#19 - best burger

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song für's chapter: 4AM - YONAS
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Immer wieder fiel mein Blick wie zufällig auf die große Uhr über der Tafel. Der Sekundenzeiger tickte, doch trotzdem kam es mir vor, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Die letzten Minuten konnte ich mich schon nicht mehr konzentrieren und wippte mit meinem Bein auf und ab während ich auf meinem Bleistift herum kaute. Die Aufgabe an der Tafel hatte ich nicht einmal gelesen, aber die machte sowieso niemand wie der Geräuschpegel der Klasse zeigte.

In ein paar Minuten würde es klingeln und dann würde ich mich mit Felix zum Mittagessen treffen. Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wo wir hingehen würden. Schließlich wäre es nicht so toll, wenn man uns zusammen öffentlich sehen würde.

Als die Schulklingel die Stunde endlich für beendet erklärte, packte ich meine Sachen so schnell wie noch nie zusammen und war als eine der Ersten aus der Tür. Auf dem Weg zu Felix' Klassenraum legte ich noch einen kurzen Zwischenstopp auf der Mädchentoilette ein. Beim Blick in den Spiegel stellte ich fest, wie aufgeregt ich wirkte und spritzte mir zur Beruhigung etwas Wasser ins Gesicht. Wenn das mal was bringen würde...

Um kurz nach eins umrundete ich die letzte Ecke und erkannte Felix, der vor der Tür seines Klassenzimmers wartete. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht, als ich ihm näher kam. Dann schaute er auf und schenkte mir ebenfalls ein Lächeln.

"Sorry, dass ich zu spät bin", entschuldigte ich mich, sobald ich vor ihm stand. Um uns herum war nicht viel los, die meisten Schüler hatten nun Schluss oder waren schon losgezogen um sich Essen zu holen.

"Das bin ich inzwischen ja gewohnt", lachte Felix und hob seine Tasche vom Boden auf.

"Ja, Unpünktlichkeit scheint langsam Teil meines Charakters zu werden", stellte ich fest, während wir in Richtung Ausgang losliefen.

"Das war nicht immer so? Dann besteht vielleicht Chance auf Heilung." Felix zog eine Augenbraue hoch, während er mich von der Seite angrinste.

"Sehr witzig. Nein, eigentlich war ich immer ein recht pünktlicher Mensch", rechtfertigte ich mich.

"Das habe ich vermisst", meinte Felix leise. Verwirrt schaute ich zu ihm hin, aber er schien nicht mit mir gesprochen zu haben, also tat ich einfach so, als hätte ich das nicht gehört. Ich verstand sowieso nicht, was er damit gemeint hatte.

Wir verließen das Schulgebäude, liefen über den Parkplatz und stiegen in Felix' Auto ein - natürlich hielt er mir wie ein wahrer Gentleman wieder alle Türen offen, was ich mit einem kleinen "Danke" quittierte.

"Wo geht's denn eigentlich hin?", fragte ich, als wir vom Parkplatz des Schulgeländes herunterfuhren.

"Ich hoffe, du bist kein Vegetarier", er betrachtete mich von der Seite und ich schüttelte schnell meinen Kopf, "gut, denn wir gehen jetzt den besten Burger der Welt essen."

"Klingt gut!", grinste ich und spürte erneut Anspannung in mir aufsteigen. Mir wurde jetzt erst bewusst, wie nah ich neben Felix saß und wie klein das Auto doch war. Wenn er schaltete, war seine Hand nur Zentimeter von meinen Oberschenkeln entfernt und jedes Mal starrte ich wie gebannt auf seinen langen Finger.

"Erzähl mir etwas über dich", fing Felix ein Gespräch an. Es verwunderte mich, dass er nicht so ein Standart-Small-Talk-Gespräch aufbaute, deswegen schaute ich ihn für einen Moment einfach nur von der Seite an.

Felix bemerkte meinen Blick und fügte mit einem kleinen Lächeln hinzu: "Du musst auch nicht. Aber du kannst mir vertrauen, ich erzähle nichts weiter."

Ich ließ meinen Blick in meinen Schoß sinken, wo ich mit meinen Fingern spielte. Wie viel wollte ich ihm erzählen? Er hatte Recht, ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Aber wie viel konnte ich überhaupt erzählen?

"Also... Ich habe einen großen Bruder, Aaron. Wir verstehen uns gut", begann ich und ein Lächeln tauchte auf meinem Gesicht auf, "wir wohnen zusammen, wahrscheinlich nicht die beste Idee, da es bei uns drunter und drüber geht, aber wir kommen gut miteinander klar."

Ich warf Felix neben mir einen kurzen Blick zu, um seine Reaktion zu beobachten. Er wirkte interessiert und seine Lippen umspielte immer noch dieses kleine Lächeln, das ihn wie einen kleinen Jungen aussehen ließ.

"Aaron und ich hatten... Sagen wir mal wir hatten nicht die einfachste Kindheit. Deswegen sind wir auch umgezogen sobald ich 18 geworden bin. Aber hier geht es uns besser und alles ist gut." Ich hatte noch nicht mit vielen über dieses Thema gesprochen, nicht einmal Jonas hatte davon gewusst. Aber ich spürte, dass es bei Felix anders war. Ihm konnte ich vertrauen. Nur trotzdem fiel es mir nach all den Jahren immer noch schwer, darüber zu reden.

"Das tut mir leid, Dreylis. Wenn du darüber reden möchtest, bin ich für dich da. Immer."

Mit einem Nicken bedankte ich mich und nahm gleichzeitig zur Kenntnis, was er gesagt hatte. Trotzdem wollte ich ihm das noch nicht jetzt mitteilen, aber das schien er zu verstehen.

Inzwischen waren wir bei einem mir unbekannten Imbiss - aber was kannte ich in Köln schon? - angelangt, der etwas außerhalb der Stadt lag und Felix parkte auf einem der Besucherparkplätze, von denen fast alle noch frei waren. Anscheinend war diese Gastronomie nicht so beliebt, was mich am "besten Burger der Welt" ziemlich zweifeln ließ.

"Glaub mir, es sieht zwar nicht so aus, aber das Essen ist göttlich", versicherte Felix noch einmal, bevor wir ausstiegen.

"Ich lasse mich einfach mal überraschen."

"Gute Einstellung", lobte Felix und wir gingen zusammen zum Eingang. Dabei berührten sich ab und zu unsere Arme, weil wir ziemlich nah nebeneinander hergingen. Aber das störte mich nicht. Im Gegenteil, mein rechter Arm kribbelte bei jeder unserer Berührungen.

Der leere Parkplatz bestätigte sich, da auch drinnen nichts los war. Zwei alte Männer saßen an der Theke und gönnten sich am frühen Nachmittag ein Bierchen. Leben als Rentner musste unglaublich entspannt sein.

Ich folgte Felix quer durch den Laden und ließ mich gegenüber von ihm an einem Tisch in der Nähe eines kleinen Aquariums nieder, welches unseren Tisch etwas verdeckte, sodass wir ungestört waren. Das Aquarium war aber auch das einzig Neue an diesem Ort, denn das Holz sowohl der Wände als auch der Tische und Stühle schien aus dem letzten Jahrhundert zu kommen.

Aber das störte mich einige Momente später recht wenig, denn die Karte las sich wie das Paradies. Da fiel es schwer, sich zu entscheiden, aber Felix half mir und als wenig später unser Essen eintraf, konnte ich seinen Worten von vorhin nur Recht geben. Bester Burger der Welt.

"Ich hatte Recht, oder?", grinste Felix mich über den Tisch hinweg an. Wir hatten beim Essen nicht viel geredet, aber es war keine peinliche oder unangenehme Stille gewesen, sondern einfach eine passende, die wir beide irgendwie genossen.

"Du willst doch nur hören, dass du Recht hattest", lachte ich und verschränkte gespielt meine Arme.

"Nein, ich habe eh immer Recht, ich bin dein Lehrer", konterte er.

"Aber nicht hier", widersprach ich, während ich mit einer ausladenden Armbewegung den Raum mit einbezog.

"Nein", meinte er nach einer kurzen Pause nachdenklich, "hier fühle ich mich auch nicht wie dein Lehrer."

"Ist das jetzt gut oder schlecht?", fragte ich und blickte auf meinen Teller hinunter.

"Das versuche ich gerade herauszufinden", meinte er schlicht und als sich unsere Blicke trafen, ließ mich die Intensität, mit der er mich betrachtete, erröten.

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A/N: ich habe mal eine frage an euch, weil mich das wirklich mal interessiert: wie seid ihr auf diese geschichte gekommen?

und wenn ihr verbesserungsvorschläge oder kritik - bitte konstruktiv! - habt, immer her damit! :)

teach me. | dnerWhere stories live. Discover now