„Fass mich nicht an!“ Meine Stimme bebte, während ich in Tobias erstauntes Gesicht sah und dann aus der Küche lief. Mir gefiel diese Situation ganz und gar nicht. Gestern war alles noch okay, er hatte mich von der Höhenangst abgelenkt und zum Lachen gebracht und jetzt? Jetzt rastete ich aus, motzte ihn an und bekam Panik. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich diese Angst einfach nicht überwältigen konnte und ich genau wusste, dass Tobias mir freiwillig nie etwas tun würde. Es war ein bescheuertes Gefühl, das mir Tränen in die Augen trieb, die ich wütend weg blinzelte. Ich wollte dieses Gefühl nämlich nicht. Denn normalerweise war dieses Gefühl gar nicht da.

„Keira, es-“

„Lass es einfach!“ rief ich und ballte eine Hand zur Faust, ohne mich zu ihm umzudrehen.

„Nein, irgendetwas stimmt nicht!“ widersprach er mir vorsichtig.

„Ich weiß nicht, was du hast. Es ist alles okay.“ stritt ich aggressiv ab.

„Du lügst, Keira. Irgendetwas stimmt nicht. Rede doch einfach mit mir!“ bat er mich und trat langsam einen Schritt auf mich zu. Eilig drehte ich mich zu ihm um.

„Warum sollte ich mit dir reden?“ fuhr ich ihn wütend an.

„Weil ich ganz gut zuhören kann, Kätzchen.“ sagte er sanft und lächelte.

„Da gibt es nichts zum Zuhören. Ich bin einfach nicht gut drauf!“ schrie ich ihn zornig an. Es war einfach dieser Tag, der mich so wütend machte und noch etwas anderes, das mit Tobias zu tun hatte und ich nicht genau zuordnen konnte. Und genau das machte mich noch mehr wütend.

„Vielleicht, aber selbst wenn du schlecht drauf bist, bist du nicht so zickig!“ rief er frustriert.

„Ich bin nicht zickig!“

„Sag mir doch einfach was los ist, Kätzchen.“ Tobias sah mich bittend an, worauf ich natürlich den Kopf schüttelte.

„Das geht dich nichts an.“ sagte ich betont ruhig. Ich hatte ihn schon genug angeschrien und er konnte für meine schlechte Laune wirklich nichts. Vielleicht war es aber auch der neue Spitzname, der die Situation wieder entschärfte.

„Vielleicht, aber dir geht es nicht gut und das gefällt mir nicht. Wenn du mir sagst, was los ist kann ich dir vielleicht helfen.“ Wieder kam er einen Schritt auf mich zu und instinktiv tat ich einen zurück.

„Ich brauche keine Hilfe, Tobias.“ seufzte ich und wich noch einen Schritt zurück, als er einen auf mich zu tat.

„Keira, ich wollte deine Hilfe am Anfang auch nicht. Aber seit du mir mit den Drogen hilfst geht es mir besser und ich habe wirklich das Gefühl, dass ich es wieder da raus schaffen kann. Vielleicht kann ich dir auch helfen.“ schlug er vor.

„Nein, kannst du nicht.“ sagte ich leise und sah auf den Boden.

„Lass es mich versuchen.“ Er kam noch einen Schritt auf mich zu, was natürlich die Angst wieder in mir hoch kommen ließ. Ich wollte es nicht, aber ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren.

Vorsichtig hob er eine Hand, wahrscheinlich um mir eine nervige Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, aber ich zuckte zurück und drehte meinen Kopf weg.

„Du hast Angst vor mir.“ flüsterte er niedergeschlagen und trat mit hängenden Schultern einen Schritt zurück.

„Nein.“ rief ich augenblicklich. Er sah aus wie ein geschlagener Hund. „Ich habe keine Angst vor dir. Es-“

„Ist auch verständlich, nachdem ich...“ unterbrach er mich und seufzte.

„Tobias, hör auf. Ich habe keine Angst vor dir.“ rief ich frustriert.

Zweite ChanceWhere stories live. Discover now