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••••••••••/•• Valerie ••\••••••••••

Cholera. Pest. Hepatitis C.

Krebs.

Angst.

Es löste in Ihnen Angst aus.

Und die Angst war es schlussendlich, die Sie von Innen auffrass.

Doch waren es nicht nur Schicksale?
Phänomene, die uns auf unserem Weg begleiten?
Hinweise auf unsere Lebenssituation?
Hinweise auf die kleinen und großen Dinge, mit denen wir unsere Körper belasteten?

Ein Mensch, der nichts von seinen inneren Leiden wusste, konnte glücklich sein.
Doch sobald man ihn mit seiner Diagnose konfrontierte, starb die Hoffnung.

Und stirbt die Hoffnung, stirbt die Seele.

Und stirbt die Seele, stirbt der Mensch.

Der Tod und die Angst.
Zwei Nomen, die für viele in unüberwindbarem Zusammenhang standen.

Schritte.
Sie kamen näher.

Ich straffte meine Schulter und erhob meinen Blick du den Gitterstäben, welche meine Zelle von dem Gang abgrenzte.

Es war ein langer Gang.
Unterirdisch gelegen.

Beidseitig waren kleine Zellen angelegt.

Der Gang endete in einem der Quarters,
dem Q7, einem riesiger Raum, in welchem wir unser Essen empfingen.

Die Gittertür öffnete sich.
Er stand da.

Trota.

‚Wir müssen.'

Ich nickte.

Zwei Wächter vor mir, Trota hinter mir.

Wir betraten den Q7.

Ich wurde in die Mitte geführt,
setzte mich willig auf den stool.

Sie nahmen mir die Kupferketten von den Armen
-ich atmete innerlich kurz aus-
und legten mit die elHaMa's an.

Die elektronischen Handmanschetten.

Trota trat aus meinem Blickfeld.

Ich sah sie, mein kleines Rudel.

Die Alten und Schwachen.

Die Kinder.

Die Halbwüchsigen und Erwachsenen.

Ich nickte.

Und dann spürte ich Ihn.

Den Strom, der durch meinen Körper floss.
Und mein Innerstes verbrennen ließ.

Ich versuchte meine Atmung zu beruhigen.
Ich hörte das Klirren des Bestecks auf den Tellern.

Ich spürte wie meine Herzfrequenz immer höher wurde.

Ein Pfiff.

Das Klirren verstummte.

Man hörte das Summen des Stromgenerators.

Stille.

Alle Blicke auf mich gerichtet.

Ich sah Dankbarkeit und Hoffnung.

So lief es tagein tagaus.
Wie bekamen täglich eine Mahlzeit.
Der Haken? Einer musste den Strom ertragen während die anderen aßen.

Die Spielregeln?
Erreichte mein Puls die 160 und Jemand ass derweilen, wurde der Generator abgestellt und es bedeutete dessen Tod. Gleichzeitig würde ich keine Mahlzeit erhalten.
Beendeten Sie die Mahlzeit vorher, wurde der Generator abgestellt und der Elec bekam seine Mahlzeit.

Vor geraumer Zeit führte unsere Gemeinschaft ein System ein.
Täglich wurde ein Mitgleid als Pfeifer eingeteilt. Er behielt meinen Puls im Blick und Pfiff sobald es knapp werden könnte.

Als Elec wurde der bezeichnet, der im stool saß und durch den Strom geröstet wurde.

Die Gemeinschaft bestimmte den Elec.
Wir entschieden und einst für die, die uns am Stärksten erschienen.
Seit geraumer Zeit war ich jedoch im Dauerjob.

Es störte mich nicht der Elec zu sein.
Ich war froh, meiner Anwesenheit wenigstens einen Sinn zu geben.

Ich hielt durch, das Zusammenspiel klappte.
Ein Tag ohne Verluste.
Ein guter Tag. 

Klack.

Die elHaMa's öffneten sich mit einem feinen Klacken.

Es war ganz zart und fein und dennoch von so großer Bedeutung.

Kaum eine Sekunde später lagen meine Handwurzeln wieder in den Kupferketten.

Man wies mich an aufzustehen.

Ich wurde zu einem der Tische geführt und bekam meine Tagesration:

Zwieback mit etwas Gemüse.

Es war mir egal, was es war. Es war kein Geheimnis, dass dir Mahlzeiten mit Eisenkraut angereichert waren, um uns zu schwächen.

Doch was sollte man schon tun?

Aß man, wurde man geschwächt.

Aß man nicht, wurde man geschwächt und nahm den Hungertod in Kauf.

Ich war in wenigen Minuten fertig.

Ein Pfiff ertönte. Wir erhebten uns und wurden wie Vieh zurück in unsere Zellen getrieben.

Als sich die Tür hinter mir schloss und verriegelt wurde, kehrte langsam Ruhe ein.
Ich schaute durch  die Gitterstäbe zur Zelle Gegenüber.

Oliver.

Er sah mich an.
Und lächelte.

Kein freudiges Lächeln, aber ein Dankbares.

Ich nickte ihm zu, drehte mich um und legte mich auf meine Schlafstädte:
einem Kleinen Bett, dessen Matratze ein mit Heu gefüttertes Laken darstellte.

‚Besser als nichts' dachte ich mir während ich meinen Blick an die Decke richtete.

Ein Tag ohne Verluste.
Ein guter Tag. 

Ich musste meine Kraftreserven so gut es ging auffüllen. Denn in solch einem geschwächten Zustand würde ich den Tag morgen als Elek definitiv nicht überleben.

Ich schloss meine Augen und versank langsam in einen leichten Schlaf.

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Valerie.Where stories live. Discover now