Kapitel 16 - Wahrheiten

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„Wind öffnet seine Augen!", rief eine helle, Stimme. Vorsichtig sah er sich um. Rund ihm in waren Bäume, die im Wind träge hin und her schaukelten, am Horizont ging die Sonne auf. Vereinzelt rannen Tropfen von Blättern, es musste geregnet haben. Das letzte, woran er sich erinnerte, war, dass der Bär Flink töten wollte und er sich vor ihn geworfen hatte. 

Plötzlich beugte sich ein kleiner, brauner Wolf über ihn und Wind blinzelte. Flink lebt. Er wollte sich aufrappeln, aber ein heftiger Schmerz in seinen Rippen ließ in inne halten, aber er bemerkte, dass er gar nicht mehr in der Grube war und der Bär... er war weg. 

„Was... was ist passiert?", fragte er. Da erinnerte er sich wieder an Stein, Pfütze und... Schnee! „Wo ist Schnee, geht es ihr gut... was... wo ist der Bär?" 

Plötzlich unterbrach Grau ihn, die neben Flink stand. „Nachdem du bewusstlos geworden bist, hat sich Alpha plötzlich auf den Bären geworfen und ihn gebissen, ich habe ihn schon lang nicht so voller Energie gesehen.Dann haben wir dich aus der Grube geholt, bis ins Lager konnten wir dich nicht tragen, wir haben uns mit der Wache abgewechselt. Alpha war kurz im Lager, wo Schnee und Pfütze wieder da waren. Ihnen geht es gut, allerdings... Stein... Stein hat es nicht geschafft." Ihre letzten Worte waren leise und ihr Blick wanderte in die Ferne zu den Bergen. 

In ihrem Revier gab es nur vereinzelt kleine Berge und Wind wusste schon gar nicht mehr, wie es sich anfühlte von einem Gipfel auf die Täler hinabzusehen. 

„Das ist schlimm", flüsterte Wind. 

Er und Stein hatten kein gutes Verhältnis geprägt, aber sie waren Rudelgefährten und das reichte aus, dass Wind ein wenig Trauer in seinem Herzen verspürte. Grau seufzte und sah wieder zu Wind. 

„Danke, dass du meinem Sohn das Leben gerettet hast, ohne dir wäre er nicht mehr hier und das hätte ich mir nie verziehen. Du bist der tapferste Wolf, den ich je in meinem Leben kennengelernt habe", wisperte sie voller Dank und Wind merkte wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. 

Er hätte es sich auch nie verziehen, wenn Flink in dieser Mission draufgegangen wäre, weil es sein Plan gewesen war. „Ich habe ihn gerne gerettet, auch wenn es mein Leben gekostet hätte", erwiderte Wind. 

Erneut versuchte er aufzustehen, diesmal langsam und vorsichtig. Als er den Schmerz in seiner Seite verspürte, sog er scharf Luft ein, aber er stand. Als erstes sah er sich um, außer Flink und Grau war niemand da. 

„Wir helfen dir ins Lager, du musst gesund werden!", bot Flink sofort an und Wind lächelte ihn dankbar an. 

Nein, er hätte es sich wirklich nie verziehen, wenn er gestorben wäre. Im Lager hielt er sofort Ausschau nach Schnee, die gleich zu ihm kam. „Wind! Du lebst, den Geistern sei Dank!", rief sie und schmiegte sich an ihn. 

Kurz schloss Wind die Augen und sog einfach Schnees wunderbaren Duft ein. Durch den Regen war die Lichtung ganz schlammig, aber zum Glück schien jetzt wieder die Sonne. „Geh in dein Nest und ruhe dich aus!", forderte die schneeweiße Wölfin ihn sanft auf. 

Wind leckte ihr kurz übers Ohr, bis er ihren Rat befolgte. Erschöpft sank er zu Boden und genoss die Wärme, die die Sonne mit sich brachte. Kurz dachte er noch einmal an Stein. Vielleicht würde der Rüde mit Wasser gemeinsam im Jenseits jagen und sich sonnen lassen, um die Wette laufen und über Baumstämme springen. 

Vielleicht.

                                                                                      ***

„Berg!", rief Wind fröhlich, als er den alten Rüden seiner Träume sah. Dies musste also auch ein Traum sein. Berg reagierte nicht, sondern sah ihn einfach nur finster an. „Du läufst in die Falsche Richtung und nicht zu deinem Schicksal!", knurrte er bloß. 

Wolf Love - Der Weg zwischen Liebe und Leben ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt