Kapitel 8. 3

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Verwundert blickte ich ihm nach, während er sich ans Feuer setzte und ungerührt das gebratene Fleisch verschlang. Vermutlich war das eine Ranggeschichte innerhalb des Rudels. Interessant. Seine Antwort war zwar höfflich gewesen, seine Stimme verriet jedoch sein Missfallen. Es klang sogar eine Spur angriffslustig, was diesen Tayte-us knurren ließ. Sofort senkte Rojomus den Kopf, wie in einer unterwürfigen Geste, und beide Männer entspannten sich, als wäre damit alles geklärt. Mein Verdacht nach der Befehlskette hatte sich bestätigt.

Schweigen fiel über unser Abendessen, Biss für Biss. Es waren nur die Tiere des Waldes, Vögel oder anderes Geraschel sowie das Knacken des Feuers zu hören. Schließlich stand Taytearius auf, nachdem er Rojomus angewiesen hatte alles vorzubereiten, ging an mir vorbei und hob Soulin wortlos auf. Gleichzeitig packte Rojomus die anderen Toten und ging fort.

„Was? Was machst du mit ihr? Und den anderen? Lasst sie in Frieden."

„Genau das habe ich vor. Warte hier."

Mit diesen Worten verschwand er ebenfalls, Soulins Körper über seine Schulter gelegt wie eine leichte Stoffpuppe. Ich versuchte mit den gefesselten Händen und Beinen aufzustehen, doch ich schaffte es nicht. Verfluchter Scheiterhaufen! In dieser Zeit war Taytearius die Böschung hinab und außer Sichtweite gestiegen. Mein Puls beschleunigte sich und ich robbte ihm im feuchten Schlamm hinterher. Langsam wie eine Schildkröte, aber zumindest kam ich voran, während ich mich weiter wand wie ein Wurm auf dem Boden. Dabei rutschte ich teilweise über die Blut durchtränkte Erde, die nur auf meinen Fingern und der schwarzen Hose Flecken hinterließ. Dem MagMan konnte diese Tortur nichts anhaben. Der Rest von mir stank vermutlich und triefte vor Dreck und Blut.

„Warum musst du ständig derart herumzappeln?", brummte der dunkle Wolf mich missbilligend von oben herab an. „Du solltest nur einen verfluchten Moment warten."

„Warum sollte ich auf dich hören? Du bist der Feind."

„Trotzdem lebst du noch und hast zu essen bekommen", stellte er fest, nachdem er sich gebückt hatte und mich an einem Oberarm hochzog.

„Wenn du glaubst, durch diese Show Informationen aus mir heraus zu locken, hast du dich geschnitten. Sobald ich kann, bring ich euch um oder verschwinde, je nachdem was zuerst eintritt", zischte ich kopflos und biss mir erst auf die Lippen, sobald ich meine rasenden Gedanken laut ausgesprochen hatte. Ich Idiotin!

„Zumindest bist du ehrlich, Hexe."

Mit festem Griff, der schmerzhaft in meinen Oberarm drückte, zog er mich stolpernd die Böschung hinunter, wobei ich mir vorkam wie ein ungeschicktes Kind, das gerade laufen lernte. Ohne Pause schleifte er mich einen Weg entlang Richtung Fluss, bis wir an einem aufgestapelten Haufen Äste anhielten. Darauf lagen dicht aneinander gereiht die Toten. Soulins Körper lag am äußeren Rand, sodass ich sie auf Augenhöhe sehen konnte. Sie hatten einen Scheiterhaufen gebaut, um alle Hexen, ihre Feinde, richtig zu bestatten. Diese Ehrenhaftigkeit hätte ich ihnen nicht zugetraut und ich verstummte von Gefühlen überwältigt. Taytearius ließ meinen Arm los und griff nach einer Fackel, die Rojomus ihm reichte. Dann kam Rojomus auf mich zu und schnappte sich das lose Ende meines Seiles, trat hinter mich und wartete neben mir, als ob er mich bewachte. Vielleicht hatten sie Angst, dass ich mich in die Flammen warf, um ihnen zu entkommen. Was nach meiner Aktion mit der Zyanid-Kapsel nicht so abwegig erschien. Inzwischen marschierte Taytearius wortlos mit der Fackel auf die Holzkonstruktion zu und entzündete sie an drei Stellen. Nach wenigen Minuten brannte beinahe der ganze Haufen und das Feuer erreichte meine verlorene Truppe. Automatisch trat ich einen Schritt näher, doch sofort straffte sich das Seil und ich wurde zurückgehalten.

„Denk nicht mal dran, Kleine", warnte mich Blondie mit schmeichelhafter Stimme von hinten. Kleine hasste ich noch mehr als die Beschimpfung Hexe. Ich verkniff mir ein ‚Arschloch' und konzentrierte mich auf die Toten, um sie zu Ehren und ihnen zu gedenken. Der Gestank nach Rauch und verbranntem Fleisch kratzte in meiner Nase und ließ mich beinahe würgen. In diesem Moment bereute ich es, vorhin gegessen zu haben. Als das Feuer lichterloh brannte traten mir schließlich still und heimlich stumme Tränen in die Augen, während ich mich mit den Worten „Gesegnet seist du unter der Magie der Mutter" von ihnen verabschiedete. Dann starrte ich wieder in das Feuer, das die traurige Nacht erhellte. Gleichzeitig bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie Taytearius zuckend von dem Feuer zurückwich, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht. Er wandte sich ab und ging an mir vorbei. Rasch griff ich mit den gefesselten Händen nach seinem Unterarm, was ihn knurren ließ. Ein wütendes blaues und grünes Auge starrten mich an, jedoch war er wie gewünscht stehen geblieben. Trotz der Urangst, die bei seinem Blick in mir hochkroch, fand ich meine Stimme, die gefasster klang, als ich mich fühlte. „Danke."

Das war alles. Ich hatte es gesagt, ich hatte dem Wolf gedankt - konnte mich bitte jemand zu einer Heiligen erklären?! Oder mich erschießen, je nachdem. Mir war klar, dass sie die Toten ihrer Feinde einfach hätten liegen lassen können, damit sich die Tiere des Waldes an ihnen vergingen. Ich mochte nicht an den toten Werwolf aus unserer Prüfung denken oder was aus seiner Leiche geworden war. Hatten die Hexen ihn bestattet, ihn begraben, vielleicht verbrannt, oder einfach in einem Müllcontainer entsorgt? Es würde zur pragmatischen Verhaltensweise unserer Hexengesellschaft passen. Bei dem Gedanken schauderte es mich. Hier war es anders. Meiner vorgefassten Meinung zum Trotz hatten die Werwölfe Mitgefühl gezeigt. Etwas, das ich ihnen vor einem halben Tag nie zugestanden hätte. Das ‚Danke' lag einen Moment schwer wie ein Felsbrocken zwischen uns. Dann neigte er den Kopf und in seinen Augen stand anstelle von Wut nun so viel Hass, dass ich zurückwich.

„Interpretier nicht zu viel rein, Hexe. Nur weil wir die Toten bestatten."

Die Andeutung eines Knurrens lag in seiner tiefen Stimme. „Von mir aus könntet ihr Hexen alle im Feuer verbrennen, tot oder lebendig."

Die Worte waren wie ein Faustschlag in den Magen. Sein Hass entzündete meinen erneut und ich musste an mich halten, um nicht etwas idiotisch und vollkommen Sinnloses zu tun. Wie mit gefesselten Händen seine Augen auskratzen, ihm ins Gesicht zu spuken oder auf seine Füße treten. Daher rief ich ihm giftig hinterher: „Warum lässt ihr mich dann am Leben? Schmeißt mich einfach in das verdammte Feuer!"

Kurz drehte er sich auf den Weg zurück zum Lager um. „Zu gerne, aber wir werden dich zu unserem Vorgesetzten bringen. Er entscheidet dann, was mit dir passiert."

An Rojomus gewandt, befahl er: „Steck ihr wieder den Knebel in den Mund. Ich habe genug gehört."

Der weiße Wolf lachte und tat wie ihm geheißen. „Wem sagst du das. Frauen sind ruhig gestellt immer am besten. Egal, was man ihnen dafür in den Mund stecken muss."

Dabei betrachtete er mich anzüglich und seine Worte bereiteten mir eine Gänsehaut, da klar war, was er damit meinte. Widerling.

„Rojomus, sie wird nicht angerührt. Verstanden!"

„Ja, ja. Natürlich. Zuerst bekommt Salazar die Kriegsbeute, dann sehen wir weiter."

In mein Ohr flüsterte er: „Nicht wahr, Täubchen. Wir werden schon noch unseren Spaß haben."

Da ich ihm meine Schimpfwörter nicht an den Kopf werfen konnte, stieg ich ihm rasch auf das Bein und zog beinahe gleichzeitig das andere Knie hoch, um es ihm in den Schritt zu rammen, wobei er aufjohlte. Beinahe hätte ich gelacht, während ich innerlich triumphierte, da ich es dem schäbigen Wolf gezeigt hatte. Doch dann hob er so schnell und rasend vor Wut die Faust, dass einige Sekunden später ein Schlag gegen die Schläfe meine Lichter ausgehen ließ.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 07, 2022 ⏰

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