bedeutete das?
"Bibi?" Julieta und Pepa tauchten hinter mir auf, also drehte ich mich um. "Was machst du hier?"
"Ich wollte nur das Haus schmücken und dachte mir, dass Bruno vielleicht...", begann ich, doch beim Namen ihres Bruders, bildete sich eine dunkle Wolke über Pepa, die zu donnern begann.
"Nimm diesen Namen nicht in den Mund, wir reden nicht über ihn!", sagte sie wütend, während Julieta ihr über die Schulter strich.
"Tut mir leid, ich dachte einfach nur, dass es ja auch sein Geburtstag ist und ich wollte zumindest ein bisschen etwas hierhin hängen. Aber dann hat die Tür angefangen zu leuchten", erklärte ich, Julieta schüttelte den Kopf.
"Das kann nicht sein, das hast du dir nur eingebildet! Und jetzt komm von der Tür weg, sie verdient keine Aufmerksamkeit. Lass uns lieber noch ein bisschen das Haus schmücken, ja? Wir brauchen dringend noch Deko bei Papás Bild!", wandte sie ein und zog mich dann auch schon von Brunos Zimmer weg. Ich drehte mich noch einmal zur Tür um, aber sie war genauso dunkel wie vorher. Hatte ich mir das vielleicht wirklich nur eingebildet? Möglich wäre es.

Ich hatte den ganzen Tag bei den Madrigals verbracht und beim Schmücken geholfen, sodass ich abends todmüde nach Hause kam. Wir hatten das ganze Haus geschmückt und wollten nichts mehr, als uns nun nach dem Essen endlich hinzulegen und zu schlafen! Julieta und Alma hatten noch etwas zu Abendessen gemacht und nun war ich so fertig, dass ich einfach hundemüde ins Bett fiel, ohne meiner Familie überhaupt noch Gute Nacht zu sagen. Dazu war ich zu müde gewesen. Ich kuschelte mich unter meine gemütliche Decke und schloss gerade die Augen, als ich etwas Komisches an meinem Fenster hörte. Verwirrt öffnete ich die Augen und sah auf. Ich sah eine dunkle Gestalt vor meinem Zimmer und setzte mich verwirrt im Bett auf. War das vielleicht ein Einbrecher? Aber wer in Encanto würde irgendwo einbrechen? Die Gestalt öffnete mein Fenster und kletterte ins Zimmer, sodass ich nun Hernando erkennen konnte. Was machte er hier? War er irre geworden, hier wirklich einfach einzubrechen?
"Hernando? Was soll das?", fragte ich verwirrt nach, als er das Fenster schloss, sich zu mir umdrehte und mich anlächelte.
"Ich hatte dir doch gesagt, dass ich ein so schönes Mädchen nachts nicht alleine lasse", antwortete er wie selbstverständlich.
"Aber... du kannst doch nicht einfach hier einbrechen! Meine Familie köpft dich, wenn sie dich hier sieht!", wandte ich ein und stand auf. Er zuckte die Schultern.
"Sie erwischen uns schon nicht, beruhige dich, querida." Querida? "Sei nicht so verklemmt. Was ist schon dabei, wenn sich zwei Liebende besuchen?" Er nahm meine Hand und drückte sie und obwohl ich meine Hand wegziehen wollte, konnte ich es nicht. Es war, als hätte er mich in einen Bann gezogen und ich konnte mich nicht dagegen wehren.
"Na ja, eigentlich nichts, aber zu übernachten... das ist doch schon ein großer Schritt, oder?", wandte ich besorgt ein, er grinste.
"Ach was, nein! Was soll denn schon dabei sein? Es passiert ja nichts", wehrte er ab. "Komm schon, amor, nur eine Nacht." Ich seufzte. Er hatte recht, was war denn schon dabei? Und wir mochten uns, also war es bestimmt in Ordnung, mal eine Nacht zusammen zu verbringen.
"Na gut, wie du möchtest", willigte ich ein. "Du hast ja recht, es ist ja nichts dabei." Er grinste wieder.
"Ich wusste, dass du es verstehen würdest, querida."
"Aber nur unter einer Bedingung", wandte ich ein, worauf er mich verwirrt ansah. "Du ziehst deine Kapuze ab. Ich möchte wissen, mit wem ich mir mein Bett teile."
"Mit deinem Liebsten, querida. Mehr musst du doch gar nicht wissen", konterte er und gab mir einen Kuss, der mich im ersten Moment total überraschte, doch ich musste lächeln. Er war einfach zu süß! Er löste sich langsam wieder von mir und ich strich mir verlegen eine Strähne zurück.
"Na gut, in Ordnung", willigte ich ein. "Ich will dich ja auch nicht drängen. Dann komm, lass uns schlafen gehen." Er nickte und lächelte.
"Gute Idee, querida. Du bist einzigartig, weißt du das? Ich könnte mir niemand Besseren vorstellen als dich." Was meinte er damit? Niemand besseren? Besseren für was? Verwirrt sah ich ihn an, aber er ignorierte mich und legte sich einfach hin. Na gut, in Ordnung. Vielleicht würde er mir morgen ja sagen, was das bedeutete. Verwirrend war es aber auf jeden Fall.

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Was hat Hernando wohl damit gemeint? Und wieso ist er so versessen auf Bianca? Lasst gerne Kritik, Vorschläge oder einfach generelles Feedback da, darüber würde ich mich sehr freuen! :)

Cassy

The evil within Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt