Kapitel 3. 2

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Wir marschierten ungefähr fünf Minuten in südwestliche Richtung, bis ich von weitem Rauch erkannte, der über den Baumwipfeln aufstieg. Außerdem lag der unverkennbare Geruch nach verbrannten Holz, Plastik und Gegrilltem in der Luft. Doch anstatt dabei Hunger zu verspüren, drehte sich mir der Magen um.

„Was denkst du, ist das?", flüsterte Soulin dicht hinter mir.

„Keine Ahnung, sicherlich keine Grillparty, aber wir werden es bald herausfinden."

Einige Minuten gingen wir in diese Richtung weiter, die uns näher an den Rauch und den stärker werdenden Gestank heranbrachte. Bevor wir jedoch zu einem Feuer kamen, querte ein breiter, reißender Fluss unseren Weg. Zur Sicherheit kontrollierte ich noch einmal die Koordinaten und den Kompass, bevor ich mich an meine Partnerin wandte.

„Verdammt. Wir müssen dort rüber. War logisch."

Ein Seufzen entrang sich Soulins Lippen. „Ich habe es geahnt."

Nachdenklich sah ich mich, ob irgendwo ein Floss oder ein Boot herum lag. Hoffen durfte man ja noch, aber Fehlanzeige. Schwimmen war ebenfalls nicht drin. Die Strömung würde mich wohl erst am Ende der Halle ausspucken, wenn ich gegen das Blech knallte. Mein Blick verweilte an den hohen Bäumen. Soulin stellte sich so dicht neben mich, wodurch sie meine Schulter streifte. Sofort fühlte ich mich besser.

„Wir könnten den Fluss teilen."

„Du kannst das vielleicht. Meine Magie reicht dafür bei weitem nicht aus", gab ich zu bedenken. „Aber wir könnten über die Bäume klettern und von einer Baumkrone zur anderen über den Fluss springen."

Die Tannen und Buchen waren tatsächlich so hoch und oben breit, dass sie sich teilweise über den Fluss zusammen neigten. Es könnte klappen. Also eventuell. Soulin schüttelte den Kopf. „Genau, und uns dabei den Hals brechen. Auf keinen Fall. Ich bin dafür, den Weg durch den Fluss zu nehmen. Das habe ich schon mal gemacht."

„Das war ein kleiner Bach und kein reißender Fluss."

Ihre Hand griff nach meiner und Soulins Finger schlossen sich fest um meine. „Seitdem bin ich stärker geworden. Gemeinsam schaffen wir das."

Mit der freien Hand zeigte ich auf eine hohe Tanne links von uns. „Oder wir lassen den Baum über den Fluss fallen. Dann haben wir eine Brücke."

Meine Freundin kniff nachdenklich die Augen zusammen. „Ist das nicht zu laut?"

„Nicht, wenn wir ihn auf die anderen zwei Bäume fallen lassen, die seinen Aufprall abfedern." Mit dem Kinn deutete ich auf die besagten Opfer meines Planes. „Zwar müssen wir dann ein wenig klettern, aber das schaffen wir."

Nach einem kurzen Zögern nickte meine Partnerin. Damit waren wir wieder im Rennen und ich grinste begeistert. „Sehr gut, dann lass uns anfangen."

Gemeinsam eilten wir auf die Tanne zu, dann bewegten wir unsere Finger gemeinsam mit dem passenden Zauberton in Richtung des unteren Stammes. Ein Knirschen ertönte, im nächsten Moment wackelte der riesige Baum und Soulin und ich drehten die Hände mit einer anderen Fingerstellung, um den Zauberton für Beherrschung des Windes zu singen. Obwohl ich bei diesem Part so gut wie danebenstehen und zuschauen könnte. Ich hatte fast kein Talent für Luft und Wind. Hexenkräfte wirkten immer auf die Elemente und die Natur, wie Erde, Luft, Feuer, Wasser oder eben auch Stein, Holz, Metall. Wir konnten nicht einfach etwas aus dem Nichts erschaffen, wie Geld oder andere Gegenstände, jedoch Regen oder Feuer und so weiter, wenn man die entsprechende Magie besaß. Aus diesem Grund hatte ich heute Morgen auch das Fenster entriegeln können, weil es aus Holz bestand. Oder wie ich Nyles Zauber ohne Probleme öffnen konnte, da es Zauberpapier war und Papier stammt von Holz ab. Es war gemeinsam mit Wasser die einzigen Elemente, zu denen ich magische Talente besaß. Ich weiß, als Hexe machte ich mit meinen magischen Fähigkeiten nicht viel her, deshalb trainierte ich in den anderen Disziplinen umso härter. Soulin hingegen beherrschte so gut wie alle vier Elemente sowie Holz, Glas und Metall, was ziemlich bewundernswert war. Deshalb war es gemeinsam mit ihr kein Problem, die Tanne luftig leicht auf die anderen beiden Buchen abzuladen. Als wir fertig waren und sich der Wind gelegt hatte, strich sich Soulin eine Haarsträhne aus den Augen. „Hat tatsächlich funktioniert, gute Idee."

„Was dachtest du denn?" Ich feixte in ihre Richtung und hüpfte leichtfüßig auf den umgefallenen Baumstamm. „Ich bin bekannt für meine guten Ideen."

„Die manchmal genauso ziemlich in die Hose gehen."

„Ich habe nie etwas anderes behauptet." Grinsend hielt ich ihr die Hand entgegen, um Soulin auf den Baum zu helfen, die mir zulächelte, während sie zu mir hochkletterte. „Aber das war eine von den guten. Danke, Fain."

Anschließend beeilten wir uns in leichter schräge nach oben über die Tanne. Sobald wir über den reißenden Fluss waren, kletterten wir über die zwei Buchen Richtung Boden. Soulin rutschte vorsichtig an dem Stamm der Buche hinunter, indessen hatte ich mich bereits über einen Ast nach unten gehängt, den ich gerade losließ, um mich auf das dichte Gras fallen zu lassen. Sobald ich aus der Hocke hochkam, konzentrierte ich mich auf den Kompass und den Weg, der vor uns lag. In der Zwischenzeit war das Feuer, das gebrannt haben musste, vermutlich ausgegangen, da nur noch ein dünner Rauchfaden zwischen den Wipfeln zu sehen war. Keine Ahnung was das zu bedeuten hatte. Waren auch andere Prüflinge hier, die das Feuer bereits gelöscht hatten? Oder hatten das die Lehrhexen erledigt, die sich hier herumtrieben, um uns zum Testen auflauerten. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Gar kein gutes.

„Ich bin so weit", keuchte Soulin neben mir, die leicht ins Schwitzen geraten war. „Danke für's warten."

„Klar doch. Zu zweit macht es mehr Spaß. Ein Team... für immer und ewig."

„... für immer und ewig", beendete meine Freundin gleichzeitig mit mir den Satz. Kurz erlaubte ich mir ein Lächeln, dann deutete ich mit gerunzelter Miene auf den Rauch und in die gleiche Richtung, die wir einzuschlagen hatten.

„Da lang. Obgleich mir das alles nicht gefällt."

Bestätigend nickte Soulin, folgte mir aber widerstandslos weiter auf denRauch zu.

Witch of the WolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt