𝐒𝐂𝐇𝐔𝐋𝐃

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Eine seltsame Stimmung herrscht an diesem Morgen. Vier weitere Mentoren sind gestern durch die Tode von Luke und dem aus elf mit düsterer Miene aus dem Saal gegangen und nicht mehr zurückgekommen.
So, wie wir immer weniger Mentoren werden, umso mehr Publikum ist seit gestern wieder hier.
Und jetzt, wo nur noch zehn Tribute am Leben sind, sind die meisten Feuer und Flamme und verfolgen jede Bewegung ihres Favoriten.

Ich sehe Beetee Latier aus drei, und wie er mit Wiress, der andere Mentorin aus seinem Distrikt, heftig diskutiert und dabei immer wieder auf ihren Tribut, den etwa vierzehnjährigen Jungen aus drei, zeigt. Man hört die beiden nicht, da sie sehr leise reden, doch anscheinend sind sie sehr angespannt.
Denn wie der Bildschirm gerade zeigt, sieht ihr Tribut gar nicht gut aus.
Er ist ganz blass im Gesicht, schwitzt, und geht nur langsam durch die sengende Hitze der Wüste.
Langsam schwingt er sich eine kleine Tasche vom Rücken, und holt eine kleine Wasserflasche heraus.
Er führt sie zum Mund, doch ich sehe, dass er nichts herunterschluckt. Die Flasche ist leer.

Seine zittrige Hand lässt die Flasche in den heißen Sand, außer dem um ihn herum nichts weiteres zu sehen ist, fallen.
Er scheint seit Tagen nichts gegessen und getrunken zu haben.
Erschöpft lässt er sich in den Sand sinken und sein Atem geht nur noch flach.
Als er nach oben in den Himmel blickt, schlägt ihm die enorme Hitze der Sonne stark ins Gesicht.
Doch er schafft es, mit seinen Lippen noch zwei Worte zu formen.
Wasser. Bitte.
Mitfühlend sehe ich mich im Saal um.
Normalerweise, wenn einer der Tribute etwas erbeten hat, springen sofort mehrere Leute auf und machen Angebote.
Doch dieses Mal regt sich keiner.
Ich erkenne die Familie, die ich vorgestern überzeugt habe, Jinia etwas in die Arena zu schicken.
Die zwei Kinder blicken beinahe schon mitfühlend zu dem Jungen, was ich nur sehr selten auf den Gesichtern der Leute hier sehe.
Doch die Eltern zucken nicht mit der Wimper.
Und auch sonst niemanden scheint das Schicksal des Jungen zu kümmern.
Selbst, als Beete versucht, mehrere Leute im Publikum zu überzeugen, ist niemand bereit, Geld zu geben.
Offenbar haben sie den Glauben an den Jungen bereits aufgegeben und wollen nun keine Münze ihres Gelds für jemanden ausgeben, der sowieso bald tot sein wird.
Diese Denkweise ist grauenhaft.
Der aus drei scheint seine Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben zu haben.
Zwar sind seine Augen schon beinahe ganz geschlossen, doch er hält den Kopf immer noch gen Himmel gerichtet auf der Suche nach Hilfe.
Doch nichts geschieht.
Eine Minute.
Zwei.
Schließlich ist beinahe eine Viertelstunde vergangen.
Und dann regt sich der Junge nicht mehr.
Wenige Minuten später ertönt der Schlag der Kanone und er ist tot.
Weil ihm niemand helfen wollte.

Beetee streicht sich mit der Hand über sein erschöpftes Gesicht und seufzt.
Dann stehen er und Wiress langsam auf und verlassen den Saal.
Ich seufze. Es ist immer so schrecklich, wenn man als Mentor noch so viel Hoffnung in einen Tribut hat, und alles dafür tut, damit dieser überlebt, und dieser dann doch stirbt, meist dann noch auf so eine grausame Weise wie eben.
Und das wird noch mit allen Mentoren hier, außer zwei von ihnen geschehen. Jedoch haben auch diese beiden am Ende auch den anderen Tribut, in den sie Hoffnung gesteckt haben, verloren.

Die Stimmung heute zwischen Jumara, Nate und Jinia ist gedämpft.
Gestern war Jumara unmittelbar nach Lukes Tod beinahe erstarrt.
Wie erschlagen haben die drei auf die Stelle geblickt, wo kurz vorher noch Luke zu sehen war.
Ich habe es zwar nicht gesehen, doch ich glaube, dass durch diesen Moment etwas tief in Jinia und auch in den anderen zerbrochen ist.
Genau so, wie es bei mir damals anfing.
Ich verdränge die schrecklichen Erinnerungen.
Nach einer Weile hatten Nate und Jinia sich wieder gefangen, doch mussten sie Jumara beinahe davon wegzerren.
Seitdem haben sie nicht mehr viel geredet und sich nur so weit wie möglich von der Wüste entfernt.

Inzwischen sitzen die drei in einem zerstörten Haus in der Nähe des Waldes.
Jinia lässt immer wieder feine Sandkörner durch ihre Finger rieseln und blickt leer zu Boden.
Jumara weint inzwischen nicht mehr, doch sie blickt mit genau so leerem Blick auf Lukes Schwert, welches ihr Jinia wiedergegeben hat.
Aus Nates Miene kann man nichts ablesen.
Jinia sucht den Blick von Jumara, doch die sieht nur zu Boden.
„Hey, Jumara...es...tut mir wirklich leid, was passiert ist. Es..." sie schluckt und ich sehe den Anschein von Tränen in ihren Augen.
„Es ist meine Schuld. Ich ...ich hätte irgendetwas tun können, ihn retten können, ihm nochmal sagen, was er tun muss, einfach...irgendetwas hätte ich machen können. Und dann...wäre er noch unter uns. Und...der Junge aus elf auch. Ich habe ihn gebeten, uns zu helfen. Und dadurch ist er selbst gestorben. Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Es tut mir wirklich sehr leid." spricht Jinia und ich spüre, wie schuldig sie sich fühlt, für etwas, an dem sie garnicht schuld ist.
„Es..." beginnt Jumara, doch sie spricht nicht weiter.
„Es ist die Schuld von keinem von uns. Wir sind in einem Spiel, einem teuflischen Spiel, dem wir nur auf eine grausame Weise entkommen können. Wer hier je wieder raus will, muss den Preis dafür zahlen. Und der ist sehr hoch." sagt Nate mit fester Stimme.
Jinia seufzt und nickt.
Ihr Augen sind müde, traurig und irgendwie verdüstert.

Tribute von Panem | Flammendes MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt