Kapitel 5 -Die Ankunft

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„Denkst du, da hinten enden die Berge?", fragte Wasser schnaufend. Wind zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Die beiden Wölfe waren gerade erst aufgebrochen, der weitere Gang von der Höhle führte sie zum Glück wieder nach draußen. 

Das Wetter war aufgeklart und die Sonne schien vom Himmel. Perfektes Wetter für eine Reise. „Wenn du mich fragst, sieht das so aus, als ob da hinten ein großes Tal liegt. Die Berge in der Ferne sind ziemlich weit weg, aber es sind kaum mehr welche in der Nähe!" Wind nickte. „Vielleicht finden wir dort ein Rudel!" Hoffnung kroch in ihm empor. Wenn sein Ziel schon so nah lag, konnte ihn jetzt nichts mehr aufhalten. „Ich hoffe!", bellte Wasser fröhlich. 

Winds Laune war gut und er trabte ein Stückchen fröhlich voran. Er war bereit, sein neues Zuhause zu sehen. Allerdings hatte er trotzdem Zweifel, ob es dort ein Rudel gab. Von seiner Mutter hatte er gehört, dass sie in ihrem gesamten Leben nur auf ein weiteres Wolfsrudel gestoßen war. Davon wollte sich der Rüde aber seine Laune nicht verderben lassen. Es war einen Versuch wert, dorthin zu gehen und er würde diese Chance nutzen. 

Der Schnee war an manchen Stellen schon viel weniger als noch an den vorherigen Tagen. Wind merkte nun wirklich, dass der Frühling nahte. Erfreut darüber sprang er in einen tiefen Schneehaufen und jaulte glücklich auf, als er tief einsank. Früher hatte er dieses Spiel oft mit seiner Schwester Strahl gespielt. 

Wasser kam kopfschüttelnd zu ihm. „Heb dir deine Energie lieber für später auf!" Verlegeng stand Wind wieder auf und schüttelte sich den ganzen Schnee aus dem Fell. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Wanderung.


***

Zwei Tage verstrichen, ohne dass sie an das Tal gelangten, langsam krochen in Wind Zweifel empor. Wenn es kein Tal gab, würde es ganz bestimmt auch kein Rudel geben und sie mussten weitergehen. „Hoffentlich erreichen wir das Tal heute noch.", jaulte Wasser vor Anstrengung.

 Wind nickte, auch er war erschöpft. Seine Pfoten waren seit dem morgen wund und jeder Schritt tat weh, aber er wusste, dass er jetzt nicht mehr aufgeben würde. „Sieh mal", rief Wasser ihm zu, „da hinten ist tatsächlich das Tal!" Ein neuer Schub Energie floss durch Winds Adern, auch Aufregung mischte sich in seine Gefühle. Jetzt mussten sie nur noch hoffen, dass dort unten wirklich ein Wolfsrudel lebte, dem sie sich anschließen konnten. 

Am Ende des Tages kamen sie bei einem steilen Hang an. Unter ihnen das riesige Tal. Wind raubte der Ausblick den Atem. Eine Wiese umsäumt von einem wunderschönem Wald befand sich dort unten. In paar Hügel und ein Fluss waren ebenfalls zu finden. Plötzlich erinnerte sich Wind an seinen Traum, den er einst am Wasserfall erhalten hatte. Genau diese Luft und genau dieses Gefühl hatte er dort empfunden. „Das ist es.", hauchte Wind, er konnte es noch immer nicht glauben. Wasser trat zu ihm. „Es ist unglaublich. Wir müssen jedoch noch diesen Hang hinunter klettern." Wasser deutete auf den steilen steinigen Weg. Wind kiff die Augen zusammen und wand sich dann entschlossen Wasser zu. „Wir haben es fast geschafft, nichts kann uns jetzt noch aufhalten!" 

Wind verspürte eine gewisse Verbindung zu Wasser. Auf einmal merkte er, dass sie nie mehr als nur wie eine Schwester für ihn gewesen war. Das erleichterte ihn und machte ihm gleichzeitig Freude. Mit ihr an seiner Seite würde er Alles schaffen können. 

Vorsichtig setzten die beiden Wölfe eine Pfote vor die andere. Immer wieder kullerten Unmengen von kleinen Steinen die steile Wand hinab und bremsten erst, wenn sie ganz unten waren. Leicht ängstlich blieb Wasser stehen. „Ich habe Angst, abzurutschen!", heulte sie besorgt. Wind lief vor ihr und drehte sich zu ihr um. „Keine Sorge, trete genau an die Stellen, wo ich hingetreten bin, dann passiert dir ganz bestimmt nichts!", versuchte Wind Wasser zu motivieren, weiterzugehen. 

Ihm bedeutete es so viel, das hier zu schaffen. Wind wollte Alpha werden, er wollte endlich besonders werden. Sein altes Rudel würde längst glauben, dass Wasser und er tot waren, aber das war Wind egal. Hauptsache er konnte endlich glücklich sein. 

„Pass auf, hier wird es schwierig!", bellte Wind in möglichst ruhigem Ton zu seiner Freundin. Die Wölfin schien nicht mehr so viel Angst wie Anfangs zu haben, aber ihre Ohren zuckten noch immer nervös, wenn größere Steinmengen den Hang hinabkullerten. „Ich will endlich hier runter!", heulte sie zu Wind. Der Rüde sah sie aus beruhigenden Augen an. „Du schaffst das. Du hast die Schlucht problemlos überquert, jetzt schaffst du auch das hier." 

Wasser erinnerte sich an den Tag zurück, wo sie furchtlos über die Schlucht gesprungen war. Das hier war für sie jedoch etwas ganz Anderes. Eine Schlucht war ein einfacher Sprung, jetzt musste sie einen steilen Hang hinabklettern und dabei aufpassen, nicht abzurutschen. Trotzdem versuchte sie tapfer zu bleiben. „Natürlich, ich werde das schaffen!" Dieser Satz war vielleicht für Wasser selbst eine Motivation und nicht eine Antwort auf Winds Worte, aber das war ihr egal. Sie wollte bloß hier weg. 

Nach ein paar Minuten des mühsamen Bergabgehen, hatten sie ungefähr die Hälfte des Steigs erreicht. Mittlerweile konnte Wind das Tal viel genauer sehen, ein Teil des Waldes hinter der Wiese schien allerdings kahl. Die Bäume sahen schon aus der Ferne braun und teilweise schwarz aus. Was dort wohl passiert war? 

Wind rätselte, während er weiter nach unten stieg. Für ihn war eines klar: Das musste ein Feuer angerichtet haben. Von Tanne hatte er als kleiner Welpe gehört, dass Feuer riesig und unreal heiß waren. Sie konnten Schaden anrichten, die nie wieder zurückgingen. Damals hatte Wind unheimlich Angst vor Feuer und auch jetzt kroch ihm ein Schauer über den Rücken. War dieser Ort doch nicht so sicher? 

Fragen überkamen Wind und er merkte erst, dass er unten ankam, als Wasser einen Freudenschrei johlte: „Wir haben es geschafft! Endlich!" Ihre Augen funkelten stolz und aufgeregt. Wind schmunzelte, auch er konnte nicht glauben, dass sie endlich angekommen waren. Er spürte – nein er wusste, dass das der richtige Ort sein musste. Sein Traum hatte ihm ihn gezeigt und nun war er da. 

„Lass uns ein Stückchen nach vorne gehen!", schlug der Rüde vor. Wasser trabte neben ihm los. Die beiden waren direkt neben einem Wald auf einer weiten Wiese voller Gras und Pflanzen. Wind spürte eine leichte Brise um seine Schnauze wehen, als er sich auf ins Ungewisse machte. Schon bald roch er einen fremden Geruch. Er blieb stehen und spitze die Ohren. Auch Wasser hatte den starken Duft bemerkt. 

„Wer oder was ist hier?", fragte sie ihn. „Das selbe könnte ich euch fragen!", knurrte eine wütende Stimme hinter ihnen. 

Vorsichtig drehte sich Wind um. Sein Herz blieb fast stehen, als er sie sah. Eine hellgraue Wölfin. Knurrend und mit aufgestellten Nackenhaaren starrte sie die beiden Wölfe bedrohlich an „W-wir", er brachte kaum Worte heraus. „Wir sind auf der Suche nach einem Zuhause.", sprach Wasser schließlich vorsichtig. Die hellgraue Wölfin sah sie misstraurisch an. „Woher soll ich erkennen, dass ihr nicht lügt?" Wind überlegte kurz, bevor er antwortete: „Unser voriges Rudel wurde von Bären vernichtet, nur wir haben überlebt. Jetzt suchen wir ein starkes Rudel, wo wir bleiben können." 

Natürlich war das nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit lebte sein Rudel noch und er wollte nicht nur in einem neuen Rudel leben, er wollte Alpha werden. Aber das konnte er natürlich nicht sagen. 

Die Wölfin umkreiste sie überlegend. „Ihr kommt beide mit zu meinem Alpha Himmel. Er wird über euch entscheiden.", knurrte sie. Nach einer kurzen Pause fügte sie mit einer etwas freundlicheren Stimme hinzu: „Mein Name ist übrigens Fluss." Wind nickte und folgte Fluss gehorsam. Innerlich explodierte er fast vor Freude. Endlich hatte er den ersten Schritt seines Ziels erreicht. 

Wolf Love - Der Weg zwischen Liebe und Leben ✔Where stories live. Discover now