#2 - teasing

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song für's chapter: YOU & I FOREVER (SG LEWIS REMIX) - JESSIE WARE
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Wie erstarrt stand ich noch einen Moment länger vor der Klasse und betrachtete den Mann, der am Lehrerpult saß. Meinen Lehrer.

Er hatte dunkelbraune, etwas längere Haare, die er sich aus der Stirn gestrichen hatte. Aber viel auffälliger als die weichen Haare waren seine markanten Wangenknochen in dem fast runden Gesicht. Seine blauen Augen musterten mich immer noch neugierig und weder er noch ich unterbrachen den Blick.

Nein, man konnte definitiv nicht sagen, dass er hässlich wäre. Im Gegenteil - wie schon vorhin festgestellt - er war ziemlich attraktiv.

Inzwischen war ich mir mehr als sicher. Es war der Mann von der Ampel vorhin. Und er war verdammt nochmal mein Lehrer.

Mit dieser erneuten Erkenntnis unterbrach ich schließlich den Blick - im Grunde hatte dieser nicht mehr als ein paar Sekunden gedauert - und schaute in die Klasse. Ungefähr 25 Leute in meinem Alter blickten mich neugierig an und die mir nun spürbar zugerichtete Aufmerksamkeit ließ mich leicht erröten.

Ich senkte kurz meinen Blick und betrachtete den Boden vor mir, da mir meine Situation gerade ziemlich peinlich war. Ich war es nicht gewohnt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch dann stellte ich mich etwas aufrechter hin und schaute wieder nach vorne. Schließlich war dies der erste Eindruck meiner zukünftigen Mitschüler von mir.

"Und sie sind dann wohl Dreylis Winter, richtig?", ertönte nun erneut die tiefe Stimme des Lehrers.

Verwirrt blickte ich wieder zu ihm. "Woher wissen sie das?"

"In diesem Raum sitzen 26 Schüler, aber auf dieser Liste stehen 27. Als wir zusammen mit allen Schülern, die übrigens genauso wie ich Pünktlichkeit zu schätzen scheinen, die Liste durchgegangen sind, hat sich keine Dreylis Winter hier aufgefunden", erklärte er mir langsam. Er hatte eine ziemlich aktive Gestik, verwies mit seinen Händen auf die Klasse, auf die Liste. Ich fühlte mich wie eine Schwerstbehinderte und an dem leichten, verschmitzten Lächeln, das in seinem Mundwinkel auftauchte, konnte ich erkennen, dass er genau dies beabsichtig hatte.

Ich mochte ihn jetzt schon nicht.

Seine kleine Stichelei gegen mich tat ich mit einem Nicken ab und wandte mich dann der Klasse wieder zu. Ich scannte einmal kurz die Schüler und hatte sofort alles klar. Auch in dieser Klasse gab es die typischen Gruppen - die Streber, die Bitches, die Machos, die Hipster und die Leute, die so langweilig sind, dass sie zu keiner Gruppe dazugehörten. Und wer war ich? Vermutlich ein langweiliger Hipster-Streber. Aber andere Leute konnten das ja sowieso immer besser beurteilen.

"Setzten sie sich doch", forderte mein Lehrer mich nun auf. Ich fand es ehrlich gesagt ziemlich unfair, dass er meinen Namen wusste, ich seinen aber nicht kannte.

Langsam ging ich die Sitzreihen entlang und spürte die ganze Zeit über die brennenden Blicke meiner Mitschüler auf mir. Schließlich setzte ich mich auf einen freien Platz in der letzten Reihe neben einem freundlich wirkenden Mädchen.

Sie lächelte mich sofort fröhlich an und dabei kräuselte sich ihre mit Sommersprossen besprenkelte Nase. "Hey, ich bin Hannah."

"Dreylis", sagte ich freundlich, während ich mein Longboard neben meinen Stuhl stellte und mir meine Jacke auszog und sie über den Stuhl hängte.

"Du warst ganz schön zu spät. Ist das immer so?", fragte sie neugierig. Neugierig, aber freundlich. Sie war mir sofort sympathisch.

"Nein, eigentlich nicht. Ich hab nur meine Bahn verpasst und musste mit'm Board fahren", lächelte ich sie an.

"Achso, klar. Kann ja mal passieren", lächelte sie zurück und wandte sich dann dem Lehrer zu.

Also tat ich ihr das gleich. Der Lehrer erzählte gerade irgendwelche organisatorischen Sachen und erklärte danach, wie er zu seinen Bewertungen kam. Dabei wirkte er selbstsicher und entspannt. Als würde er das alles schon seit Jahren machen, was nach seinem geschätzten Alter aber auf keinen Fall so sein konnte.

Wir hatten innerhalb der Stunde keinen weiteren Augenkontakt, was mich allerdings nicht wirklich störte. Ich redete etwas mit Hannah und versuchte mir auch ein Bild über die anderen Mitschüler zu machen.

Dann wurde Hannah von dem Lehrer ermahnt, was sie rot anlaufen ließ. Sie hatte mir gerade von ihrem geliebten Hund erzählt, führte dieses Gespräch allerdings nach der Ermahnung nicht weiter fort. Scheinbar war es ihr wichtig, dass sie sich in der Schule vorbildlich verhielt und da ich ihren guten Ruf nicht beeinflussen wollte, schenkte ich dem Lehrer wieder meine Aufmerksamkeit.

Den Rest der Stunde versuchte ich herauszufinden, welches Fach wir gerade hatten, aber als es zum Ende klingelte war ich auch nicht schlauer als vorher. Zur ersten großen Pause verließen alle Schüler den Raum, um - so wie Hannah es erzählt hatte - sich im Foyer aufzuhalten. Also tat ich es ihnen gleich.

Gerade als ich die Klasse verlassen wollte, hörte ich erneut die Stimme des Lehrers hinter mir. "Vergessen sie nicht, sich nach der Schule bei der Schulleiterin zu melden, Dreylis!"

Ich blieb weder stehen, noch drehte ich mich um. Im Weggehen warf ich ihm lediglich noch einen Blick über die Schulter zu. Wie gerne hätte ich ihm jetzt meinen Mittelfinger gezeigt. Arschloch.

teach me. | dnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt