Diese Frage erschütterte Nix mehr, als er gedacht hätte. Natürlich hatte er sich schon oft Gedanken gemacht, doch er hatte nie den Entschluss gefasst, dies zu tun.

„Nein, warum?", antwortete Nix.

„Es gibt zwei Szenarien: das erste ist, dass, sollte Lyric den Fluch auslösen, ihr den Bund schließt und glücklich werdet."

Und das zweite Szenario?

„Das zweite ist, dass Lyric sich an dich bindet und die dämpfende Wirkung, die er auf dich hat, verschwindet. Du wirst nicht mehr in seiner Nähe sein können, während er gleichzeitig immer deine Nähe suchen wird."

„Scheiße." Mehr kam nicht aus Nix' Mund. Er presste die Lippen zusammen und schaute seinen Freund ernst an. „Wie... Wie wahrscheinlich ist das zweite Szenario?", fragte er mit zitternder Stimme.

Dayans Blick veränderte sich und er erkannte, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. „Beide sind gleich wahrscheinlich, es ist absolut nicht vorauszusagen, was passieren wird. Das weiß nur das Schicksal."

Ein verzweifeltes Lachen erfüllte den Raum. Nix lehnte zurück, konnte es einfach nicht zurückhalten. Seine rechte Hand bedeckte seine Augen, während sich die linke in seine Hose krallte. „Das war doch klar. Wie hätte es auch anders sein können? Beide Szenarien sind gleich wahrscheinlich? Willst du mich verarschen?"

Dayans Brust zog sich zusammen. Als er in Nix' Augen sah, sah er nur Schmerz und Resignation.

„D, jedes Mal, wenn das Schicksal", er spie das Wort aus, als sei es eine Krankheit, „etwas entschieden hat, hat es sich für die schlimmste Variante entschieden. Warum sollte es jetzt wieder anders sein? Ich erhalte eine Kostprobe vom Glück, nur damit es mir das wieder nehmen kann."

Nix' Worte schnitten ihm wie ein Messer durch sein Herz.

„Aber weiß du was, wenn es mich unbedingt tot sehen will, dann kann es das haben. Ich werde mich mit Lyric verbinden und wir werden gemeinsam gehen, denn diese Bindung kann es mir nicht nehmen. Diese Entscheidung kann es mir nicht nehmen."

„Tíz. Bitte. Ich weiß, es ist nicht richtig, aber verlasse Lyric. Sobald ihr die restlichen Gegenstände gefunden habt, geht bitte getrennte Wege. Es mag zwar kein glückliches Leben sein, aber es ist immerhin ein Leben. Ich werde immer an deiner Seite-"

„Es ist ein Leben?", schrie Nix und stand auf.

Dayan schaute ihn erschrocken an. Nix hatte ihn noch nie angeschrien. Nicht ein einziges Mal.

„Es ist ein Leben?! Was für ein Leben?! Ich kann niemandem zu nahe kommen, ich kann niemanden lieben, niemanden berühren! Ich kann noch nicht einmal meinen besten Freund umarmen, der mir seit Jahrhunderten zur Seite steht! Das ist kein Leben! Wärst du nicht gewesen, wäre ich schon lange vom Antlitz dieser Welt verschwunden. Lieber sterbe ich, als das auch nur ein weiteres Jahr zu ertragen!"

In diesem Moment war alles, was sich in den letzten Jahrhunderten angestaut hatte, aus Nix herausgebrochen. Jede Emotion, jeder Gedanke, alles. Schweratmend stand Nix dort und kam zur Ruhe. Dann realisierte er, dass er gerade seinen besten Freund, der sein Leben für ihn geopfert hatte, der immer an seiner Seite gewesen war, angeschrien hatte.

Er war die letzte Person, die das verdient hatte, die letzte, der er von seinen Selbstmordabsichten hatte erzählen wollen.

„Nix. Wie lange schon?", fragte Dayan und schaute ihn mit Tränen in den Augen an. Dayan hatte nie geweint, nie. Doch nun stand er kurz davor. Er hatte Dayan nie angelogen und würde nun auch nicht anfangen.

„Seit ich Aleks' gesehen habe. Diese Reise sollte meine letzte werden."

Dayan konnte es nicht glauben, auch wenn er es geahnt hatte. Es war immer ein unwillkommener Gedanke gewesen. Etwas, das noch weit entfernt gewesen war, doch nun war es real.

„Dayan, es ist nicht deine Schuld, doch ich werde dich nicht anlügen. Ich will mit Lyric den Bund schließen und wenn das nicht funktioniert, werde ich gehen."

Dayan vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er konnte ihn nicht bitten, weiterzumachen, bei ihm zu bleiben. Er konnte ihn nicht bitten, sein Leiden seinetwegen fortzusetzen. Es war nicht fair. Dayan hatte sein Glück gefunden, doch Nix, der es mehr als jeder andere verdiente, sollte dies bis zum Schluss vorenthalten werden. Dann spürte er es. Er spürte warme Arme, die ihn in eine enge Umarmung schlossen. Erschrocken schaute er nach oben in Nix lächelndes Gesicht.

„Ich liebe dich, Dayan. Vergiss das nicht."

Daraufhin begann sein Körper zu zittern und Nix' Augen rollten nach hinten. Alle Anspannung wich aus dessen Körper und er fiel bewusstlos nach vorne.

Dayan fing ihn auf, fassungslos, wie sein bester Freund so etwas Leichtsinniges hatte tun können. All die Schmerzen, nur um mich zu trösten. Er hob Nix hoch und trug ihn zu seinem Schlafzimmer, zu dem einzigen Dämon, der Nix' Leiden heilen konnte.

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Nix wachte mit unsäglichen Kopfschmerzen auf und stöhnte. Mit einer Hand rieb er sich über die Stirn und zog sie kraus.

„Kopfweh?", fragte eine weiche Stimme.

Das Orakel nickte nur. Dann spürte er, wie zwei Finger seinen Schläfen massierte und die Schmerzen schwanden.

„Das war leichtsinnig", sagte der Runendämon. „Dayan hat ausgesehen, als wäre er dem Tod gegenübergestanden, so habe ich ihn noch nie gesehen."

„Ich musste es tun", sagte Nix, die Augen immer noch geschlossen, während er sich an Lyrics Brust kuschelte.

„Was ist denn passiert, dass es so ausgeartet ist?", fragte Lyric.

Nix versteifte sich. Er würde Lyric nichts von ihrer Unterhaltung erzählen. Nicht bevor wir den Schlüssel haben. Dann werde ich ihn fragen, ob er mein Gefährte werden will.

„Nichts Wichtiges. So ein Freundeding."

Lyric wusste, dass Nix ihn anlog, doch er würde nicht nachhaken. Es gab sicherlich einen Grund, warum er nicht darüber reden wollte.

Seufzend setzte sich Nix auf. Das Orakel hatte noch etwas zu erledigen, das sich nicht aufschieben ließ.

„Bist du sicher, dass du dich schon wieder bewegen sollst?", fragte sein besorgter Dämon.

„Ja, passt schon. Mir tut nur ein bisschen der Kopf weh", sagte er mit einem gespielten Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.

Lyrics Hand schloss sich um sein Handgelenk. Mit ernster Stimme sagte er: „Ich lasse erst dich gehen, wenn ich sicher bin, dass es ungefährlich ist."

„Keine Sorge, ich statte nur Astaroth einen Besuch ab", sagte Nix.

„Ich komme-"

„Nichts da, du bleibst hier und wirst gesund. Wenn es gut läuft, bist du in zwei Tagen wieder halbwegs fit und das musst du auch sein, wenn wir unsere Suche fortsetzen wollen."

Lyric wusste, dass Nix recht hatte, doch es gefiel ihm ganz und gar nicht. Widerwillig ließ er sein Orakel los. „Pass' bitte auf dich auf."

Nix lachte und diesmal war es echt. „Aber sicher doch. Wenn ich zurückkomme, kannst du mir ja zeigen, wie sehr du mich vermisst hast", sagte ermit einem kecken Grinsen.

Lyric knurrte als Antwort.
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Nix hat einen Entschluss gefasst und nichts wird ihn umstimmen.

Was könnte er mit Astaroth zu besprechen haben?

Eure Mausegöttin

Nix - ein schicksalhafter Kuss (BAND 3) ✅Where stories live. Discover now