22. Kapitel

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Ich blieb dicht hinter Tamina. Meine Anspannung und Vorfreude waren deutlich zu spüren. Meine Weste war ungewohnt schwer und ich versuchte, mit meinem Phaser auf das gegnerische Team zu zielen. Ich zielte und verfehlte den roten Punkt der Weste meines Gegners. Keinen Augenblick später war er schon verschwunden. Ich lief also schnell mit meinem Team weiter. Das war das erste Mal, dass ich Lasertag spielte. Und das merkte man. Ich war echt nicht gut. Auch wenn das Spiel erst drei Minuten ging. Ich vernahm ein Geräusch und meine Weste hörte für wenige Sekunden auf zu leuchten. Mist, ich wurde getroffen. Ich biss mir auf die Lippe. Ich musste mich jetzt besser konzentrieren. Ich sah die Zwillinge um die Ecke biegen. Die Arena wurde immer wieder von Lichtstrahlen durchflutet. Da, ein Loch in einer Wand. In Dreiecksform. Ich rannte dort hin und schaute durch. Hier hatte man einen extrem guten Überblick. Ich war am höchsten Punkt und sah, wie die vielen Menschen durch die Gänge schlichen und hin und her schossen. Ich glaubte sogar, Katha zu erkennen. Ich versuchte, genauer hinzuschauen. Sie war es wirklich. Und sie war eindeutig besser als ich. Sie traf einen roten Mann und wenige Sekunden später eine rote Frau. Beim nächsten Mal traf sie daneben. Und wieder. Okay, ich war wohl doch nicht so viel schlechter als sie, auch wenn ich noch niemanden getroffen hatte.

Wenn ich aber dazu beitragen wollte, dass mein Team gewann, musste ich mich endlich mal ranhalten. Ich hielt meinen Phaser in die Dreieckslücke. Ich suchte nach einem leichten Ziel. Da war eine ganze Gruppe roter Leute. Ich schoss mit meiner Waffe los. Mindestens zehn Mal in nur wenigen Sekunden, bis ich endlich einen Mann traf, der sich schnell aus dem Staub machte.

Ich hörte schnelle Schritte hinter mir. Ich drehte mich um. Verdammt, da kamen einige Rote. Ich nahm meinen Phaser aus der Lücke und lief schnell weg. Ich rannte durch die Gänge. Es war fast wie in einem Labyrinth.

Da! Ich sah Katha zusammen mit Tamina und Celina. Sie schossen auf ein paar rote Leute. Ich gesellte mich zu ihnen und half mit. Zufrieden ließ ich meinen Phaser sinken, nachdem ich jemanden getroffen hatte.

»Gut gemacht!«, rief mir Tamina außer Atem zu. Ich murmelte ein »Danke« zurück und machte weiter. So langsam machte es richtig viel Spaß. Für den Rest des Spiels blieb ich in der Nähe der Zwillinge und Katha. Wir waren ein gutes Team. Immer wieder stießen weitere Teammitglieder zu uns und gingen wieder.

Nach eineinhalb Stunden Lasertag gingen wir wieder aus dem abgedunkelten Raum. Die plötzliche Helligkeit ließ mich meine Augen zukneifen. Von einem Mitarbeiter wurden wir zu dem Bildschirm geführt, von dem der Punktestand verkündet wurde. Das rote Team hatte gewonnen. Wir hatten verloren. Jubelschreie kamen von den Roten. Wir Grünen murmelten irgendwas. Aus unserem Team hatte irgendeine Frau gewonnen, die ich nicht kannte. Sie wurde gelobt. Aufgrund ihres eher korpulenten Körperbaus hatte ich sie nicht so gut in diesem Spiel eingeschätzt, aber so konnte man sich wohl täuschen. Tatsächlich hatte sie die meisten Treffer gehabt.

Die Zwillinge, Katha und ich gingen zur Getränkeausgabe und holten uns je ein Slush-Eis, da uns vom Lasertag ziemlich heiß geworden war. Ich hatte mich für Schwarze Johannisbeere entschieden.

Mit unseren Getränken gingen wir nach draußen. Die kühle Luft auf meiner Haut tat gut. Trotzdem dachte ich nun an das, was ich während des Lasertags vollkommen vergessen hatte: Cara. Sofort legte sich eine dunkle Wolke über mich. Den anderen schien das aber zum Glück nicht aufzufallen. Die drei unterhielten sich aufgeregt darüber, wie es ihnen gefallen hatte. Sie registrierten nicht, dass ich mich nicht an dem Gespräch beteiligte.

Wir liefen einige Meter entlang des Flusses in der Stadt, bis es plötzlich in meiner Hosentasche vibrierte. Ohne groß darüber nachzudenken, nahm ich mein Handy und schaute nach, wer mich anrief. Verwirrt blickte ich auf den Namen, der mir angezeigt wurde: Helga. Caras Oma. Normalerweise rief sie mich nie an. Meine drei Freunde rückten in den Hintergrund, genauso wie das Stimmengewirr auf dem Weg. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus. Irgendwas war hier komisch. Ich drückte auf den grünen Knopf.

»Hallo? Malena hier«, sagte ich auch gleich, nachdem ich mein Handy ans Ohr gehalten hatte.

»Cara hat dir noch nicht Bescheid gesagt? Nein, hat sie nicht«, drang Helgas panische Stimme zu mir durch. Mein mulmiges Gefühl bestätigte sich. »Es geht um Nala. Es geht ihr wieder schlechter. Der Tierarzt ist gerade bei uns. Es sieht schlecht aus. Ich hoffe, ich störe dich gerade nicht. Aber wenn du dich von Nala verabschieden willst, solltest du jetzt kommen.« Helgas Stimme wurde zum Ende hin immer zittriger. Ich hörte, wie sie mit den Tränen kämpfte. Ihre Stimme war dünn.

»Ich bin so schnell wie möglich da. Wie lange hat Nala denn ungefähr noch Zeit?«, fragte ich mit fester Stimme. Sowohl Katha als auch die Zwillinge sahen mich besorgt an.

»Höchstens noch zwei Stunden. Dann will der Tierarzt sie einschläfern, wenn sie nicht so von uns geht.«

»Okay«, erwiderte ich nur und legte dann auf.

»Was ist los?«, fragte Tamina auch gleich.

»Einem Hund, der zwar nicht mir gehört, der mir aber wichtig geworden ist, geht es ziemlich schlecht«, erklärte ich. »Er wird heute von uns gehen«, fügte ich leise hinzu und musste nun auch mit den Tränen kämpfen. Die Zwillinge umarmten mich.

»Geh zu ihm, wir kommen hier auch zu dritt klar. Der Hund ist wichtiger. Oder sollen wir mitkommen?«, fragte Tamina. Ich schüttelte den Kopf und löste mich aus der Umarmung.

»Ihr bleibt hier und macht euch noch einen schönen restlichen Tag. Ihr braucht hier keine Trauerstimmung verbreiten, nur weil ich bei Nala bin und ihr Rücksicht auf mich nehmen wollt. Mir macht es nichts aus, wenn ihr jetzt noch Spaß habt. Ganz im Gegenteil, ich will sogar genau das.«

Ich verabschiedete mich von den dreien und ging zum Bahnhof. Der Zug zu Cara kam zehn Minuten später. Die Zeit in der Bahn zog sich wie ein riesiger Kaugummi. Angespannt saß ich die ganze Zeit an meinem Platz. Ich konnte nicht aufhören, über Nala und Cara nachzudenken. Cara ging es gerade sicherlich ziemlich schlecht. Mich plagte das schlechte Gewissen, dass ich nach unserer Auseinandersetzung nun zu ihr kam, während diesem schrecklichen Moment. War es wirklich das Richtige, wenn ich jetzt kam? Cara wollte keinen Kontakt mehr zu mir. Ich sollte das akzeptieren. Aber andererseits sind mir Nala, und auch Helga, ans Herz gewachsen. Ich schüttelte meinen Kopf, um die Gedanken loszuwerden. Mit wenig Erfolg. Bis hin zu Helgas Haus plagte mich das schlechte Gewissen, das erst von mir abfiel, als ich sah, wie mich Helga ansah, nachdem sie mich erkannt hatte.

»Gott sei Dank bist du da! Komm rein«, begrüßte sie mich. Sie sah ziemlich fertig aus. Ihre faltige Wange schimmerte nass.

Wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer. Nala lag auf einer Decke. Cara schmiegte sich an sie. Der Tierarzt stand daneben. Ich schluckte. Nala bewegte sich kaum. Langsam trat ich näher und ließ mich schließlich vorsichtig neben ihr nieder. Cara sah mich erschrocken an, kommentierte meine Anwesenheit aber nicht weiter.

»Durch die Altersschwäche hat sie mit der Krankheit doch stärker zu kämpfen gehabt, als wir vermutet haben«, bemerkte der Tierarzt und Cara schluchzte auf. Ich wollte sie trösten. Es tat mir im Herzen weh, wie mitgenommen sie aussah. Ich verkniff mir das allerdings. Stattdessen beugte ich mich zu Nala. Sie schlief. Ich streichelte ihr leicht durchs Fell. Sie war kälter als sonst.

»Im Schlaf zu sterben ist die angenehmste Weise für sie. Sie hat Glück«, kommentierte der Tierarzt weiter. Ich nickte nur und versuchte eine Träne zurückzuhalten.

Eine Stunde saß ich neben Cara bei Nala. Helga war immer in unserer Nähe. Als ich den Herzschlag nicht mehr spürte, bekam ich zuerst Panik. Dann realisierten Cara und ich gleichzeitig die Situation. Cara schluchzte laut auf und begann zu zittern. Auch meine Tränen begannen zu fließen. Ich verdrängte die letzten Tage und nahm Cara fest in den Arm. Sie wehrte sich nicht. Zitternd verstärkte sie den Griff und drückte sich näher an mich. Ich spürte, wie ich ihr Halt gab. Cara gab auch mir Halt. Wir verbrachten einige Minuten aneinander geklammert. Nur unser Schluchzen durchbrach das Schweigen. Was um uns herum passierte, nahmen wir kaum noch wahr. Es war, als wären die letzten Tage nicht passiert. Wir trauerten beide um Nala und teilten unseren Schmerz. 

Mehr als nur eine Freundin | Band 2Where stories live. Discover now