Kapitel 18 - Alpträume

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Die meisten Wölfe johlten und beglückwünschten ihn, nur Schnee neben ihm erstarrte. Ihr Blick glitt ins Leere und Wind zerbrach dieser Anblick das Herz. 

„Glückwunsch, du wirst ein toller Alpha!", rief Flink dem Nachfolger zu. 

Eigentlich hatte sich Wind diesen Moment besonders vorgestellt, er hätte gedacht er würde Luftsprünge vollführen, dieser eine Moment war sein Ziel. Ohne diesem Wunsch wäre er erst gar nicht von seinem alten Zuhause weg. Plötzlich machte er sich sorgen, ob seine Reise jetzt überhaupt noch einen Sinn hatte. 

Knurrend schob er diesen Gedanken beiseite und dachte daran, wie schön diese Zeit werden würde. Himmel würde ihm Alles beibringen, was er wissen musste, er würde Alpha dieses Rudels werden! Und trotzdem musste er Schnee aufgeben. Ein Seitenblick zu ihr zeigte, dass sie mit hängendem Kopf bereits in den Jägerbau stürmte. 

Wind schluckte den schrecklichen Schmerz hinunter und widmete sich wieder dem restlichen Rudel. Es war unwichtig, was Schnee wollte, er musste nun auf das ganze Rudel achten und seine Liebe schlichtweg vergessen. Das war besser so, für ihn sowie für Schnee. 

„Die Rede ist beendet!", rief Himmel noch, bevor sich die Wölfe wieder ihren Aufgaben widmeten. Endlich hatte er sein Leben erreicht. Naja, nicht ganz, er musste noch die Ausbildung erfolgreich bestehen und dann stand ihm nichts mehr im Weg. Fast. 

Wind wollte Schnee vergessen, aber er wusste auch, dass das so einfach nicht ging. Trotzdem blieb ihm Nichts Anderes übrig, als ihr klar zu machen, dass das mit ihnen nichts werden konnte. So trabte er zum Jägerbau und steckte seinen Köpf in die Lücke. Drinnen lag ein zusammengerollter Fellball, schneeweiß. Schnee. 

„Schnee, kann ich dich bitte kurz sprechen?", fragte er vorsichtig. Schnee hob plötzlichen ihren Kopf und funkelte ihn wütend an. „Du hast gewusst, dass du als Alpha keine Gefährtin haben darfst und hast trotzdem zugestimmt. Ich dachte du liebst mich!" 

Winds Unterkiefer zitterte leicht, diese Worte trafen ihn tief. „Das tue ich auch, aber ich hatte schon immer ein Ziel im Leben und das war der Posten als Alpha. Nun bekomme ich die Chance und die muss ich einfach ergreifen, das musst du doch verstehen, oder?" 

Schnee knurrte leise und antwortete: „Du hast mein Herz gebrochen und das werde ich dir nicht verzeihen! Jetzt geh!" Wind verließ mit blutendem Herzen den Bau. 

Draußen ging die Sonne unter, aber nicht so schön, wie er es damals mit Schnee auf der Wiese erlebt hatte. Heute bedeckten den Horizont dichte Wolken, sodass die Sonne einfach dahinter verschwand. Auf einmal wünschte er sich, dass er einmal die Zeit zurückdrehen könne, dann könnte er noch viel öfter etwas mit der weißen Wölfin unternehmen. 

Das würde mir nur noch mehr das Herz brechen. 

Ein kalter Windzug erfasste ihn und ließ ihn leicht frösteln und er beschloss, schlafen zu gehen. Auch wenn er bezweifelte, dass er auch nur ein Auge zubekommen würde.

                                                                                                            ***

Wind träumte, aber diesmal nicht von Berg. Er befand sich in einem Unwetter, stärker als es die letzten Tage gewesen war. Blitze zuckten am Himmel, Donner krachten und Regen prasselte in Strömen auf ihn herab. Plötzlich hörte er erstickte Schreie und einen klagevollen Hilferuf. 

Wind spitze die Ohren, diese Rufe stammten von einem Wolf. Mit rasendem Herzen rannte Wind los, hin zu diesen Rufen, er musste dem Wolf helfen. Seine Pfoten versanken jedoch oft im modrig riechenden Schlamm, was ihn langsamer machte, aber er kämpfte sich voran. Nach einer Weile sah er einen schreienden Körper im Gras liegen. 

Als er genauer hinsah, erkannte er diese Gestalt. Schnee. 

„Nein, nicht du!", schrie Wind voller Angst, doch er merkte, dass seine Pfoten immer weiter im Schlamm versanken. Hilfesuchend sah er sich um, doch da war niemand, außer ihm und Schnee und das endlose Moor. Dazu kam noch Nebel, der ihm die Sicht versperrte. Der Morast unter seinen Pfoten zog an ihm, er wusste, dass er sich nicht ewig wehren konnte. 

Nein. 

Seine Gedanken rasten, er spürte wie der Sumpf seine Beine fester umklammerte, bereit, sie nie mehr loszulassen. Verbittert sah er zu der Wölfin, mittlerweile war sie zu schwach, um zu schreien, Blut rann ihr in Strömen vom Hals und einigen Wunden am Bauch. Er musste sie retten, er würde sich ihren Tod nie verzeihen. Der schwarze Wolf spürte dass das Moor an seinem Bauch hinaufkletterte, so als ob es ihn Stück für Stück fressen wollte. 

„Schnee, das habe ich nicht gewollt, ich wollte dich retten!", schrie er aus Leibeskräften, denn er wusste, dass das hier bald ein Ende haben würde. 

Schnees Körper hob und senkte sich noch ein letztes Mal, bis sie völlig regungslos dalag. Kälte umfasste sein Herz, er hatte es nicht geschafft. Schmerz des Verlusts packte ihn. Was ihn aber noch mehr schockierte, war dass sich von ihrer Leiche ein Geist abhob. Eine blasse Version von Schnee. Hoffnung kroch in Wind hoch, doch als er sah, dass dieser Geist bedrohlich auf ihn zukam, bekam er Angst. Teuflische Angst 

„Du warst zu spät! Du hättest mich retten können, doch nun hast du alles zerstört!", kreischte Schnee ihn an. 

Wind schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein, das wollte ich nicht! Das Moor hat mich aufgehalten!", versuchte er sich zu rechtfertigen. Schnee legte nur den Kopf in den Nacken und lachte höhnisch. „Ja natürlich!" 

Nach einer kurzen Pause schnellte sie nach vorne und blieb nur einen Zentimeter von seinem Gesicht fern. „Du hast dich aufgehalten, das Moor, deine Träume, dein Leben, was dich aufhält, Wind. Das Moor selbst bist du!

Wind riss schockiert die Augen auf, aber was sie dann noch sagte, gab ihm den Rest. „Und du bist dabei, an all diesem Leben was von dir selbst kommt, vernichtet zu werden, zu ersticken, zu sterben. Du bist dabei, dich selbst zu vernichten!" 

Winds Atem ging flach, er war so geschockt, dass er gar nicht mehr mitbekommen hatte, wie der Sumpf nun auch schon an seinem Hals leckte. Lachend löste sich die Gestalt von Schnee auf und seine Sicht verschwamm. Wind wurde für immer in die Tiefe des Moores gezogen. Er starb an seinen eigenen Kräften, seinem eigenen Leben

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