Kapitel 9 - Ernst

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Wind fand sich in dem nebeligen Sumpfgebiet seiner Träume wieder. Diesmal jedoch empfand er nicht so große Panik, denn er kannte diesen Ort bereits. „Du wirkst ruhig, auch wenn ich deine Trauer erkenne", wisperte wieder diese Stimme. 

Wind konnte nicht sagen, aus welcher Richtung sie kam, aber er wusste, dass sie da war. „Eine Schwester von mir ist verstorben, aber sie war tapfer, ihr Name war...", Wind wurde von der Stimme unterbrochen. „Ich kenne sie, ihr Name ist Wasser. Eine aufgeweckte Wölfin, auch im Jenseits, das muss man schon sagen!", bellte die Stimme. 

Wind war etwas überrascht, dass er sie kannte und zwar aus dem Jenseits. „Wo ist das Jenseits, geht es ihr gut, wo sie ist?", fragte Wind mit klopfendem Herzen. „Wenn die Zeit gekommen ist, siehst du sie wieder, vertrau mir!" 

Wind war etwas enttäuscht, keine genaueren Antworten zu erhalten, aber er vergaß den Gedanken daran wieder, als die Stimme weitersprach: „Wind, du spürst, wenn große Gefahren drohen. Irgendetwas schlummert in dir, ein versteckter Teil von dir. Ich habe eine Ahnung, was das sein könnte, aber es ist dein Schicksal", seufzte die Stimme. 

Wind runzelte die Stirn. „Meinst du, ich bin besonders? Deswegen muss ich Alpha werden, das ist es, oder?", fragte Wind eifrig. Die Stimme begann zu knurren. „Denk über dein Herz nach und nicht über dein Leben, Wind! Du bist besessen von etwas, was du nicht kontrollieren kannst und nur dein Herz kann dir helfen!" 

Wind schüttelte den Kopf. Von was bin ich besessen? Was bringt mir mein Herz und warum ziehen mich Orte an? Diese Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. 

„Wie heißt du eigentlich?", fragte Wind um das Gespräch wieder auf zu fangen. Die Stimme seufzte erneut. „Ich bin Berg. Ein Wolf, der vor langer Zeit gelebt hat, lang vor deiner Geburt. Mehr musst du nicht wissen, das ist unwichtig, folge meinen Worten, damit du dich nicht irgendwann selbst mit deinem Leben zerstörst!"

                                                                                             ***

Verschwitzt wachte Wind auf. Wie immer, wenn er einen dieser Träume erhielt, wachte er direkt danach auf und konnte nicht mehr einschlafen. Zum Glück hörte er auf der Lichtung bereits die ersten Wölfe. Es musste also kurz vor der Morgendämmerung sein. 

Wind rappelte sich aus seinem Nest und schlüpfte aus dem Bau. Draußen nickte ihm eine kleine Wölfin mit weißen Pfoten zu. Wind hatte kurz nach seiner Ankunft mir ihr gesprochen. Ihr Name war Pfütze. 

Jetzt kam sie auf ihn zu. „Hallo, ich und mein Bruder Stein und ich bräuchten kurz deinen Rat", bat sie ihn. 

Wind war aufgeregt, noch nie hatte jemand einfach so nach seinem Rat gefragt. Er kam mit ihr mit an den Rand der Lichtung, wo ein dunkelgrauer Rüde schon wartete. Wind hatte ihn ein paar Mal gesehen, aber noch nie mit ihm gesprochen. Er musste Stein sein. 

„Worum geht es denn?", fragte Wind neugierig. Pfütze setzte sich und begann zögerlich zu sprechen: „Ich habe dich und Narbe letztens sprechen gehört." 

Wind spitzte die Ohren. Der schwarze Rüde war ihm ebenfalls im Gedächtnis geblieben. „Er meinte, er hieß früher Nacht. Das wussten wir nicht, da wir zu der Zeit noch nicht auf der Welt waren", sprach Stein für Pfütze weiter. 

„Allerdings", begann Pfütze mit vielsagendem Ton, „finden wir, es wäre gerecht, wenn wir ihm seinen Namen zurückgeben könnten. Narbe hat früher oft für uns gesorgt und wir möchten uns so bei ihm bedanken." 

Wind legte den Kopf leicht schief. Narbe war ihm etwas geheimnisvoll vorgekommen, aber vielleicht lag das daran, weil er kaum mit ihm gesprochen hatte. „Und was braucht ihr jetzt mich dafür?" 

„Wir brauchen deine Unterstützung. Du müsstest einmal für uns lügen", sprach Pfütze vorsichtig.

 Wind wich leicht zurück, er wusste nicht, was er davan halten sollte. „Sag bitte, in deinem alten Rudel gab es so einen ähnlichen Vorfall und der Alpha, der es dem Wolf verbat wieder anders zu heißen, starb in der darauffolgenden Nacht!", erklärte Pfütze weiter. 

Wind riss die Augen auf und bellte etwas entsetzt: „Ich soll so für einen Namen, für einen Namen lügen? Was fällt ein? Ich verstehe ja, dass ihr euch bei Narbe bedanken wollt und das ihr das mit seinem Namen ändern wollt, aber das? Ihr zieht mich da mit rein auf die kosten von mir, ganz sicher nicht!" 

Winds Nackenhaare stellten sich auf, als er das sagte. Er hatte bereits genug über sein Rudel gelogen. Er hatte allen erzählt, es wäre von Bären überfallen worden um nicht zu hinterfragt werden, warum er sein Zuhause verlassen hatte, diese Lüge genügte ihm. Das mit Narbe musste sich anders lösen lassen. 

Die Mienen der beiden verdunkelten sich. „Na gut, wenn du uns nicht helfen möchtest, kannst du wieder gehen, du kaltherziges Stück Beute!", knurrte Stein. Seine Narben wirkten bedrohlich und schienen ihn noch gefährlicher aussehen zu lassen, als er nicht schon war. 

Mit klopfendem Herzen machte Wind kehrt und trabte erschüttert zu Höhle, der neben dem Jägerbau schon auf ihn wartete. „Du siehst aufgewühlt aus, ist etwas passiert?", war das Erste was der braune Wolf zu ihm sagte. 

Wind schüttelte den Kopf. „Ich hab nur schlecht geschlafen." Das war zwar wahr, aber der eigentliche Grund war Pfütze mit ihrem Bruder Stein. Die beiden waren ihm eigentlich recht friedlich vorgekommen. 

„Ach so, dann lass uns jagen gehen, weißt du, ob sonst noch jemand mitmöchte?", antwortete Höhle. Wind meinte, dass Fluss sie gerne begleiten würde und die beiden Rüden holten die Wölfin. 

Zu dritt machten sie sich schließlich auf die Jagd. Wind versuchte während der Jagd, den Vorfall zu vergessen, aber er wollte nicht aus seinem Kopf. 

Warum waren die beiden so besessen darauf, Narbe zu helfen?

                                                                                            ***

Der Rest der Jagd verlief gewöhnlich, wobei Wind sich ein wenig mit Höhle anfreundete. Der braune Wolf kam ihm nett und offen vor, außerdem hatte er Wasser geliebt und somit wollte Wind mehr Kontakt mit Höhle, da er quasi seine Schwester geliebt hatte. 

Als die Sonne an ihrem höchsten Punkt stand kamen sie erfolgreich mit zwei jungen, erlegten Hasen zurück. Spitze kam als sie die Beute zu der Anderen legten auf die drei zu. 

„Wind, du entwickelst dich gut, Himmel möchte, dass du auch mit auf Grenzkontrollen kommst. Außerdem sollst du lernen Lehrlinge auszubilden. Jeder Jäger muss in der Lage sein, junge Wölfe auszubilden", sprach die Beta Wölfin. 

Wind nickte aufgeregt. Höhle und Fluss entfernten sich ein wenig, um die beiden in Ruhe sprechen zu lassen. „Himmel sagt, du sollst morgen noch vor dem Sonnenaufgang mit Stein gemeinsam Flink die erste Jagdlektion abhalten", erklärte sie ihm. 

Wind schluckte, als er den Namen „Stein" hörte. Sein Verhältnis zu dem dunkelgrauen Wolf war nicht gut, aber Wind neigte zur Bestätigung den Kopf. Er musste völliges Vertrauen und Loyalität zeigen, denn er war noch nicht einmal ein festes Mitglied dieses Rudels. 

„Natürlich", antwortete Wind. Erst jetzt fiel ihm die lange Narbe auf ihrer Schulter auf. Was diese Wölfin schon durchgemacht haben musste, war Wind aber nicht bewusst. 

„Wenn du dich morgen gut anstellst und auch die Grenzen bewachen kannst, wirst du endgültig aufgenommen, so sagte Himmel", bellte sie. 

Winds Pfoten kribbelten aufgeregt, er hoffte, dass er Alles schaffte, er wollte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn er versagte. 

Wolf Love - Der Weg zwischen Liebe und Leben ✔Where stories live. Discover now