Kapitel 46 ~Ladies first

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Völlig verschwitzt kam ich schließlich in unserer Einfahrt an und legte die letzten Meter zu unserem Haus im Schritttempo zurück. Ich stellte mich vor die Haustür und suchte in meinen nicht vorhanden Hosentaschentaschen nach meinem nicht vorhandem Schlüssel. Das hieß so viel wie, dass ich mir auf meinen Oberschenkel klopfte und mich wunderte, wo denn die Tasche war.

Ich Idiotin hatte vorhin gar nicht daran gedacht, meinen Schlüssel einzustecken! Der lag immernoch oben auf meiner Kommode und lachte mich vermutlich aus. Und ich stand hier unten vor der verschlossen Tür und durfte jetzt klingeln und darauf warten, dass mir Jake die Tür aufmachte. Eigentlich wollte ich mich ja soweit wie möglich von Jake fernhalten, bis er aufhörte mich wie ein Magnet anzuziehen. Tja, Pustekuchen!

Ich stellte mich etwas aufrechter hin und wappnete mich innerlich. Dann drückte ich widerwillig den Kopf der Klingel. Ein leises 'Riiiiing' war aus dem Haus zu hören und wie jemand laut die Treppen runtertrampelte. Ich kam mir vor wie in Jurassic Park! Jake hatte echt die Grazie eines übergewichtigten Walrosses...

Ein paar Sekunden wurde die Tür von einem fertig gestylten Jake geöffnet. Seine Haare hatte er mittlerweile mit etwas Haargel in Form gebracht und er roch nach seinem Aftershave. Jake trug ein schwarz-rotes Holzfällerhemd, eine schwarze, relativ enge Jeans mit einigen geöffneten Stellen und weiß-schwarze Schuhe mit dem goldenen Nikezeichen darauf. Zum Vergleich, sah ich an mir herunter. Ich trug immer noch meine verschwitzten Sportsachen und hatte ganz bestimmt ein gerötetes Gesicht vom ganzen Laufen. Jap. Ich sah aus wie der letzte Penner und er dagegen wie ein Model.

Jakes Blick lag ebenfalls auf mir und ein amüsiertes Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er sagte: "Du siehst aus, als könntest du dringend eine Dusche vertragen, Kyls." Ich verdrehte die Augen und entgegnete: "Ich weiß. Und genau deshalb geh ich jetzt ins Bad."

Ich wollte links an ihm vorbeigehen, doch er ging ebenfalls in diese Richtung, sodass wir jetzt nur noch ein paar Zentimenter voneinander entfernt waren. Ich richtete meinen Blick auf den Boden und ignorierte ihn so gut es ging. Dann ging ich nach rechts, um dort an ihm vorbeizugehen, doch er machte ebenfalls einen Schritt dorthin. Allmählich fing es an in mir zu brodeln und ich richtete meinen Blick wieder auf sein Gesicht.

Jakes Lippen hatten sich zu einem überlegenem Grinsen geformt und seine Augen funkelten provozierend. "Geh mir aus dem Weg!", zischte ich. Er verkreuzte die Arme vor der Brust und fragte mit fordernder Stimme: "Was krieg ich dafür?"

Ich war kurz davor ihn umzuhauen, doch ich riss mich zusammen und sagte zuckersüß: "Wie wäre es damit: Ich werde dir nicht so fest in den Arsch treten, dass du wochenlang Schmerzen hast!"

Seine Augen wurden dunkler und er kam noch ein paar Zentimeter näher. Jake baute sich vor mir auf und ich tat das Selbe. Seine Augen starrten in meine und die Intensität die in seinen Augen lag war unglaublich. Es fühlte sich wieder so an, als könnte er direkt in meine Seele sehen und Punkte erreichen, die niemand anderer auch nur bemerken konnte. Es war eine große Spannung zwischen uns und es fühlte sich so an, als wären wir in unserer eigenen Welt. Das Lächeln auf seinem Gesicht war mittlerweile verschwunden uns er sah ziemlich angespannt aus, fast so als müsste er sich selbst von irgendetwas abhalten...

"Ähmmm....Kinder?", beendete eine Stimme diesen seltsamen Moment. Wir beide sprangen auseinander und blickten in Richtung Einfahrt, aus der die Stimme gekommen war. Meine Mum stand mit ein paar Einkaufstüten in der Hand ein paar Meter von uns entfernt in der Einfahrt uns sah verwirrt zwischen uns hin und her. Sie legte zu uns zurück uns fragte: "Ist alles okay zwischen euch? Ihr saht aus, als würdet ihr euch gleich aufeinander stürzen..."

"Nein, nein. Es ist alles gut zwischen uns. Nicht wahr, Jake?", winkte ich ab und sah ihn kurz  warnend an. Er schien immer noch ein wenig überrumpelt von der Situation und sah mich nur stumm an. Ich lächelte meine Mutter unschuldig an, während ich Jake mit voller Wucht auf den Fuß stieg. "AUUU...-ßer dass Kylie immer ihren Schlüssel vergisst und ich deswegen wütend auf sie war", sagte Jake und funkelte mich sauer an. Selbst Schuld, wenn er Statue spielte! Irgendwie musste ich ihn ja dazubringen, dass er etwas sagte.

Lara sah uns nochmal prüfend an, nickte dann, schob sich an uns vorbei und betrat das Haus. Jake ging einen Schritt zur Seite, machte eine Handbewegung, um zu zeigen, dass ich vorgehen sollte. Ich sah ihn misstrauisch an. Zuerst wollte er mich nicht ins Haus lassen uns dann ließ er mir den Vortritt? Was lief denn bitte bei ihm schief?! Da ich mich immernoch nicht von der Stelle bewegt hatte, erklärte mit einem charmanten Lächeln: "Ladies first."

Ich murmelte nur verwirrt ein 'Danke' und lief in unser Haus. Sobald auch Jake hinter mir eingetreten war, schloss er die Tür hinter sich. Ich zog schnell meine Schuhe aus, stellte sie an die Garderobe und flitzte dann die Treppen nach oben. Dort angelangt, ging ich in mein Zimmer, holte mir frische Kleidung und huschte ins Bad. Die Badezimmertür schloss ich hinter mir und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Dann ging ich zum Spiegel und betrachete mein Gesicht. Wie erwartet hatte meine Haut einen ziemlich rötlichen Ton angenommen und meine Stirn glitzterte wegen dem Schweiß. Jake hatte Recht, ich brauchte sowas von eine Dusche!

Ich zog meine Sportkleidung und meine Unterwäsche aus, öffnete meine Haare und stieg dann unter die Dusche. Das kalte Wasser lief an meinem Körper hinab und wusch den Schweiß weg. Die Kälte tat meinem überhitzten Körper so verdammt gut.

Sobald mir nicht mehr ganz so warm war, stellte ich das Wasser ab und begann meinen Körper und meine Haare einzuseifen. Mein Duschgel roch nach Erdbeeren und Vanille und mein Shampoo und meine Spülung nach Wildrosen. Ich liebte Herbal Essences einfach, auch wenn es die Haare nicht so sehr pflegte wie andere Haarprodukte. Als schließlich jeglicher Schaum von meinem Körper entfernt war, stieg ich wieder aus der Dusche, trocknete mich ab und wickelte meine Haare in ein Handtuch.

Dann cremte ich mich ein und zog mir meine Kleidung an. Ich hatte mich für eine schwarze Leggins, ein orangenes Top ohne Ärmel und meine schwarz-goldenen Supras entschieden. Um den Look zu vollenden, zog ich noch ein Paar goldene Ohrringe an und schminkte mich dann dezent. Zu guter Letzt föhnte ich meine Haare trocken und ließ sie dann offen über meine Schultern hängen.

Fertig gestylt ging ich in mein Zimmer und schnappte mir mein Handy. Ich guckte nach, ob ich eine Nachricht von Chris hatte, doch da war keine. Na schön, dann würde ich das halt persönlich mit ihm klären. War wahrscheinlich sowieso besser wie per SMS.

Voller Tatendrang lief ich die Treppe nach unten und ging dann zu Jake, der im Wohnzimmer saß und irgendeiner Ballerspiel zockte. "Jake?", versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch sein Blick klebte immer noch auf dem Fernseher und er hämmerte weiterhin  auf dem dämlichen Kontroller herum. "Jake?!", wiesderholte ich diesmal etwas lauter, doch wieder keine Reaktion. Mein Gott! Das war doch nur ein dummes Spiel! Und er war so konzentriert, als würde er eine Bombe entschärfen...

"JAKEEE?!", schrie ich jetzt genervt. Er zuckte zusammen und ließ den Kontroller aus seiner Hand fallen. Dieser landete mit einem leisen Knall auf dem Boden und er fixierte mich wütend. "Was ist denn?!", fuhr er mich an. Ich ging ein bisschen näher zu ihm, setze ein unschuldiges Lächeln auf und fragte: "Kann ich mir bitte deinen Wagen ausleihen?" Jake sah mich zunächst überrascht an, bevor sich seine Miene verhärtete und er kalt antwortete: "Nein."

"Ach komm schon, Jake", bettelte ich, "Ich fahr auch gaaanz vorsichtig."

Ich setzte meinen besten Hundeblick auf und wartete ab. Er sah mich eine Weile ernst an, bevor er resigniert seufzte und den Schlüssel aus seiner Hosentasche holte. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben und Jake stand auf. Er legte den Schlüssel in meine Hand und warnte: "Wenn mein Baby später auch nur einen Kratzer hat, dann wirst du es bereuen!"

Ich nickte nur strahlend, umarmte ihn und sagte: "Danke. Du bist der Beste."

Jake schien etwas überrumpelt von meiner Umarmung, erwiderte sie aber dann doch und erklärte lächelnd: "Ich weiß und jetzt hau schon ab."

Ich löste mich von ihm und ging dann schnell nach draußen in die Garage. Endlich durfte ich mal mein Traumauto, den Audi R8 fahren. Lächelnd setze mich auf den Fahrersitz, startete den Wagen und genoss das Schnurren des Motors. Ich fuhr aus unserer Einfahrt und machte mich dann auf den Weg zu Chris. Ich brauste über die Straßen und sog die neidischen Blicke förmlich auf. Ein wenig angeben durfte man ja wohl.

Wenn jetzt auch noch das Gespräch mit Chris gut verlaufen würde, dann wäre mein Tag perfekt.

The Bad Boy next doorWhere stories live. Discover now