2.Kapitel

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"Hi Xenia", begrüßte er mich munter. "Hey."
Er war auch frisch geduscht und roch noch dem typischen Männershampoo. Meine Haare rochen nach einer Mischung aus Mango und Vanille. Sie waren noch ein wenig nass, weshalb mein Hemd am Rücken langsam feucht wurde.
Als ich mich zu meinem besten Freund setzte, durchzuckt mich eine Schmerzenswelle. Kurz sog ich die Luft ein und atmete dann stockend aus. Davido hatte meine Rippe getroffen. Aber zum Glück war sie nur geprellt und nicht angebrochen. "Alles gut?", wollte Zale wissen und ich nickte. "Ja. Davido hat nur meine Rippe geprellt." Zale machte ein schmerzhaftes Gesicht. "Den verprügel ich, wenn ich mal gegen den kämpfen sollte", schwor er mir und ich lachte, was weh tat. Zale ist wirklich cool. Er ist anders als andere Jungs und wir haben uns auf Anhieb sofort gut verstanden.
Wir saßen unter einem blühenden Kastanienbaum. Fünf Meter weiter plätscherte ein kleiner Brunnen und Vögel zwitscherten vergnügt. Hinter uns war der große Palast, in dem die sechs Minister und der Kanzler wohnten und arbeiteten, die unser Land führten. Gut, wir wohnten auch da.
Im linken Flügel fand unser Unterricht statt und dort waren auch unsere Schlafräume und unsere Kantine. Im rechten Flügel wohnten die Minister und dort waren auch ihre Büros.
Hinter dem Palast befand sich die große Arena. Dort wird auch die Drachenreitererwählung stattfinden. Mein Herz begann zu klopfen, als ich daran dachte. Neben dem Palastgarten, gab es einen weiteren Garten, der aber nicht so gepflegt und sauber war wie der hier. Dort war auch unser Trainingsplatz.
Zale und ich redeten noch ein wenig bevor wir zum Abendessen gingen.
Wir saßen am Ende des langen Tisches. Die anderen Erwählten plauderten ausgelassen. Neben mir saß Miju. Sie war schüchtern, aber sehr lieb. Neben Zale saßen Cre und daneben Eiji. Wir unterhielten uns zu fünft über den morgigen Stundenplan. Die vier waren einer der wenigen Auserwählten die mich nicht hänselten.
"Ich habe kein Bock morgen auf Wirtschaft", murrte Cre und ich stimmte ihm zu. "Rechtswesen wäre viel spannender", meinte Zale und Miju kicherte leise: "Wir haben doch nach Wirtschaft Rechtswesen. Und danach noch Politik. Dann kommt jeder auf seine Kosten." Eiji freute sich: "Und nach Politik kommt das Beste Fach. Gesellschaft. Wenn ich mich nicht irre, dann müssten wir morgen das Thema, wie präsentiere ich mich dem Volk, haben."
Darauf freute ich mich aber auch. Das kann ich gut. Eine Ansprache halten und mich anderen präsentieren.
Nach dem Abendessen gingen die meisten schlafen. Immerhin mussten wir morgens immer um sechs Uhr aufstehen. Ich kletterte heimlich aufs Palastdach, um die Sterne zu sehen. Es war zwar verboten dort oben zu sein, aber sie hatten mich nur einmal erwischt und seitdem nicht mehr.
Ich konzentrierte mich auf die energetische Ebene. Der Feuerdrache kreiste am Himmel über dem Palast. Seine roten Schuppen schimmerten wunderschön im Mondlicht.
Der Winddrache saß elegant auf einem Palastturm. Er leuchtete schon fast im Dunkel, so schneeweiß war er. Die anderen zwei Elementdrachen entdeckte ich nicht. Nach einer Weile kletterte ich wieder runter und ging schlafen.
Die Glocken leuteten pünktlich um sechs Uhr morgens. Wir standen alle auf und machten uns fertig. Den Trainingsanzug brauchten wir heute leider nicht, obwohl ich mich darin ziemlich wohl fühle. Mein Trainingsanzug war schwarz und hatte ein rotes Band als Gürtel. Er war eng anliegend, aber trotzdem sehr elastisch. Meine Haare band ich ebenfalls immer mit einem roten Band zusammen.
Jetzt aber schnell die Freizeitklamotten an und ab zum Frühstück. Ich war schon spät dran.
Eilig lief ich die Flure entlang zu unserer Kantine. Zale wartete bereits.
"Guten Morgen. Bist spät dran oder?", begrüßte er mich grinsend. "Haha. Sehr witzig", antwortete ich und holte mein Essen.
Nach dem Frühstück begaben wir uns zu den Hörsälen. Auf dem Weg dorthin begegneten wir Mister Amuro. Mit einem Nicken grüßten wir ihn. Doch er schien uns gar nicht wahr zu nehmen. Seine Augen waren leer und seine Augenringe dunkel wie die Nacht. Ein wenig verwirrt schauten wir ihm hinterher.
Unser Wirtschaftslehrer war bereits im Saal,  als wir ankamen. Die ganze Stunde lang rätselten Zale und ich was mit Mister Amuro los war. Doch wir kamen zu keinem wirklichen Entschluss. Wir werden ihn morgen beim Kampfunterricht fragen, was los war. Denn so war er noch nie.
Nach Wirtschaft hatten Rechtswesen. Super langweilig. Auch wenn ich mich bemühte bei der Sache zu bleiben, schweiften meine Gedanken immer wieder zu Mister Amuro.
Was hatte er bloß?
Nach Rechtswesen hatten wir eine kurze Mittagspause zum Essen. Dann ging es schon wieder weiter mit Politik. Wir hatten eine Diskussion über die Vorteile und Nachteile des Standessystem.
Davido meldete sich. Unser Politiklehrer rief ihn auf.
"Durch die Stände ist es im Volk wesentlich ruhiger. Jeder hat seine Arbeit und seine Rechte. Und jeder kennt die Regeln", sagte Davido laut. Davido kam aus dem Goldstand, weswegen er keine Ahnung hatte, wie es den anderen zwei Ständen geht.
"Das sagst du, weil du aus dem Goldstand kommst. Du hast doch keine Ahnung wie es dem Silber oder Bronzestand geht", rief Zale dazwischen und sprach meine Gedanken laut aus. Zustimmendes Raunen ging durch die Reihen. Doch vereinzelt war auch Zischen zu hören. "Ich kann doch nichts dafür dass ich in den Goldstand geboren wurde. Ihr müsstet nur mehr arbeiten und dann müsstet ihr nicht mehr an Hungersnöten leiden. Oder nicht so viele Kinder in die Welt setzen, die euch die Nahrung weg fressen", antwortete Davido und grinste breit. Wut stieg in mir auf.
"Du hast absolut keine Ahnung, Davido. Die Familien müssen besonders im Bronzestand mehr als nur ein Kind in die Welt setzen, um über die Runden zu kommen. Wir Kinder helfen unseren Eltern bei der Feldarbeit oder der Arbeit im Steinbruch oder sonst wo. Wir können nicht noch mehr arbeiten, weil uns die Kraft dazu fehlt. Außerdem müssen wir auch Abgaben an den Gold und Silberstand zahlen um euch durch zu füttern. Manche von uns bekommen nicht mal eine Schulbildung! Und der Silberstand
lehrt den Goldstand trotz weniger Bezahlung. Sie kümmern sich darum, dass nicht nur die reichen Bildung bekommen sondern auch die armen! Das nennt man Gesellschaft. Klar, die Stände geben der Gesellschaft halt und Sicherheit. Aber ob es gerecht ist, weiß ich nicht so genau. Ich bin nicht unzufrieden mit meinem Leben und vielen Familien geht es trotz Armut halbwegs gut. Aber wenn du dann sowas behauptest, dann reicht es", rief ich drohend. Zustimmendes Raunen erfüllte den Raum erneut. Selbst die weiteren vier, die vom Goldstand kommen, sah ich nicken. Davido wusste nichts zu erwidern. Unser Lehrer hatte sich auf seinen Stuhl gesetzt und schaut uns lächelnd an. "Genau sowas will ich in einer Diskussion. Sehr gute Arbeit Davido, Zale und vorallem Xenia", lobte er uns. Ich senkte den Blick und starrte auf meinen Tisch. Ich wusste was mir später drohte, Davido würde mich wieder verprügeln, sodass es keiner merkt. Und das nur, weil ich ihm widersprochen hatte. Immerhin war er der Stärkste und jeder hatte Respekt vor ihm. Nun ja, es war eher Angst. Keiner mochte ihn wirklich.
Die Stunde verrauschte im Flug. Auch die darauf folgende Stunde flog gefühlt vorbei.
Danach flüchtete ich eilig in den Mädchenraum. Hier durfte kein Junge rein. Und das war die einzige Regel an die sich Davido hielt. Rasch zog ich mir meinen Trainingsanzug an und schlich dann zu unserem Trainingsraum. Dort hatten wir eine Weile Technik und Kraft trainiert. Nun machten wir das immer draußen. Ich schloss die Tür hinter mir und atmete erleichtert durch. Heute Abend aß ich nichts, da ich Davido nicht über dem Weg laufen wollte und außerdem wollte ich trainieren. Und um diese Uhrzeit kommt keiner mehr in den Trainingsraum.
Als erstes lief ich mich auf dem Laufband warm. Danach machte ich paar Kraftübungen. Dann widmete ich mich dem Boxsack, der von der Decke hing. Erst übte ich die verschiedenen Techniken langsam und wurde dann schneller. Aber ich merkte, dass ich sie nicht richtig ausführte. Plötzlich merkte ich einen Schatten oben auf der kleinen Tribüne über dem Trainingsraum. Dort hatten immer ein paar Minister gesessen und uns bei unseren ersten Fortschritten beobachtet. Der Schatten lehnte am Türrahmen. Es war eindeutig ein Mann. Ich konnte leider nur seine Umrisse erkennen, aber ich wusste dass ich ihn nicht kannte. Wie lange er mich schon beobachtet? Mir wurde ganz heiß bei dem Gedanken. Plötzlich ging die Tür im Trainingsraum auf und Davido kam herein.

Die DrachenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt