Grundlagen: Was ist Magie eigentlich?

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Auf die Frage, was Magie eigentlich ist, gibt es keine definitive Antwort. Anthropologen versuchen seit dem Beginn des vorletzten Jahrhunderts zu beschreiben, was Magie ausmacht und wie sie von anderen Bereichen, die im weitesten Sinne mit übernatürlichen Kräften zu tun haben, abzugrenzen sein könnte.

Es gibt Überschneidungen und Verwandtschaften mit Lebensbereichen und Themen wie Religion, Mythologie und Esoterik. Immer aber geht es um den Umgang mit übernatürlichen Kräften, die mit Hilfe unterschiedlicher Praktiken beherrscht und hervorgerufen werden sollen.

Oft ist es schwer, die Arten der Ausübung von Magie (in der ersten/realen Welt - nicht in Romanen!) zu trennen von den Praktiken, wie sie z.B. in Religionen vorkommen. Claude Levi-Strauss ging davon aus, dass Magie ohne einen Funken Religion nicht denkbar sei.

Wissenschaftler wie Emile Durkheim sehen einen Graben zwischen beiden Lebensbereichen - Magie sei eher individualistisch und diene anderen Zwecken. Diese Sichtweise ist mittlerweile umstritten, ebenso wie die Annahme, Magie sei ein Anzeichen dafür, dass wir es mit einer Kultur niedriger (Entwicklungs)Stufe zu tun haben, wie das der Ethnologe Edward B. Tyler vor ca. hundert Jahren angenommen hatte. Beide vereint, dass es jeweils darum geht, das Richtige zu tun (moralisch/technisch) gesehen um einem Ziel näher zu kommen.

Für andere ist sie eine Art Technik, deren Ziele ähnlich derer moderner Wissenschaften ist. Es geht um die Kontrolle von Phänomenen der Natur und um die Schaffung von Sicherheit. Hier rückt Magie in die Nähe von Technik. Bereits vor mehr als vierhundert Jahren definierte der Philosoph Tommaso Campanella Magie wie folgt:

„Alles, was die Wissenschaftler in Nachahmung der Natur, oder, um ihr zu helfen, mit Hilfe einer unbekannten Kunst vollbringen, wird Magie genannt. Denn Technologie wird immer als Magie bezeichnet, bevor sie verstanden wird, und nach einer gewissen Zeit entwickelt sie sich zu einer normalen Wissenschaft."

(zitiert nach Wikipedia, Artikel „Magie")

Magie ist eine Kunst und der Technik tatsächlich sehr nahe. Wir werden in einem der nächsten Kapitel darauf zurückkommen.

Magie, wie sie heute und auch bereits vor hunderten Jahren real praktiziert wird, umfasst verschiedene Techniken und Praktiken wie z.B. Rituale, Zeremonien, Heilzauber, schamanistische Zauber, Astralmagie, Wahrsagen, Konzentrationsübungen und viele andere mehr. Sie allen dienen dazu, bestimmte Zustände anzunehmen oder verfolgen das Ziel, das eigene Innere zu erforschen und zu beherrschen. Die Realität soll sich der inneren Wahrheit beugen.

Viele Kulturen und kulturelle Gruppen nehmen diese magischen Praktiken ernst - Magie ist für sie kein Trick, sondern Ausdruck ihrer Weltsicht und Medium sozialer Handlungen. So gibt es etwa sympathetische Magie - also die Annahme, dass Dinge über Distanz miteinander in Beziehung treten können (das ist z.B. die Basisannahme für Formen der Homöopathie).

Für unseren Zweck mag es genügen, wenn wir davon ausgehen, dass es in Geschichten zwei Formen der Magie gibt. Eine eher passive (naturgegeben, quasi eine Backgroundmagie- Einhörner sind magisch, weil sie es ihrem Wesen nach einfach sind) und eine aktive (es gibt eine Quelle für die Magie und es besteht die Möglichkeit, diese für eigene Zwecke zu nutzen).

In Pratchetts Scheibenweltromanen treffen wir beide Aspekte an. Die Welt selbst wird durch eine Magie zusammengehalten, die einfach existiert und dafür sorgt, das alles ist wie es ist. Will ein/e Magier*in aktiv zaubern, so muss er /sie an die Magie glauben und auf ihre Funktion hinarbeiten.

Auch wenn beide Aspekte gemeinsam vorkommen können, so ist es doch meist die zweite Variante, die Fantasy-Autor*innen bevorzugt nutzen.

Sind Superkräfte Magie? Schwer zu sagen. Sind sie magisch, sind sie übernatürlich? Fest steht, dass es meist einzigartige Kräfte sind, die bestimmten Individuen klar umrissene Fähigkeiten verschaffen. Diese können jedoch prinzipiell nicht weitergegeben werden. Eine Magierin kann meist lehren, wie Sprüche funktionieren (gehen wir mal nicht davon aus, dass es nur eine Magierin auf der ganzen fiktiven Welt gibt). Ein Superheld folgt da eher natürlichen Gesetzen, auch wenn sie nicht auf natürlichem Wege erworben wurden.

Wir sehen, Magie gehört zu unserem Mensch-Sein dazu, selbst wenn wir nicht selbst wirklich daran glauben. Davon auszugehen, dass wir allein durch die Kraft des Willens (und manchmal unter Zuhilfenahme von Foki und dergleichen) Einfluss auf die Welt nehmen können ist faszinierend und verheißend zugleich.

Zu definieren, was Magie ist, ist vielleicht unmöglich. Versuchen möchte ich es trotzdem, auch wenn ich weiß, dass ich stets irgendwo hinter oder neben der "Wahrheit" liegen werde.

Also los:

"Magie ist das Aufzwingen des menschlichen Willens auf das physische Universum."

Ziemlich allgemein, was?

Ich bin überzeugt davon, dass eine Definition so allgemein sein muss, denn Magie ist weit mehr als Gandalf, Harry Potter oder Bibi Blocksberg. Sie ist unfassbar facettenreich und sie zu sehr zu verengen (zum Beispiel wenn man sagt, dass es vom Beobachter abhänge, was Magie ist, etwa wie Magie bedeutet, dass Figuren Dinge tun, die andere Figuren (oder der Leser) nicht verstehen oder Magie auf einen bestimmten Aspekt beschränkt wie Paolini das in Eragon getan hat; sinngemäß ist Magie (Gramarye) in seinen Büchern die angeborene Möglichkeit der Manipulation von Energie durch Gedanken) wird ihr nicht gerecht.

Letztlich läuft es aber darauf hinaus, dass Magie zu vielgestaltig ist, um sie in eine Schema zu pressen. Jede/r Autor*in definiert für sich, was Magie in der Geschichte bedeutet, was sie kann und wie sie funktioniert. Gerade das macht ihren Reiz aus und das Fantasy-Genre zu einem der abwechslungsreichsten. So ziemlich alles ist möglich, auch wenn nicht alles immer gut funktioniert. Das ist ein bisschen wie Gott/Göttin spielen, fiktional verstanden freilich und macht uns zu Magier*innen von Texten und Welten.

Magie ist individuell. Immer.

Im nächsten Kapitel wird es um Arten der Magie gehen. Ich werde versuchen, die wichtigsten Varianten in einer Liste zu erfassen, nebst Literaturbeispielen. Das wird aber etwas dauern.

Die Farben der MagieWhere stories live. Discover now