Kapitel 5. 3

8 3 0
                                    


„Nun komm schon Fain, lass uns feiern, als gäbe es keine morgen! Trink einen auf uns", grölte Lexlain neben mir, die mich mit dem Ellbogen anstieß, gefolgt von einem beschwipsten Lachen, das Soulin und selbst mich ansteckte. Augen verdrehend grinste ich breit und stieß mit ihr, Soulin und den anderen zwei Mädchen - Salie und Zora - an, die bei uns auf der dicken Picknickdecke und den flauschig weichen Sitzsäcken saßen.

„Als gäbe es keinen Morgen", wiederholte ich Lexlains Worte und die anderen stimmten mit ein. Würzige Süße explodierte auf meiner Zunge, sobald die warme Flüssigkeit meinen Mund berührte. Der aromatisierte, perlende Ciderpunsch schmeckte köstlich und hinterließ ein warmes, kribbelndes Gefühl in meinen Armen, Magen und Beinen, das sich beinahe wie ein Kitzeln anfühlte und mich laut zum Lachen brachte. So leicht, so unbeschwert machte das Getränk einen, hüllte uns ein wie eine angenehme Blase, in der man sich geborgen, geschützt und ja, unglaublich witzig fand. Sofort stimmten die anderen Hexen mit ein und wirkten aufgeregt und voller Leben.

„So ist es richtig, Mädels. Wohoo", kreischte Lexlain erneut, strich sich ihr schwarz und weiß gesträhntes Haar zurück und kicherte hysterisch, ähnlich einer verrückt gewordenen Hyäne, vor der man eigentlich Angst haben sollte. Nun gut, verrückt war Lexlain tatsächlich ein wenig. Dazu benötigte sie keinen Cider, der nur zu seltenen Anlässen ausgeschenkt wurde. Wie heute. Und heute hatte ich es mehr als verdient, denn es war ein langer Tag gewesen.

Nach dem Besuch bei General Obera war ich den zehnminütigen Gehweg durch den groß angelegten Park, der das weiße Haus Salem mit der Hexenakademie verband, mit Grübeln beschäftigt gewesen. Zu viele Dinge waren mir durch den Kopf gegangen, bis ich beim Ankommen beinahe schwindelig gewesen war. Danach hatte ich keine Zeit mehr dafür gehabt, da ich mich hatte umziehen und für die Abschlussfeier fertig machen müssen. Der offizielle Teil mit der Überreichung der Urkunde und des MagMans war seit drei Stunden zu Ende und eine ausgelassene Feier hatte begonnen. Jeder Anwesende hatte längst den schicken Zwirn gegen luftige Kleider gewechselt und die offenen Haare flatternd im lauwarmen Wind des Spätsommers.

Überall auf der Wiese lagen weiche Picknickdecken mit mehreren, bunten Sitzkissen darauf verstreut, auf denen sich zu Grüppchen Hexen niedergelassen hatten, um den Abschluss der neuen Hexen zu feiern. Das Gefühl von Gemeinschaft, von einer euphorischen Zuversicht erfüllte das gesamte Gelände. Es vibrierte beinahe davon und steckte jeden Anwesenden an. Was kein Wunder war bei dem dekadent köstlichen Essen auf den Buffettischen am Rand der Wiese oder dem üppig ausgeschenkten warmen Ciderpunsches, der jedem die Stimmung erhellte. Zusätzlich schwang rhythmische Musik durch die Luft und ließ einige Hexen bereits jetzt zwischen den Sitzplätzen und den Feuerschalen, die Wärme und Licht spendeten, tanzen. Sogar die Bäume waren geschmückt worden und verströmten durch bunte Lichterketten ihr gelbes, rotes, blaues oder violettes Licht. Und überall um uns herum erfüllte die Magie die Nacht. Magischer Wind strich durch die Blätter und Blumen, wie durch unser Haar und die Kleider. Über den Feuerschalen tanzten die Flammen geformt zu Figuren in zauberhafter Synchronität, als wären sie zu einem Tanzpaar lebendig geworden. Einzelne Wassertropfen schwangen durch die Luft, in denen sich das Licht wie in einem Regenbogen brach und dadurch aussahen wie unzählige bunt schillernde Glühwürmchen. Es war traumhaft.

Der Abend erinnerte mich an früher an unsere Walpurgisnachtfeste gemeinsam mit Mum. Das war der einzige Wehrmutstropfen heute: das Mum nicht mehr hier sein konnte, oder Nyle. Ansonsten waren die Stimmung und der Abend perfekt. Ich schwelgte in dem Gefühl und liebte die Düfte, die Geräusche, die auf mich einprasselten, umgeben von meinen Freundinnen. Sogar Clerise hatte mir vorhin zugenickt, ohne mir eine spitze Bemerkung entgegenzuschleudern. Auf jeden hier wirkte dieser Abend reinigend und gemeinschaftsbildend.

Selbst die Lehrerinnen und Ausbildnerinnen trugen Kleider oder legere Hosen ohne Rangabzeichen. Bereits mehrere Ausbildnerinnen saßen lachend zusammen oder tanzten zur Musik aus Flöten und Trommeln in fließenden Kleidern. Auch Oberhexe Xana stand drüben bei den Büffettischen, die steifste Person auf dem ganzen Gelände, und lachte sich schlapp. Ihr Haar lag wie eine smaragdgrüne Kaskade über ihren Rücken, während sie sich vor Lachen den Bauch hielt über etwas das Sergeant Glosna zu ihr gesagt hatte. Beide trugen ebenfalls dünne, leichte Kleider, die bis zu den Knöcheln reichten und leicht im Wind schwangen. Trotz des Alkohols in meinem Blut und der Feierstimmung um mich herum, kniff ich die Augen zusammen, um Glosna besser sehen zu können. Ich hatte gehört, dass Sergeant Glosna unsere Mission morgen anführen würde, daher war ich neugierig, wie sie so drauf war, da wir sie nie als Lehrerin gehabt hatten. Sie war Soldatin im aktiven Dienst und hatte den Ruf noch härter zu sein als Oberhexe Xana. Das sagte einiges aus. In diesem Moment wirkte sie nicht hart auf mich, sondern weich wie alle anderen hier. Entspannt, amüsiert und überhaupt nicht angsteinflößend.

Eine dunkelbraune Hand schnippte vor meinem Gesicht und sofort wurde meine Aufmerksamkeit von Lexlain wieder auf meine Gesellschaft gelegt. Ein neu befüllter Becher wurde mir von Zora gereicht, während die anderen bereits einen Trinkspruch nach dem anderen zum Besten gaben. Einer witziger als der andere, die uns prustend zum Lachen brachten. Auf jeden stießen wir an, tranken aus und es ging weiter. Das heute würde noch eine lange Nacht werden. Und hingegen General Oberas Ratschlag würden Soulin und ich uns nicht davor drücken können mitzufeiern. Ich schluckte das schlechte Gewissen deswegen gemeinsam mit dem nächsten Schluck hinunter. Dann zogen Soulin und Lexlain an meinen Händen und gemeinsam mit den anderen bewegten wir uns zur Musik. Wir drehten uns, tanzten und lachten. Mein Kopf war frei, süße Aromen klebten auf meiner Zunge, meine Haut glühte beinahe wie im Fieber. An meinen Händen hielt ich meine lachenden und tanzenden Freunde, die mich herumwirbelten. Ich ließ mich in diesen geborgenen Moment fallen wie in eine warme Decke und ergab mich dem Augenblick. Wir lebten jetzt. Wir feierten, wie es nur Hexen konnten und zelebrierten die Gemeinschaft. Morgen würde noch früh genug kommen.

~☆~

Witch of the WolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt