#16 - tears

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song für's chapter: UNMISSABLE FEAT. ZAK ABEL - GORGON CITY
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Nur einmal kurz war ich stehen geblieben, um meine Maske abzunehmen und meine hohen Schuhe auszuziehen, die ich nun in meiner linken Hand hielt. In meiner rechten lag mein Smartphone, mit dem ich vergeblich versuchte meinen Standort zu bestimmen.

Keine Frage, es war dumm gewesen, einfach in irgendeine Richtung loszulaufen ohne die Umgebung um mich herum wahrzunehmen. Aber ich hatte keinen klaren Gedanken fassen können und meine nicht enden wollenden Tränen verschleierten meine Sicht.

Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass mein Freund mich betrogen hatte. Es war doch alles so perfekt zwischen uns gewesen. Was war nur passiert?

Die App stürzte erneut ab und zeigte mir an, dass keine Internetverbindung vorhanden war. Fuck! Wie kam ich jetzt nun nach Hause - mitten in der Nacht, wenn ich nicht mal wusste, wo ich war?

Frustriert blickte ich mich in der Wohnsiedlung um und versuchte verzweifelt herauszufinden, wo ich mich befand. Doch nichts kam mir bekannt vor, vor allem nicht im Dunkeln. Ein paar Meter weiter begann eine hohe Mauer, auf die ich mich erst einmal fallen ließ. Meine Füße taten weh und ich wollte keinen Schritt mehr tun.

Um mich herum war es still, ich war inzwischen so weit gelaufen, dass ich nichts mehr von der Party mitbekam. Doch gerade in dieser Stille wurde mir meine Situation noch einmal deutlich und ich ließ mein Gesicht in meine Hände fallen. Meine Schminke war sowieso schon verschmiert.

Wäre ich mal noch etwas auf der Party geblieben, von dort hätte mich bestimmt jemand nach Hause gebracht. Schließlich waren die Gäste auch irgendwie dort hin gekommen. Und ich war so dumm gewesen und hatte mich von Jonas mitnehmen lassen...

Nein. So konnte dieser Abend nicht enden. Schnell wischte ich mir meine tränennassen Wangen ab und holte mein Handy erneut hervor. Ich scrollte durch meine Kontakte und blieb direkt am Anfang bei meinem Bruder hängen. Eigentlich war er heute Abend ebenfalls auf einer Party, aber vielleicht schaffte er es, mich trotzdem abzuholen.

"Dreylis? Was geeeeht?!" Aaron zog die Wörter ungewöhnlich lang und wirkte ziemlich betrunken. Na super.

"Hast du getrunken?"

"Neeeeein." In diesem Tonfall, der irgendwo zwischen nicht wissend ironisch und todernst einzuordnen war, konnten das nur Betrunkene sagen.

"Super, danke, allerliebster Bruder", meinte ich enttäuscht und stand auf, um meinen Weg, der hoffentlich irgendwann mal bei mir zu Hause endete, fortzusetzen.

"Ich habe dich auch lieb, Drey!" Leise schniefte ich auf und lächelte. Egal wie betrunken er war, das konnte er noch sagen. Typisch.

"Viel Spaß noch!", wünschte ich ihm und wollte auflegen, als seine Stimme erneut ertönte.

"Drey, warte mal! Ist denn alles okay bei dir?" Oh, da war er also - mein viel zu besorgter Bruder.

"Klar, alles super", versuchte ich es. Ich selbst würde mir das nicht mal abkaufen. Mein Bruder eigentlich auch nicht, aber im Moment war er nicht mehr ganz zurechnungsfähig.

"Okay, dann sehen wir uns morgen. Schlaf bitte in deinem eigenen Bett! Sonst kriegt Jonas morgen ein' auf die Fresse!" Sein schallendes Lachen war das letzte, was ich von ihm hörte, bevor er auflegte und ich alleine zurückblieb.

Kurz musste ich bitter auflachen, bei dem Gedanken, in Jonas' Bett aufzuwachen. Nicht mal im nächsten Leben.

Aber mein eigentliches Problem war nun immer noch nicht gelöst. Mit einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass ich immer noch kein Internet hatte und dass es inzwischen fast halb drei war. Geil, vielleicht schaffte ich es ja, morgen pünktlich zum Frühstück zu Hause anzukommen. Warum war Köln auch so verdammt groß?

teach me. | dnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt