Der Feuerberg - Kapitel 10

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Im Tal von Ayometitla fühlte Pumba sich fast wie im Himmel. Überall standen herrliche Blumen auf den Wiesen. Wunderschöne Vögel sangen ihre Lieder, Schmetterlinge, Hummeln und andere Insekten umschwirrten die süß duftenden Blumen auf ihrer Nahrungssuche. Immer wieder führte ihr Weg an kleinen Dörfern mit ihren herrlichen Gärten vorbei. Hier bauten die Menschen viele verschiedene Gemüsesorten an, von denen Pumba nur einen ganz kleinen Teil kannte. Das milde Klima war angenehm, der Boden eben und die Esel folgten brav ihrem Muli.

Wäre da nicht dieser neue riesige rauchende Berg an ihrer rechten Seite, dann hätte Pumba sich tatsächlich wie im Paradies gefühlt, aber dieser Berg machte ihr Angst. Bereits den ganzen Morgen fühlte sie bis in ihre Eingeweide hinein dieses dunkle Grummeln, das von dem Berg ausging und tief aus der Erde zu kommen schien. Immer wieder stieß er Rauch aus, der bis in den Himmel stieg. Aus dem Rauch fielen Asche und Steine auf den Berg zurück und bedeckten die weiße Kuppe mit einer schmutzig grauen Schicht.

Als sich am Abend alle am Lagerfeuer versammelten, hielt Pumba sich in der Nähe ihrer Herrin auf. Sie hatte eine solche Angst, dass sie sich nicht wie an den anderen Abenden, gleich nach dem Essen schlafen legte. Sie nahm sogar in Kauf, dass Beatriz ihr zusätzliche Arbeiten aufgeben konnte, wenn sie ihre Sklavin tatenlos sah. Alle anderen Leute am Feuer hatten anscheinend keine Angst vor dem Popocatepetl.

Nur dem stummen Vaquero der noch kein eigenes Pferd besaß, schien der grollende und fauchende Berg ebenfalls nicht geheuer. Immer wieder schaute er bei jedem Ausbruch zu dem Berg hinüber.

Er war heute allein am Feuer und schaufelte seine Bohnen mit dem Holzlöffel schnell in sich hinein. Kaum war er mit dem Essen fertig, brachte er seinem Freund einen gefüllten Teller zu den Pferden. Anscheinend waren die beiden auch heute Nacht wieder einmal für die Wache eingeteilt. Während Pumba Stab hinterherschaute, hörte sie in ihrem Rücken die schrille Stimme von Beatriz.

„Hattest du vor, mich für den Rest der Reise einfach zu ignorieren? Komm her und kümmere dich um mein Kleid. Ich habe es an einem Ast zerrissen. Danach bürstest du mir die Haare. Das kannst du auch noch machen, nach dem die Sonne untergegangen ist."

„Ja Herrin!"

Es war fast eine Erlösung für Pumba, dass sie jetzt etwas zu tun bekam und nicht die ganze Zeit zu dem schrecklichen Berg hinüberschauen musste. Sie widmete sich schweigend ihrer Aufgabe und konzentrierte sich darauf, den Riss im Kleid so zu vernähen, dass man ihn kaum bemerkte. Als die Sonne am Horizont verschwunden war, leuchteten ihre letzten Strahlen den Rauch des Berges von unten an. Der Anblick war atemberaubend. Ein feiner rot golden glänzender Kranz umgab die Aschewolke und zeichnete den Kopf einer gespenstisch wirkenden, riesigen Gestalt in den Himmel.

Pumba ließ die Haarbürste sinken und erwachte erst wieder zu neuem Leben, als Beatriz ihr einen leichten Schlag mit der Reitpeitsche auf die Hand versetzte.

„Träume nicht!"

„Ja Herrin!"

Als es noch dunkler wurde, sah sie, dass der Berg nicht nur Asche in den Himmel schleuderte. Dieser Berg spuckte Feuer! In der Nacht war jetzt deutlich zu erkennen, was dem Auge am Tage verborgen blieb. Große Brocken heißer Lava wurden in den Himmel geschleudert, fielen herab und zerplatzten glühend an den Hängen des Berges. Dies war der Eingang zur Hölle! Kein Wunder, dass die Wilden hier in teuflischen Ritualen dem gehörnten Hinkefuß huldigten, wo sie doch so nah am Eingang der Hölle lebten.

Auch Rabe und Stab ließen auf ihrer Pferdewache den Berg nicht aus den Augen. Die Herde war ruhig und graste friedlich im Mondlicht. Den Tieren machte das nächtliche Schauspiel des feuerspeienden Berges anscheinend gar nichts aus. Rabe stellte seinen leeren Teller zur Seite und lauschte den Geräuschen der Nacht. Fledermäuse schwirrten über ihren Köpfen und Zikaden sangen ihr Lied. Rabe konnte sich an viele Nächte in seinem Leben erinnern, aber diese Nacht würde ihn für immer begleiten. Die rote Glut, die mit gewaltiger Kraft aus den Tiefen der Erde in den Himmel geschleudert wurde, brannte sich tief in sein Gedächtnis ein.

Wie der Große Geist den Indianern das Pferd schenkteWhere stories live. Discover now