Unter der Lupe - Portalmagie

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***Achtung - (mindestens milde) Spoiler! Ich habe mich bemüht, nicht zu viele Details aus Geschichten zu verraten.***

Portalmagie ist faszinierend. Sie transportiert uns in zauberhafte imaginäre Welten. Gemeinsam mit den Figuren überschreiten wir eine Schwelle – von dem, was uns vertrauten und lieb ist hin in Welten, deren Gesetze unbekannt sind und die furchteinflößend, neu und aufregend sind.

Oftmals sind es bestimmte Lebenssituationen und emotionale Verfassungen, die Protagonisten in Fantasyromanen dazu bringen, ihre Fühler in andere Welten auszustrecken. Manche sind einsam, andere langweilen sich, wieder andere suchen das Abenteuer und finden es auch – wenn auch nicht so, wie erwartet.

Vor ihnen und uns eröffnet sich eine Welt, die randvoll ist mit magischen, bunten Möglichkeiten. In ihnen besteht die Chance und sehr oft sogar die Notwendigkeit, jemand anders zu sein.

Die Frage „Wer bin ich eigentlich und wer könnte bzw. wer muss ich sein?" steht im Zentrum vieler Geschichten, in denen diese Form der Magie eine Rolle spielt. Nicht so wie bisher sein können und sich auszuprobieren zu müssen ist eine stille Maxime von Weltenwanderererzählungen. Viele Portalgeschichten werden als „Young Adult"-Romane vermarktet, eben weil es oft um Heranwachsende geht, die eine Welt verändern in dem sie sich verändern (lassen).

Nur wer Gewohntes zurück und Neues an sich heranlässt, nur wer sich mutig und neugierig aufmacht diese neuen Welten für sich zu entdecken, kehrt als ein neuer Mensch zurück.

Oder gar nicht.

Ein paar Abgrenzungen zu anderen Magiearten halte ich für nötig. In diesem Kapitel geht es nicht primär darum, wie genau Portale funktionieren (ein paar wunderbare Beispiele gebe ich trotzdem), sondern welche Rolle sie für die Entwicklung der Figuren und der Geschichte/den Plot spielen. Natürlich gibt es Portale/Ereignisse, die Reisen in die Zeit ermöglichen (z.B. „Outlander" von Diana Gabaldon), das halte ich jedoch für eine andere Art von Genre, in dem ich mich nicht auskenne.  Portale, die Reisezeiten verkürzen, sind nicht minder spannend, spielen aber in Fantasy-Geschichten selten eine substanzielle Rolle.

Bei den folgenden Darstellungen lasse ich mich von thematischen Engführungen leiten. Jeder Aspekt erhält eine eigene kleine Überschrift. Ihr werdet intuitiv verstehen, wie das gemeint ist.


Ich bin allein, meine Welt ist klein...

Verzeih mir die etwas platte Überschrift. Zahlreiche Protagonisten von Portalgeschichten verbindet eine Kindheit, die nicht einfach ist. Der Alltag ist geprägt von persönlichen Schicksalen oder bohrender Langeweile, die eigene Welt ist gefährlich, verunsichert und mutet fremd an.

Die Chroniken von Narnia (1950-56) etwa spielen zur Zeit des zweiten Weltkrieges. In Stephen Donaldsons Der Spiegel ihrer Träume (1986) vermisst Terisa Morgan das Gefühl, überhaupt zu existieren, obwohl sie objektiv alles haben kann. Sie empfindet ihren Alltag als lieblos und monoton. In Alan Garners düsterer Geschichte Elidor (1965) führen die Kinder David, Nicholas, Helen und Roland ein entbehrungsreiches Leben im durch die Industrie geprägten Manchester. In der teils drastischen Peter Pan-Erzählung Brom – Der Kinderdieb (2010) rettet Peter in New York Kinder, die Opfer von Gewalt oder Mißbrauch geworden sind und bringt sie auf magischem Wege nach Avalon. Lucien Holland, Protagonist der Stravaganza-Sage von Mary Hoffmann (2002) ist an Krebs erkrankt und hat seine Haare verloren. Theo aus Der Blumenkrieg von Tad Williams (2004) ist ein erfolgreicher Musiker, den zahlreiche Schicksalsschläge in die Isolation einer einsamen Berghütte treiben. Aza Rey aus Maria Dahvana Headlys Magonia (2016) leidet an chronischen Atembeschwerden und wird sterben. Vielleicht.

Die Farben der MagieWhere stories live. Discover now