• 45 Das beste Gefühl im Leben •

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'Träume, was du träumen möchtest,
Gehe wohin du möchtest,
Und sei, wer du sein möchtest.
Denn du hast nur ein Leben und eine Chance die Dinge zu tun, die du möchtest.'

Müde drehte ich mich um, wieder und wieder, doch es half nichts. Ich war wach. Langsam aber gemächlich öffnete ich meine Augen und begutachtete das Zimmer. Im Licht sah es ganz anders aus, als in der Dunkelheit. Es war freundlich mit Liebe zum Detail. Vor dem Bett gab es einen kleinen Teppich, daneben meine Rentierhausschuhe, die unbedingt nicht fehlen durften!

Doch dann fiel mein Blick auf das restliche Bett. Es war leer. Keine Spur vom Chihuahua, wahrscheinlich nervte der Troll mal wieder andere, unschuldige Leute, die nichts für seine Inkompetenz konnten. Etwas kraftlos wuchtete ich mich aus dem großen Bett, schlappte ins Bad und putzte emotionslos meine Zähne. Heute hatte ich keine Lust auf die Perücke. Ich wollte ich selbst sein. Ich wollte draußen einen kalten Windstoß auf meinem Kopf spüren. Ich wollte mich im Gras wälzen und die einzelnen Grashalme auf meiner Kopfhaut spüren. Vollkommen von meiner Idee und der Freiheit begeistert schlüpfte ich in eine schwarze Röhrenjeans, zog ein Top mit einem Cadigan an und tigerte nach unten in die Küche.

Die Anderen waren bereits um den großen Esstisch versammelt, nur Liz und Samantha fehlten noch. "Ah unser Fräulein ist aufgewacht!", jubelte der Chihuahua freudig, kam auf mich zu und platzierte mit einem 'Guten Morgen Schatz' ein Kuss auf meine Stirn. Normalerweise sollte man vermuten, dass man lieber einen Kuss auf die Lippen bekam, doch ich liebte es einfach nur, wenn seine Babyweichen Lippen meine Stirn berührten. Es gab mir Sicherheit und ich fühlte mich jedes aufs Neue so geborgen, dass ich in einer unfassbaren Faszination verloren ging.

"Wo sind Liz und Sam?", fragte ich in die Runde, während ich mit einer Tasse in der Hand einen Stuhl neben Tom rauszog. "Die sind noch in ihren Zimmer. Wer weiß, über was sie noch alles geredet haben, bei euch Mädchen weiß man ja nie...", antwortete Tom leicht belustigt und stopfte genüsslich den Rest seines Käsebrötchens in den Mund. "Sagt der, der mir früher immer stundenlang erzählt hat, dass er ein besserer Jedi-Ritter wäre, als Luke!" , "Das ist unfair, da war ich zehn!" , "Zehn hin oder her, du hast es geliebt darüber zu reden!" , "Sagt die, die mir die ganze Geschichte aus den Barbiefilmen auswendig aufsagen konnte." , "Hey, das war eine Kindersünde, dass zählt nicht!" , "Genau wie mein Jedi-Ritter-Gelaber!" , "Hey ihr Beiden, entspannt euch. Emily, willst du was essen?", fragte Jimmy, sodass Tom mir mit Krümmeln im Mund den Brötchenkorb hinhielt, doch ich hatte keinen Appetit. Seit der Chemo waren meine Geschmacksknospen sozusagen zu etwas unvorstellbaren mutiert. Lieblingsessen, was ich früher in Tonnen in mich hineinschaufeln konnte, rührte ich nicht mehr an und Sachen, die ich mit einem 'Ihhh' verachtet hatte, waren auf einmal meine Beste Freunde. Eins war klar, irgendwas lief falsch bei mir und zwar gewaltig.

"Nur mal so. Ich wäre wirklich besser gewesen als Luke!", flüsterte Tom in mein Ohr, sodass ich mir ein lautes Auflachen verkneifen musste. Er grinste vor sich hin und schob sein drittes Brötchen in sich hinein. Ein Wunder, dass er nicht wie ein Ballon geplatzt war. Bei seinem Essenvermögen wäre ich schon locker durch die Gegend gerollt. "Und was will unsere Emily denn heute an ihrem letzten Tag machen, bevor sie 17 wird?", unterbrach Veronika die Stille, sodass sich wie auf Kommando alle Blicke auf mich richteten. Gute Frage, nächste Frage. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun wollte geschweige denn hier oben in den Bergen. Was konnte man hier tun, außer vielleicht wandern und die Natur bewundern?

"Eure Emily hat keinen Peil, was wir hier heute machen sollen und der 17 Geburtstag ist nichts besonderes, also macht euch nicht so viele Gedanken und vor allem keinen Stress!", antwortete ich in die Runde, sodass die Eule heldenhaft aufsprang und mit Wucht den rechten Zeigefinger in die Luft streckte. In dieser Pose sah er aus wie Superman, welcher auf zu vielen Drogen war. Ganz ehrlich, ich musste schnell seinen Dealer finden und ihn dazu bringen, dass er die Versorgung kappte. "Das dachte ich mir schon und ich habe ein bisschen mit meinem Onkel geplaudert. Ich habe die Idee für uns und ich kann euch schon einmal versprechen, dieser Tag wird absolut episch! Also lasst uns schnell fertig essen, die beiden Mädels wecken und dann geht es los zu der ultimativen Überraschung! Ich kann euch schon einmal so viel verraten: Es ist das beste Gefühl in eurem Leben!", verkündete die Junkie stolz, während er wie ein kleines Kind wild im Kreis herumlief und dabei mehrere Küchenutensilien zerstörte. Ich hoffte, sein Onkel hatte eine gute Versicherung. Nach uns würde aus diesem Haus bestimmt lediglich nur noch ein Schlachtfeld übrig bleiben. Doch was mich nicht losließ, war diese zwielichtige Überraschung beziehungsweise dieser angeblich perfekte Tag.

Das wahre Leben hat kein Happy EndWhere stories live. Discover now