Kapitel 2

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Dayan lief stumm neben ihm, er musste erst einmal verarbeiten, was gerade passiert war. Es war unglaublich gewesen. Latíz hatte Kato blitzschnell auf den Rücken befördert, so etwas hatte er noch nie gesehen.

Oh, das wird Ärger geben. Er hatte sich gerade Kato zum Feind gemacht, doch das schien ihn nicht ein bisschen zu stören. Das Krasseste war die Kluft zwischen Latíz' Aussehen und dessen Worten gewesen. So etwas hätte man nie von ihm erwartet. Er seufzte.

„Hey, sollte es Ärger geben, nehm' ich das auf meine Kappe. Du kannst dich von mir distanzieren, dann bist du fein raus", sagte sein Mitschüler.

Was? „Du hasst mich nicht?"

Überraschung zeichnete sich auf dessen Gesicht ab.

„Warum sollte ich? Du hast mir doch nichts getan. Außerdem habe ich das Gefühl, dass du ein anständiger Kerl bist."

„Das hat aber nichts gebracht, ich hätte dich vor den älteren Schülern beschützen müssen", sagte Dayan reumütig. Ein helles Lachen erklang, das sein Herz einen Hüpfer machen ließ.

„Du bist echt gut. Du kennst mich doch erst seit fünf Stunden. Aber lieb von dir. Dann bist du eben ab jetzt mein Wachhund."

Freude durchströmte ihn und mit einem Lachen antwortete er: „Das werde ich, ich werde dein Wachhund, der dich vor allen Gefahren beschützt." Auch wenn du wahrscheinlich selbst hundert Mal stärker als bist ich.

„Alles klar, welche Bezahlung erwartest du für deine Arbeit?", fragte Latíz mit einem verschmitzten Lächeln.

Dayan wurde ernst.

„Deine Stimme", antwortete er, ohne nachzudenken.

„Was?", fragte Latíz überrascht.

Verdammt. Scheiß Kopf, denk doch nach, bevor du redest. Wie komm ich da raus? Er seufzte. Ihm fiel nichts ein, also musste es die Wahrheit sein.

„Latíz, wir haben uns vor fünfzehn Jahren schon einmal getroffen. Du warst auf dem Spielplatz und hast gesungen. Es war einfach nur wunderschön."

Latíz riss die Augen auf.

„Was?! Du warst der Pimpf mit dem Holzschwert? Der, der sich fast in die Hose gemacht hat?", fragte er ungläubig und brach bei Dayans verdutztem Gesichtsausdruck in ein lautes Lachen aus.

„Göttlich", sagte Latíz, als er sich die Tränen aus den Augen wischte.

Dayan war rot angelaufen und hatte seinen Blick auf den Boden gerichtet.

„Einverstanden. Aber nur, wenn wir alleine sind."

Was? Wirklich? Als Dayan realisierte, was er soeben gehört hatte, brach auch dieser in ein lautes Gelächter aus.

Sie gingen gemeinsam zu dem Spielplatz, an dem sie sich damals getroffen hatten, und unterhielten sich ausgiebig. Latíz hatte seinen ersten Freund gefunden. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihm vertrauen zu können, was er bisher noch nie bei einer anderen Person verspürt hatte.

Sie lagen oben auf einer Halbkugel und entspannten sich. Es war still und nur das leise Rauschen des Windes war zu hören, dann öffnete Latíz den Mund. Die Melodie kam direkt aus dessen Herzen und erfüllte die Umgebung mit ihren sanften Klängen. Dayan schloss die Augen und ließ sich fallen.

„Fliege hoch mein kleiner Vogel,
Fliege hoch, soweit es geht,
Doch gibt acht mein kleiner Vogel,
Sinke, wenn der Wind sich dreht.

Gemächlich fliegt er durch das Fenster,
Eine Puppe sieht er dort,
Bleiche Haut so wie Gespenster,
Schaut sie stumm so weit hinfort.

Nix - ein schicksalhafter Kuss (BAND 3) ✅Where stories live. Discover now