𝐑𝐄𝐈𝐒𝐄

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Langsam beginnt die verregnete Landschaft, die ich von dem kalten Zugfenster aus beobachte, an mir vorbeizuziehen.

Die Friedenswächter haben mich gleich hier zum Zug, der uns ins Kapitol bringen wird.
Richtig verabschieden konnte ich mich von niemandem mehr.

Kalt, wie in Eiswasser getaucht, sehe ich zu, wie sich meine Heimat und meine Familie mit der Zeit immer mehr und mehr von mir entfernen.

Plötzlich höre ich, wie Schritte auf mich zukommen. Ich drehe mich um, und sehe, dass es Finnick ist.

Doch heute wirft er mir nicht das schelmische Grinsen zu, was ich sonst immer auf seinen Lippen sehe.

Während er auf mich zukommt, denke ich über ihn nach.
Irgendwie kann ich ihn nur sehr schwer einschätzen. Oft will mein Kopf ihn arrogant nennen, doch irgendwas sagt mir, dass er das nicht ist.
Wir haben uns zwar immer relativ gut verstanden, doch Freunde sind wir definitiv nicht.

Still lässt er sich neben mich auf das marineblaue Sofa fallen.
Wie beinahe immer, wenn ich ihn sehe, windet sich eine dünne Schnur zwischen seinen Fingern, die er immer wieder zu unzähligen Knoten zusammenbindet.

Niedergeschlagen sehe ich ihm dabei zu, und zu meiner Überraschung beruhigt es mich etwas.
Im Dorf der Sieger zuhause sehe ich ihn ständig damit, und es erinnert mich ein bisschen an Distrikt vier.

„Sie war stark, deine Kleine. Hat sich wenig anmerken lassen." raunt Finnick und zieht seine Schlinge erneut zu.

Ich sehe ihn überrascht, aber gleichzeitig auch dankbar an.
Sonst redet er mir eigentlich nie positiv zu, doch ich sollte wohl dankbar sein, dass er mich ermutigen will.

Ich hoffe, dass er nicht der einzige ist, der so denkt.

Bevor wir weiterreden können, öffnet sich erneut die silberne Tür unseres langes Abteils, und Saphire, gefolgt von Jinia und Yuvan treten ein.

Ich versuche, Jinia so zuversichtlich wie möglich zuzulächeln.

Während sie auf mich zukommt, sehe ich, wie sie staunend die riesigen Berge mit dem Essen und den Köstlichkeiten des Kapitols ansieht.

Ich habe diese fast garnicht mehr beachtet, und angerührt erst recht nicht.

Jinia lässt sich schließlich in einen breiten Sessel vor unserem Sofa sinken.
Sie scheint sich wieder etwas beruhigt zu haben, doch ich sehe ihr ihre Angst an.

Yuvan macht sich zuerst einmal über die vielen Spezialitäten her.

Auch Jinia sieht bewundert zu diesen herüber, doch sie rührt sie nicht an.

Nach meinem Sieg habe ich so viel Siegerlohn bekommen, dass wir zwar niemals Essen im Überfluss hatten, doch so, dass niemand von uns hungerte, wie meine Geschwister und ich es als Kinder tun mussten.

Saphire unterbricht die Stille mit einem Räuspern.

„Wie wäre es, wenn wir uns die anderen Ernten im Fernsehen ansehen?" quietscht sie.

Ich seufze nur, und Finnick grinst nur seltsam.
Doch ich weiß, dass es wichtig ist, zu sehen, wer die anderen Tribute sind.

Schließlich müssen sie alle sterben, wenn Jinia wieder nach Hause kommen soll.

Bald schon hat Saphire den breiten Fernseher angemacht und es gerade rechtzeitig zum Kapitol- TV geschafft. Jinia kommt zu mir herüber und setzt sich auf die Sofakante, ich lege meinen Arm um sie.

Der Moderator der Hungerspiele, Caesar Flickermann hat sich dieses Jahr seine Haare blutrot gefärbt. Er kommentiert gerade nochmal die finale Szene aus den Hungerspielen im letzten Jahr, wo ein Junge, ich glaube aus Distrikt eins, einem jüngeren Mädchen ein Schwert in die Brust rammt, und schließlich triumphierend in die Sonne blickt, als sein Sieg verkündet wird.

Tribute von Panem | Flammendes MeerWhere stories live. Discover now