amnesia. ( Julian Brandt x Kai Havertz)

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Manchmal wünschte ich mir mein Leben wäre anders verlaufen. Ich wünschte mir, dass ich niemals angefangen hätte Fußball zu spielen, dass niemals jemand auf mich aufmerksam geworden wäre, dass ich nie die Chance gehabt hätte für einen großen Club zu spielen. Und vor allem wünschte ich mir, dass ich dadurch nie die Liebe meines Lebens kennengelernt hätte. Es hört sich irre an, denn ja, du bist immer noch meine große Liebe. Nur ich bin es nicht mehr für dich. Ich hasse dich dafür, obwohl ich genau weiß dass du nichts dafür kannst. 

Ich hasse mich selbst dafür dass ich an diesem Abend so schnell gefahren bin. Dabei wollte ich doch nur, dass wir noch einen langen gemeinsamen Abend genießen können. Langsam greife ich nach deiner Hand. Sie ist kalt, fühlt sich nicht vertraut an und ist obendrein noch mit tausenden Kabeln und Schläuchen verstopselt. Ich hasse mich dafür was ich dir angetan habe, und du kannst es nicht mal mehr erahnen.


-Flashback vor zwei Monaten-

"Ich freu mich so, dass wir mal wieder nen Abend zu zweit hatten." lächelnd greife ich über die Mittelkonsole nach Kais Hand. Seit er nicht mehr in Deutschland spielt und wohnt sehen wir uns sowieso nur selten, und zu oft sind noch Kollegen und Freunde dabei, was ein Ungestört-Sein manchmal unmöglich macht. "Ich freu mich auch, danke für das schöne Essen, Ju." Er lächelt mich an und ich kann nicht anders als ihn wie ein verliebter Teenager anzustarren. "Pass auf, nicht dass wir noch im Graben landen." lacht er und ich richte meinen Blick wieder auf die Straße. 

Es ist bereits dunkel und die Straße ist schneeverweht, den ganzen Tag hat es heute schon geschneit. Eigentlich könnte es keine romantischere Stimmung geben als heute. "Und was haben wir jetzt dann noch vor?" fragt der Brünette nun in die angenehme Stille hinein. "Also mir fallen da schon ein paar Sachen ein, Mister." grinse ich und lege eine Hand auf seinem Oberschenkel ab. "Sehe ich da etwa ein versautes Grinsen?" spielerisch zwickt Kai mir in die Seite und ich zucke lachend zusammen. "Hör auf damit, als ob du komplett unschuldige Gedanken hättest." wieder zucke ich zusammen, als er mich piekst. "Hör auf sonst landen wir wirklich noch im Graben." widerwillig hört mein Freund auf mich zu nerven und ich drehe das Radio etwas lauter. Spotify spielt gerade meinen Lieblingssong und ich trommle den Takt auf Kais Oberschenkel mit. "An deinem Musikgeschmack müssen wir echt noch richtig arbeiten." lacht er amüsiert und greift nach meinem Handy, um den Song zu wechseln. "Hör bloß auf, ich warne dich, nicht meine Musik." ich werfe ihm einen drohenden Blick zu, doch er macht gar keine Anstalten es zu unterlassen, irgendwelche Müll-Playlists herzusuchen. "Kai!" rufe ich aus und greife nach meinem Handy, welches er lachend von mir wegzieht. "Du bist so ein Spielverderber." 

"Und du hast nen scheußlichen Musikgeschmack, jetzt gib schon her." lachend greife ich wieder danach, doch ich reiße mit der linken Hand zu fest am Lenkrad, sodass der Wagen auf der schneebedeckten Straße ins Schleudern gerät. Reflexartig greife ich mit der anderen Hand ins Lenkrad und versuche den Wagen in die Gerade zu lenken, doch es gelingt mir nicht. Kai starrt mich ängstlich an. "Julian!" schreit er nur. Wir schlittern quer über die Straße, die Bremsen brechen aus und so rasen wir die Böschung hinab, überschlagen und einige Male und bleiben dann auf dem Dach liegen. 


Es dauert bestimmt einige Minuten bis ich wieder zu mir komme. Ich schmecke Blut auf meiner Lippe und an meinem Hinterkopf läuft Blut hinab.Mein Kopf ist gegen sämtliche Armaturen geflogen und meine Beine haben sich auch grausam verdreht. Meine Hände sind zerschnitten von den Glassplittern der Scheibe. Mit pochendem Kopf und einem Dröhnen in den Ohren, versuche ich die Situation auszumachen, fasse mit der Hand nach Kai. Doch der Beifahrersitz ist leer. "Kai?" rufe ich verzweifelt. "Kai!" ich versuche zu erkennen ob er in der Nähe des Wagens ist, vielleicht hat er sich selbst befreien können. Doch ich bekomme keine Antwort. Hektisch versuche ich aus dem verbeulten Auto zu kommen, doch meine Beine sind zwischen dem Sitz und den Pedalen eingeklemmt. Jede Bewegung jagt unglaubliche Schmerzen durch meinen Körper, doch ich muss sofort zu Kai. Es muss ihm gutgehen! Ich werde immer erschöpfter, meine Schreie nach Kai werden immer leiser, ich kann mich nicht befreien. Die Kälte setzt mir enorm zu und irgendwann verlassen auch mich meine Kräfte. Vor meinen Augen wird alles schwarz, doch ich habe nur noch eins vor mir: Kais ängstliches Gesicht.

Als ich meine Augen öffne, werde ich von hellem Licht geblendet. Vielleicht bin ich schon tot und jetzt im Himmel? Mein Kopf dröhnt immer noch ununterbrochen und ich spüre kaum ein Gefühl in meinen Beinen. "Herr Brandt?" eine männliche Stimme klingt dumpf an meinem Ohr. Ich lebe also noch. Ich versuche zu sprechen, doch die Anstrengung ist zu groß. Ich schaue in die Richtung der Stimme und sehe einen Arzt mit weißem Kittel vor mir, neben ihm ein paar Krankenschwestern. "Herr Brandt, Sie sind wach!" ich brumme nur etwas unverständliches vor mich hin. "Kommen Sie erstmal zu sich, ich komme später nochmal bei Ihnen vorbei." Ich nicke nur und er weist die Schwestern an mir ein paar Medikamente gegen die Schmerzen zu geben. Während ich versuche mich zu erinnern was passiert ist, kommen meine ganzen Erinnerungen wieder hoch. Schnee, Unfall, Kai. Kai! Ich schrecke sofort hoch und werfe dabei die Medikamentenflasche um, die klirrend auf dem Boden zerschellt. "Kai! Wo ist Kai?" rufe ich apathisch und sehe panisch zwischen den Schwestern hin und her. "Herr Brandt, beruhigen Sie sich, Sie müssen sich unbedingt ausruhen, Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung!" versucht sie mich zu beruhigen, doch ich schüttle energisch den Kopf. "Nein! Ich muss zu ihm, wo ist er?" schreie ich und versuche mich von den beiden loszumachen. Ich stehe völlig neben mir, alles an was ich denken kann ist Kai.

Nachdem ich von der Beruhigungsspritze wach geworden bin, die mir die Schwester verabreicht hat, kommt der Arzt von vorher wieder an mein Bett. "Wissen Sie was mit Kai ist?" frage ich ihn dann, aber einen ganzen Takt ruhiger als vorhin. "Herr Brandt ich habe gute und schlechte Neuigkeiten für Sie. Ihr Freund hat überlebt, er hatte einen riesigen Schutzengel bei sich. Bei dem Aufprall wurde er mehrere Meter weit aus dem Auto geschleudert und kam auf einer Gruppe von Felsen auf." "Und die schlechte Nachricht?" Ich sehe ihn an, und mir wird schlecht. "Er leidet an einer hochgradigen Amnesie, er kann sich im Moment an nichts erinnern." "Was bedeutet an nichts?" "An nichts, das weniger als etwa 6-7 Jahre her ist." Es trifft mich wie ein Schlag. "Das heißt ich- er- wir-" Ich kann es gar nicht aussprechen, so sehr zieht es mein Herz zusammen. "Das heißt er kann sich nicht an seine Karriere und-" er macht eine kurze Pause. "Und nicht an Sie erinnern." Ich schlucke schwer und sehe den Arzt an. "Aber das vergeht doch wieder, oder?" ein Funke Hoffnung macht sich in mir breit. "Leider können wir das noch nicht abschätzen. Er hat sehr schwere Kopfverletzungen und man muss abwarten ob und wann sich die Gehirnregionen davon wieder erholen. Es tut mir leid, ich hätte gerne besser Nachrichten für Sie." Das letzte klingt nur dumpf an meinem Ohr. Ich kann mir gar nicht ausmalen, was das bedeutet. Die Liebe meines Lebens, sie erinnert sich nicht mehr an mich, ich bin fremd für ihn. Stumme Tränen laufen über meine Wangen. Das ist alles nur meine verdammte Schuld.

-Flashback Ende-

Ich blicke zu dir hoch. In dein wunderschönes aber blasses Gesicht. Schmerzlich denke ich daran zurück, als ich vor dir gestanden bin und du mich angeschaut hast wie einen Fremden. Das alles hast dir Angst gemacht, ich habe dir Angst gemacht. Und es zerreißt mir jedes Mal das Herz, wenn ich in deine leeren Augen schaue.Im Grunde bin ich das auch für dich, ein fremder Mensch, für den du keinerlei Gefühle hast, keine Liebe verspürst. Es tut mir so weh, dich anzusehen, jedes Mal zu wissen, dass das alles meine Schuld ist, weil ich nicht aufgepasst habe und dich nicht sicher nach Hause gebracht habe. Ich sollte an deiner Stelle sein, mit schweren Verletzungen und dem was du durchmachen musst. Vielleicht kannst du nie wieder Fußball spielen, weil deine Nerven viel zu geschädigt sind. Du erinnerst dich nicht mehr an deine Karriere und das was du erreicht hast, aber ich weiß dass du tief im Inneren dafür kämpfen wirst. Nur wirst du nicht für uns kämpfen, vielleicht verliebst du dich bald in jemand anderen.

Schluchzend sitze ich an diesem Abend wieder an deinem Bett als du schläfst. Du musst dich nach deinen anstrengend Therapien ausruhen. Jeden Tag komme ich hierher, obwohl du mich nichtmal beachtest, wieso solltest du auch. Ich schaue dir zu, wie du langsam Fortschritte machst, lernst zu gehen, zu Essen, wieder zu sprechen. Ich habe dich runiniert und ich werde keinen Tag damit fertig, was ich dir angetan habe. Ich halte deine Hand und versuche mein Schluchzen zu unterdrücken.Eigentlich dürfte ich das hier gar nicht, denn wenn du Fremde siehst, verfällst du sofort in Panik. Ich merke, dass sich deine Hand etwas bewegt, ich schaue zu dir hoch und lasse sofort deine Hand los. Ich stehe vom Stuhl auf und gehe ein paar Schritte zurück. Deine Augenlider flattern ein bisschen, wieder versuche ich aufsteigende Tränen zu unterdrücken, ich halte es nicht aus dich so zu sehen. Schließlich schlägst du die Augen auf, dein Mund öffnet sich ein bisschen.

"Julian?"

to be continued..



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Aaah ich habe das Schreiben so vermisst! Ich hoffe das erste Stück nach drei (!) Jahren gefällt euch!

xx

Oneshots - BundesligaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora