Die eigene Herde - Kapitel 37

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Als Felipe endlich abgelöst wurde, konnte er nicht einschlafen. Ganz in seiner Nähe lag Don Carlos und Felipe lauschte seinen Atemgeräuschen. Er freute sich auf den kommenden Tag. Als die Sonne aufging, lag er immer noch in seine Decke gerollt und war noch immer nicht eingeschlafen. Don Carlos wollte ihn wecken und half ihm mit einem kleinen Fußtritt auf die Beine. Felipe musste sich ein Grinsen verkneifen. Dies war ganz gewiss der letzte Tritt, den er von Don Carlos einstecken musste. Er sprang auf, rollte seine Decke zusammen und schaute nach seinem Pferd. 

Am Feuer ließ er sich einen Teller voll Bohnen von dem neuen Koch geben und überlegte, ob er seinen verbeulten Zinnteller heute Abend mitnehmen sollte. Den Teller brauchte er sicher nicht mehr, er würde ganz bestimmt nie wieder Bohnen essen. Aber die Axt, die auf dem Muli festgebunden war? Warum sollte er nicht gleich das ganze Muli mitnehmen? Es hatte große Kisten mit Werkzeugen, Messern, Beilen, einen Ersatz Kochkessel und Decken geladen. In Gedanken stellte er das Muli schon zu den erstklassigen Pferden, die er heute Abend aussuchen wollte.

Luis übernahm die Spitze der Herde und folgte der Armee. Die Vaqueros trieben die Pferde vorwärts und Felipe ritt am Ende. Don Carlos wunderte sich gegen Mittag, dass sein Vorarbeiter den ganzen Tag lächelte, sagte aber nichts dazu.

Er überlegte sich, wie er noch mehr Pferde verkaufen konnte, wenn sie erst wieder im Süden waren. Wie wäre es, wenn er gleich einen großen Teil der Herde auf seine eigene Encomienda treiben würde? Das konnte er allerdings nicht allein machen. Dafür brauchte er Hilfe, aber wenn er die Vaqueros ordentlich bezahlte? Dann könnte es gelingen! 

Besser wäre natürlich, wenn er die Bezahlung nur versprach und die Kerle danach umbrachte. Das sparte ihm viel Geld ein und außerdem konnte ihn dann niemand mehr verraten. Jetzt lächelte auch Don Carlos und als er sich ausrechnete, wie viel Geld er einnehmen würde, legte er den Kopf in den Nacken und lachte laut.

Beatriz hatte er leider nicht bekommen. Diese Stute war ihm entgangen. Sie hatte tatsächlich diese Schwuchtel geheiratet, aber die beiden hatten ihn noch nicht einmal zu ihrer Hochzeitsfeier in Coronados Haus eingeladen. Doch er hatte sich einfach in die Kirche gedrängt und sich herrlich amüsiert über den Bräutigam. 

Wie der Kerl sich gewunden hatte und wie schlecht es ihm nach dem Saufgelage ergangen war! Wie der ausgesehen hatte, mit seinem blauen Auge und ständig hatte er gewürgt, weil er den Kotzreflex unterdrücken wollte. Wieder musste er laut lachen.

Der Mord von Beatriz an dem Soldaten, von dem alle redeten, war natürlich eine Erfindung der Schwuchtel. Er vermutete, dass Beatriz ihn mit dem anderen Schwanzlutscher, diesem García López de Cárdenas erwischt hatte und dass die beiden ihr deshalb die indianischen Bluthunde und die beiden Soldaten hinterhergeschickt hatten.

Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Beatriz mit einem anderen Mann im Bett gewesen war und dann auch noch einen Soldaten umgebracht hatte. Dafür hatte er sie auf der langen Reise viel zu gut kennengelernt. Das hätte sie nie und nimmer getan. Die Herren Offiziere hatten sich da eine schöne Geschichte ausgedacht, bei der ihnen niemand etwas anderes beweisen konnte. Beatriz war vermutlich bereits tot, genau wie der einäugige Großvater mit seinem Schwert aus dem letzten Jahrhundert.

Am Abend legte sich Don Carlos ans Feuer und vermisste die Musik. Was wohl aus diesem kleinen schwarzen Ding geworden war? Ob sie die wohl auch umgebracht hatten? Das würde er wohl nie erfahren und es war ihm auch egal.

Zur gleichen Zeit hatte Felipe bereits eine kleine Herde mit etwa sechzig erstklassigen Pferden ein wenig von der großen Herde abgesondert und das Muli mit den Werkzeugen dazu gestellt. Das waren viel mehr Pferde als Rabe gesagt hatte und die vielen Fohlen hatte er noch nicht einmal mitgezählt, aber er konnte die erstklassigen Tiere einfach nicht hier lassen. Sehr weit hatte er sie nicht getrieben. Nur so weit, dass es den anderen Vaqueros nicht auffiel.

Wie der Große Geist den Indianern das Pferd schenkteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt