44. Was ist mit Sophie?

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Während ich darüber nachdenke, was mit Sophie los sein könnte, merke ich, wie sich ihr Blick verändert. Von emotionslos verändert er sich zur Verwirrung. Ich denke, sie hat nicht damit gerechnet, dass ich so lange sitzen bleibe und warte, dass sie etwas tut. Vorsichtig nimmt sie ihre Kopfhörer ab und schaut mich fragend an.

„Was willst du?", fragt sie kritisch.

„Ich wollte mit dir sprechen. Du hast nichts dazu gesagt und bist einfach gegangen. Insgesamt sprichst du in letzter Zeit so wenig mit mir. Da mache ich mir Sorgen", erkläre ich.

„Klingt gut! Glückwunsch! Aber es betrifft mich ja nicht, da dachte ich, dass ich mal gehe. Und sonst? Naja, wir wohnen halt nicht mehr zusammen, bald noch nicht mal in einem Bundesland, da lässt die Kommunikation halt mal nach", erklärt Sophie schulterzuckend.

Überrascht schaue ich sie an. Mit so einer Antwort habe ich nicht gerechnet. Was mich am meisten verwirrt ist, dass sie vollkommen emotionslos spricht.

„Es ist doch vollkommen egal, ob wir zusammen wohnen oder nicht. Du bist meine kleine Schwester. Ich möchte immer wissen, wie es dir geht und was in deinem Leben passiert. Außerdem wirst du doch dann jetzt auch Tante."

Sophie nickt nur.

„Wie geht es dir denn? Ist irgendwas passiert?", frage ich weiter. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit ihr umgehen soll. Soll ich weiterfragen? Oder wird sie dann nur sauer?

„Alles super. Ich würde jetzt gerne weiter meine Musik hören. Sag Bescheid, wenn wir losfahren!"

Bevor ich noch etwas erwidern kann, hat sie ihre Kopfhörer wieder aufgesetzt und die Musik laut aufgedreht. Geschockt schaue ich sie an.

Sophie war schon immer sehr stur. Wenn sie etwas wollte, hat sie alles zusammengeschrien. Als Kleinkind im Supermarkt und auch später Zuhause. Sie hat meinen Eltern viele graue Haare beschert. Deren Worte, nicht meine.

Aber wir haben sonst eigentlich seit Jahren eine gute Beziehung. Wir haben als Kinder viel zusammengespielt. Als wir Teenies waren, gab es hier Zuhause viel Zickenkrieg, aber seit ich ausgezogen bin, haben wir uns immer gut verstanden. Uns hat der Abstand gut getan. Wir haben nicht mehr so eng aufeinander gehockt und dadurch war ich immer Sophies Zufluchtsort, wenn sie Stress mit unseren Eltern hatte.

In so einer Stimmung habe ich sie also schon oft gesehen, aber es war nie wirklich gegen mich gerichtet. In genau solchen Situationen ist sie sonst zu mir gekommen und hat mit mir gesprochen oder bei Linda und mir übernachtet.

Da ich nicht weiß, was ich weitersagen soll, stehe ich auf und gehe aus dem Zimmer. Nachdem ich die Tür geschlossen habe, schlucke ich stark. Es verletzt mich, dass Sophie mich aus ihrem Leben ausschließt. Ich sehe, dass sie irgendwas bedrückt und das macht mich fertig. Ich straffe meine Schultern und kehre zurück in die Wirklichkeit. Sofort merke ich, dass ich die Stimmen von Ben und meinen Eltern höre.

Ich setze ein leichtes Lächeln auf und gehe ins Wohnzimmer. Ben erzählt gerade von der anstehenden Hochzeit von Tina und Leon.

"Und?", unterbricht meine Mama Ben als sich mich sieht. Mein Papa wirft Ben einen entschuldigenden Blick zu, dieser winkt nur ab. Ich denke, er ist so eine Neugier von seiner Mama gewöhnt.

"Wir haben zwar ein paar Worte gewechselt, aber wirklich geredet, haben wir nicht", sag ich schulterzuckend.

Sofort sehe ich, dass die Hoffnung aus meiner Mama weicht. Sie weiß, dass ich sonst Sophies Ansprechpartnerin war und dass wenn die beiden nichts erfahren konnten, ich es geschafft habe.

"Aber ich denke, dass es nur eine Phase ist. Es wird bestimmt bald besser. Bei ihr ändert sich einfach momentan viel. Sie fängt bald ihr letztes Schuljahr an, während Kyle jetzt schon Abitur macht" - wie auch immer man das mit so wenig Anwesenheit schafft - "und ich denke, es lässt sie auch nicht kalt, dass ich wegziehe", versuche ich meinen Eltern Mut zu machen. Vielleicht versuche ich auch mir damit Mut zu machen.

"Ja, wahrscheinlich hast du Recht", stimmt mein Papa mir zu. Ich bin mir fasst sicher, dass er das nur tut, um meiner Mama Mut zu machen.

Wir reden noch ein wenig über Sophie, aber wechseln dann auch bald wieder das Thema. Insgesamt verbringen wir noch einen schönen Abend bei meinen Eltern. Gegen neun Uhr entscheiden Ben und ich, dass wir fahren wollen.

"Ich geh Sophie Bescheid sagen", sage ich und gehe zu Sophies Zimmer, während die Anderen Richtung Wohnungstür gehen und Ben sich vermutlich die Schuhe anzieht.

Ich klopfe an Sophies Tür, aber wieder kommt keine Reaktion. Ich öffne die Tür wieder vorsichtig. Sophie liegt auf dem Bauch und scrollt auf ihrem Handy, die Kopfhörer hat sie nach wie vor auf den Ohren. Kurz wirft sie mir einen Blick zu und zieht die Augenbrauen hoch.

Auffordernd sehe ich sie an, weshalb sie die Kopfhörer abnimmt.

"Wir wollen jetzt fahren, kommst du mit?", frage ich sie. Sie nickt und steht auf. Die Kopfhörer setzt sie wieder auf, nimmt eine Tasche und geht ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen an mir vorbei aus dem Zimmer. Ich seufze und folge ihr dann. Im Flur ziehe ich meine Schuhe und meine Jacke an.

Dann nehme ich erst meinen Papa und dann meine Mama in den Arm. "Ich hab dich lieb, Schatz. Und es tut mir leid, dass ich so kritisch mit dir bin. Ich bin stolz auf dich und die junge Frau, die du geworden bist!", sagt meine Mama leise zu mir und zieht mich fester in ihre Arme.

"Ich hab dich auch lieb!", erwidere ich und merke wie meine Tränen mal wieder feucht werden. Die Schwangerschaft macht es mir nicht leichter. Und ich bin sowieso so emotional. Ich versuche die Tränen wegzuwischen, aber meine Mama hat sie gesehen und muss grinsen: "Gib es auf, als ich schwanger war, hab ich auch nur rumgeheult. Vollkommen egal, was war."

"Oh ja! Es war auch vollkommen egal wo. Einmal hat sie einfach im Supermarkt angefangen zu weinen, weil wir eine Tiefkühlpizza gekauft haben und es die letzte war. Sie hatte Sorgen, dass gleich jemand kommt, der auch genau diese Pizza möchte und die dann nicht mehr bekommt!", erzählt mein Papa, was uns alle zum Lachen bringt.

"Und wann hat das wieder nachgelassen?", frage ich leicht hoffnungsvoll.

"Soll ich dir Hoffnung machen oder die Wahrheit sagen?", fragt meine Mama entschuldigend, was mich schon ahnen lässt, was die Antwort ist.

"Bei mir hat es erst ein paar Wochen nach der Geburt wieder aufgehört, wobei es tatsächlich am Anfang und ganz am Ende am stärksten war."

"Ich kann nur sagen, Ben, viel Erfolg!", mischt mein Papa sich wieder ein, was uns zum Lachen bringt.

"Ach, und wenn sie noch etwas mehr nach ihrer Mama kommt, hab immer Gewürzgurken dabei. Also wirklich dabei. Egal wo ihr seid!" Wieder lachen wir alle. Also alle, außer Sophie. Sie hat die Kopfhörer auf den Ohren und tippt wild darauf herum.

Dann verabschieden wir uns nochmal und gehen aus der Wohnung.

My One And Only FootballstarWhere stories live. Discover now