Wilde Kröte - Kapitel 42

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Weiße Antilope atmete auf. Nach langer Zeit tauchten am Horizont ein paar Bäume auf. Endlich konnte sie sich mit ihrem Blick an einem auffälligen Punkt in der Landschaft festhalten. Sie schaute zu Rabe hinüber und der grinste von einem Ohr bis zum anderen. „Dort drüben ist ein Dorf der Teyas! Das ist ein uralter Platz unseres Volkes."

Aufgeregt trat er seinem Rappen in die Seiten und ritt schneller. Er schwenkte sein Fell für die Nacht über seinem Kopf und schrie vor Freude, als er den dünnen Rauch der vielen Feuer sah. Endlich würde er seine Familie wiedersehen und Adlereule von ihrer langen Reise und ihren vielen Abenteuern erzählen. 

Euphorisch riss er die anderen mit sich und ihre Pferde stürmten voran. Stab war an seiner Seite und schwenkte genau wie Rabe sein Fell für die Nacht über seinem Kopf. Mit hohem Tempo ritten sie über die weite Ebene und konnten zwischen den Bäumen das Glitzern eines lang gestreckten, aber schmalen Sees erkennen.

An seinem Ufer hatten die Indianer unter den Pappeln und Weiden etwa dreißig oder vierzig Rundhütten aufgebaut. Zwischen den Hütten liefen sie jetzt aufgeregt umher. Als die Reiter näher kamen, flohen die Frauen und Kinder. Einige sprangen vor lauter Angst sogar in den See und versuchten schwimmend zu entkommen. Mit ihren Bögen bewaffnet erwarteten die Männer das kommende Unheil und richteten ihre Pfeile auf die Ankömmlinge.

Hinter Felipe saß Wilde Kröte auf dem Schecken. Der Azteke war nicht so euphorisch wie Rabe und Stab und als er sah wie die Männer ihre Bögen spannten, trieb er sein Pferd, trotz des zusätzlichen Gewichts des Jungen, zur Höchstleistung an und versuchte die Herde abzudrängen. 

Auch Stab erkannte plötzlich die Gefahr, konnte Rabe aber nicht warnen, weil der vor ihm ritt. So half er lieber Felipe, die Herde abzudrängen. Viel zu spät entdeckte Rabe die vielen Pfeile in der Luft. Mit einem bedrohlichen Zischen rasten sie auf ihn zu und er hatte großes Glück, dass kein einziger Pfeil ihn traf. Aber eine der beiden hübschen grauen Stuten wurde verletzt.  

„So habe ich mir die Begrüßung durch die Teyas nicht vorgestellt!", rief Felipe, als sie sich bereits wieder von dem Dorf entfernten.

Wilde Kröte saß hinten auf dem Schecken und hielt sich an Felipe fest. Er schaute zurück und grinste schon wieder, denn sie waren dem Pfeilhagel entkommen und jetzt außerhalb der Reichweite der Männer. Was für ein Ritt! Dieser Schecke war wirklich schnell! Schon träumte er davon, eines Tages selbst ein solches Pferd zu besitzen. 

Mit ihren Packpferden waren die Frauen weit zurückgefallen und drehten ebenfalls ab. Genau wie Felipe waren auch sie erschrocken über den unfreundlichen Empfang. Als die Männer die Herde endlich in einiger Entfernung zum Stehen brachten, hielten sie neben ihnen an.

Während Rabe der grauen Stute den Pfeil aus der Hinterhand zog, schrie Stab ihn in Zeichensprache an und sagte ihm gerade mit deftigen Worten die Meinung, als Felipe zu ihnen ritt.

Rabe drehte sich zu den beiden um und war außer sich. „Ich konnte doch nicht wissen, dass es die Lipan sind! Sie sind in unsere Jagdgründe eingedrungen und verbreiten jetzt hier ihren Gestank!"

Er war wütend auf sich selbst und rief den Feinden seine Verachtung zu. 

Felipe warf einen Blick zurück. „Es ist ganz egal, wer diese Kerle sind. Wir sollten nicht länger hier bleiben und endlich verschwinden!"

Denn schon hatten sich die Lipan Apachen von ihrem Schrecken erholt und schwärmten aus. Alle gemeinsam brachten sie die Herde wieder in Bewegung und flohen nach Osten.

*

„Sitz gerade und nicht so krumm auf dem Pferd!", hörte Wilde Kröte die Anweisungen von Felipe. „Wenn du nach links oder rechts willst, lehne dich einfach in die gewünschte Richtung. Jetzt streck mal deine Arme nach links und rechts aus, schließe die Augen und konzentriere dich auf die Bewegung des Pferdes. Spüre das Pferd mit deinem ganzen Körper!"

Wie der Große Geist den Indianern das Pferd schenkteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt