Einige vereinzelte Kinder rannten umher, Tische wurden aufgestellt, um in der hitzigen Sommertemperatur gemütlich draußen zu essen. 

Eine einzige Frau saß im Rollstuhl und starrte leer vor sich hin. Ich hörte Riccardo neben mir schlucken, als er meine Hand fester drückte und mit mir an seiner Seite zu der Frau im Rollstuhl lief.

"Madre [ital.: Mutter]", seine Stimme klang auf einmal so fremd für mich. Er ging auf die Knie, küsste ihre Wange und ihre Handinnenfläche, die er sofort an seine Wange legte und sie eine lange Zeit betrachtete.

Sie nahm ihn gar nicht zu Kenntnis.

Es tat mir im Herzen weh. 

Weil er darauf wartete und hoffte, sie würde reagieren. 

Oder ihn wahrnehmen.

Dann stand er wieder auf und senkte den Kopf zu Boden. Ich bahnte mir den Weg zu ihr frei und küsste sie ebenfalls.

Kurz schaute sie auf zu mir und ihre Augen verirrten sich in meine. 

Ihre Lippen teilten sich und sie nuschelte: "Wann esse ich? Wo ist mein Essen?"

Ich zog mich schnell zurück und umklammerte Riccardos Unterarm. 

"So! Das Essen steht bereit. Riccardo! Mach doch bitte den Anfang!", rief Camilla erfreut in die Runde und klatschte in die Hände.

La Familia jubelte und seine Männer in der einen Ecke grölten und stampften feiernd mit den Füßen auf dem Boden. 

Wir nahmen uns was auf den Tellern mit und ließen uns an einen freien Platz nieder. Es war warm und alle waren leicht verschwitzt. Aber es war auszuhalten und trotz dem vorherigen Vorfall fühlte ich mich hier wohl.

Ich fühlte mich von Sizilien angezogen. Auf erstaunliche Weise war mir dieses Land heimisch. 

Nun, mein Vater kommt auch ursprünglich hierher.

Keine freie Minute konnten wir in Ruhe essen, denn ständig kam jemand zu uns, begrüßte uns und stellte sich mir freudig vor. 

Seine Familie schien mir ganz nett. 

Zum Ende hin kam ein älterer Herr, setzte sich neben uns nieder und ignorierte uns gänzlich. Ein paar Minuten verstrichen, als er den ersten Laut von sich gab.

"[ital.] Da kommt mein Sohn einmal hierher und scheint es nicht als nötig zu erachten, seinen alten Vater zu begrüßen", murmelte er vor sich hin.

Der Mann hatte weiße Haare und viele Falten im Gesicht. Als ich ihm in seine Augen sah, sah ich den selben bestialischen Stich darin, wie Riccardo ihn hatte. Er hatte absolut die Augen seines Vaters. 

"Du warst nicht da, als wir ankamen", antwortete er kühl und zupfte sich aus dem halben Meter langen Brot, dass auf dem Tisch vor uns ruhte, ein Stück raus.

"Respektlos, wie eh und je. Nun, ich bin neugierig. Man sagte mir, du kommst mit deiner spanischen Freundin. Ist sie das?", er nickte in meine Richtung, als wäre ich gar nicht anwesend.  Er beachtete mich herzlich wenig.

Und rein gar nichts Väterliches lag in seiner Stimme. Dieser Mann strahlte nur Kälte aus.

"Ja, Vater, das ist sie", seine funkelnden Augen nahmen seinen Vater ein. Er sprach das Wort Vater aus,  als wäre es eine regelrechte Beleidigung.

"[ital.] Eine Ehre dich kennenzulernen", sprach er absichtlich auf italienisch.

"[ital.] Valencia. Die Ehre ist ganz meinerseits."

R O M E R O {Riccardo Mancini} [ABGESCHLOSSEN] Место, где живут истории. Откройте их для себя