Der fliegende Eulenmann - Kapitel 38

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Pater Diego hatte eine regelmäßige Verdauung. Jeden Morgen ging er vor dem Frühstück hinaus, um sein Geschäft zu erledigen. Weil es sich für einen Gottesmann nicht schickte, sich vor den Augen der ganzen Mannschaft hinzuhocken, ging er immer ein gutes Stück in die Büsche.

In diesem Grasmeer gab es aber leider keine Büsche und so verschwand er immer hinter einem Hügel im hohen Gras. Während er an diesem Morgen noch drückte und versuchte seinen Darm zu entleeren, spürte er plötzlich, wie jemand von hinten nach ihm griff und ihm den Mund zuhielt. 

Zuerst glaubte er an einen üblen Streich, doch dann fuhr ihm der Schrecken in die Glieder. Denn starke Arme packten ihn und schleppten ihn davon. Endlich entschloss er sich zu kämpfen, wollte schreien, trat mit den Beinen um sich, aber es war vollkommen zwecklos. Er konnte am Anfang noch nicht einmal sehen, wer ihn da so grob behandelte. 

Seine Gedanken rasten wild durcheinander, wie Vögel, die in einem Käfig gefangen sind und verzweifelt nach einem Ausgang suchen. Warum? Warum geschah das? Warum wurde er aus seiner Welt gerissen? Die Flut der Emotionen aus Angst und Verzweiflung überwältigte ihn geradezu.

Erneut versuchte er zu schreien, doch nur ein sehr kleines Geräusch kam aus seiner Kehle. Die große Hand, die ihm den Mund zuhielt, hatte sich jetzt auch über seine Nase gelegt und drückte ihm die Luft ab. Mit seinen Beinen trat er wild um sich, wie ein verängstigtes Tier. Doch seine Anstrengungen waren vergebens. Gegen diese starken Arme konnte er nichts ausrichten.

In dem Moment, als sich in Mexico Ciudad diese schrecklichen, wilden Kriegshunde in ihn verbissen, hatte er gewusst, dass er dieses Land nicht wieder lebend verlassen würde. Als Gott ihn dann doch noch einmal rettete, war er sehr überrascht.

Hier ließ er aber schon bald jede Hoffnung fahren. Denn mit einem kurzen Blick hatte er Felipe erkannt, der ihm ein fröhliches Grinsen zeigte. Weiter und weiter schleppten die Männer ihn auf leisen und sehr schnellen Füßen fort. 

Von der Armee war schon bald nichts mehr zu hören. Kein Wiehern der Pferde, kein Klappern des Kochgeschirrs, keine Rufe der Männer. Stille, nichts als Stille rings um. Nur die keuchenden Atemzüge, die Geräusche der Füße der Männer und der Wind, der das hohe Gras bewegte, waren zu hören. 

Die Angst war noch da, doch sie hatte ihren Griff gelockert. Pater Diego wehrte sich nicht mehr und ließ sich einfach von den fremden Händen tragen. Felipes Hand, die ihm den Mund zu gehalten hatte, war verschwunden. Niemand würde ihn hören, wenn er jetzt schrie. 

Er hob den Kopf aus dem Gras, sah ganz kurz nach oben und fand den blauen Himmel unglaublich schön. Schon bald würde er seinem Schöpfer gegenüber stehen. Da hatte er keinen Zweifel, denn es war ihm noch zu gut in Erinnerung, wie Felipe vor ihm stand und um das Leben dieses Jungen bat. Wie hieß er noch gleich? 

Egal wie der Bengel hieß! Sollte Gott entscheiden, ob er Recht oder Unrecht getan hatte. Es lag in seiner Hand! Felipe konnte ihm nur sein Leben nehmen, aber nicht seinen Glauben. Pater Diego war mit sich selbst im Reinen. Er hörte in der Ferne die Geräusche von Pferden und weibliche Stimmen, denen er immer näher kam. Plötzlich ließ man ihn los und er fiel zu Boden. Er wollte sich erheben, doch dann sah er nackte, schwarze Füße!

Jetzt packte ihn doch wieder die Angst. Das war Pumba! Sie würde ihn quälen, so wie er ihren Mann gequält hatte! Als er ihr ins Gesicht schauen wollte, schlug sie ihm mit der Reitpeitsche ihrer ehemaligen Herrin über den Kopf. 

Der Schlag fühlte sich an, als wollte sie ihm mit der Peitsche den Schädel spalten. Er stöhnte auf, wollte protestieren, aber Felipe drehte ihn auf den Rücken und setzte sich lachend auf sein Gesicht. Er bekam nur noch sehr wenig Luft zwischen seinen Arschbacken und konnte nicht sehen, wer ihm die Hände und die Füße fesselte. Als man ihn aufhob, erkannte er Rabe und Stab.

Wie der Große Geist den Indianern das Pferd schenkteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt