Kapitel 2. 1

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Es bestand aus einem Außenbereich für alle möglichen, sportlichen Betätigungen, sowie aus mehreren Hallen. Eine war für das Trainieren für Einsätze im Wasser. Eine andere beherbergte jegliche denkbaren Waffen, bis auf normale Schusswaffe, da diese dummerweise mit unseren Hexenkräften nicht funktionierten. Obwohl, so ganz stimmte das nicht. Die magische Energie in uns lösten zu neunzig Prozent gesicherte Waffen aus, als würde eine geisterhafte Hand den Abzug betätigen. Es war daher zu gefährlich, Waffen in der Nähe zu haben, die einen viel zu schnell selbst oder Kameradinnen verletzen konnten. Bei Sprengstoff war es genauso. Wie bei Mobiltelefonen oder W-Lane-Verbindungen, wenn wir schon dabei waren. Die Magie in uns störte die Signale, weshalb wir an die alten Telefone und Computer mit festen Leitungen gebunden waren. Manchmal beneidete ich die normalen Menschen um diese Freiheit, immer und überall Telefonieren oder Surfen zu können, ohne vorher einen bestimmten Ort oder die Bibliothek mit den Computern aufsuchen zu müssen. Erst vor wenigen Tagen war eine neue Putzhilfe in meinem Zimmer gewesen und hatte während des Fensterputzens an ihrem Handy telefoniert, als ich hereingekommen war. Zuerst hatte sie mich gar nicht bemerkt, weil sie mit dem Rücken zu mir gestanden war, aber sobald ich wenige Schritte von ihr entfernt gewesen war, starrte sie auf ihr Handy, weil plötzlich nur noch ein Rauschen zu hören gewesen war. Erst da hatte sie mich bemerkt, sich bei mir entschuldigt und war den Kopf einziehend so schnell abgerauscht, dass ich überrumpelt mit einem halbgeputzten Fenster allein zurückgeblieben war. Aber nicht nur das, ich hatte sie fragen wollen, wo unsere Haushelferin Grace war, die normalerweise für unser Zimmer zuständig war. Zuerst war Grace genauso eingeschüchtert von uns Hexen gewesen, wie diese neue Helferin. Doch meine beharrlichen Gesprächsversuche hatten uns irgendwann zu Freundinnen werden lassen. Und plötzlich war es mir wieder eingefallen. Grace hatte sich Urlaub genommen für die Vorbereitung ihrer Hochzeit. Sofort war meine Verwunderung einem Lächeln gewichen, obwohl mir der Gedanke zu heiraten abwegig vorkam. Auf ewig mit nur einem Mann zusammen sein, besonders in so jungem Alter? – Grace war knapp zwei Jahre älter als wir – bei der Vorstellung hatte es mich geschüttelt.

Aber jedem das seine. Menschen heirateten, hatten W-Lan und Handies, das war unser Preis für die Magie in uns. Jeder musste etwas geben und jede Sache hatte gute wie auch schlechte Aspekte. Schusswaffen, Sprengstoff, Handy gegen Magie und Zauberei, die Menschen retten konnte. Da entschied ich mich gerne für Zweiteres.

Aus diesem Grund setzen wir entweder auf scharfe Klingen, Pfeile, oder eben auf die gute alte Hexenkraft. Wo wir bei Halle Nummer drei wären. Dort hatten wir eindeutig die meiste Zeit unserer letzten fünf Jahre verbracht. Jegliche Zaubertöne, magische Angriffe, Kräuterkunde und die kleinen Zaubertricks hatten wir dort ausgiebig studiert. Sie war eine der größten Hallen am Gelände und ein gigantischer grauer Komplex dessen Ende man von hier aus nicht einmal sehen konnte. Doch noch größer war eine schwarze Halle ein Stück weiter entfernt. Sie war ausschließlich für die Prüfungen vorgesehen und bis heute hatten wir Prüflinge keinen Fuß in diese Halle gesteckt. Leichte Nervosität, aber auch freudige Erwartung machten sich in mir breit, als unser Zug zum Stillstand kam und wir uns gleichzeitig zu Hexe Xana herumdrehten. Ihr Gesicht war in das Licht der Morgendämmerung getaucht, und ihre zusammengekniffenen, blinzelnden Augen ließen ihre Miene noch grimmiger als üblich erscheinen.

„Prüflinge. Heute ist der Tag, an dem ihr euch beweisen werdet, um euch anschließend der Hexenarmee im Kampf gegen unsere Feinde anzuschließen. Setzt' jegliches Wissen, Zauber und Instinkt bei dem bevorstehenden Test ein."

„Als hätte ich etwas anderes vor und würde es lieber darauf anlegen, nicht zu bestehen", murmelte ich flüsternd.

„Dann muss man vielleicht nicht in den Krieg", gab Soulin leise zurück. Die Stimme klang unbekümmert, dennoch sträubten sich meine Haare. Es klang beinahe wie Ketzerei und ich warf einen kurzen Seitenblick auf Soulin, die starr geradeaus blickte und mich ignorierte, als hätte sie das eben nie gesagt. Ich wusste, dass sie ihre Schwester genauso sehr vermissen würde, wie ich Nyle, dennoch war es unser einziger Daseinszweck: zu kämpfen und die Menschen in unserem Land zu beschützen. Jemand musste diese Rolle übernehmen. Gemeinsam mit unseren Zauberkräften war diese Verantwortung uns zugefallen. Egal, welche Fähigkeiten man hatte, es gab immer irgendwo einen Platz und eine Aufgabe, die man erfüllen konnte. Als wäre es Gedankenübertragung, schenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder Hexe Xana, die ähnliches erzählte, und mit den Worten fortfuhr: „... aus diesem Grund, Anwärter, gibt es kein Versagen, kein Scheitern oder Durchfallen, wie es so salopp heißt. Jeder von euch wird auf die eine oder andere Weise das vorgegebene Ziel erreichen. Dementsprechend der Lösung wird euch euer Rang zugewiesen. Ich bin sicher, ihr werdet mich nicht enttäuschen."

Obwohl ihre Worte neutral betrachtet positiv waren, klangen sie doch irgendwie Unheil verkündend. Ich unterdrückte ein Schaudern, stattdessen strafte ich meine Schultern und sprach mir Mut zu. Es hatte alles seinen Sinn und seine Berechtigung. Erneut öffnete sie den Mund, dann runzelte sie die Stirn und schloss ihn wieder - was sie lustigerweise wie einen Fisch auf dem Trockenen aussehen ließ - als etwas ihre Aufmerksamkeit erregte. Mit schnellen Schritten näherte sich Hexe Puis, die Leiterin der Krankenstation. Hinter ihr folgte am Rockzipfel, was für eine Überraschung, Clerise. Das war wieder einmal typisch. Während Clerise mit hängenden Schultern neben Puis stehen blieb, redete die medizinische Leiterin leise auf Xana ein, die zwar die Augen noch enger zusammenkniff, schließlich aber seufzte und laut genug fragte, dass wir es auch hören könnten. „Na schön. Ist gut. Kann sie also trotz ihrer unpässlichen Erkrankung bei der Prüfung antreten?"

„Natürlich, natürlich", versicherte Puis rasch. „Deshalb bin ich mitgekommen, um ihre Situation zu erklären. Clerise wird uns stolz machen. Danke, Oberhexe Xana."

„Schon gut." Mit einer Handbewegung verscheuchte sie Hexe Puis, wobei es wirkte, als wäre diese keine gleichgestellte Kollegin, sondern eine lästige Fliege. Anschließend bedeutete sie Clerise, sich unseren Reihen anzuschließen, würdigte sie dabei aber keines Blickes. Weshalb Clerise ihre Dankesbekundungen nach einem kurzen ‚Danke' gleich wieder sein ließ, mir einen schnellen, bösen Blick zuwarf - als wäre das alles meine Schuld - und sich dann neben ihre Partnerin in die Reihe stellte. Ich musste mir fest auf die Lippen beißen müssen, um ihr nicht die Zunge zu zeigen. Sie wäre genauso ohne mein Erscheinen an ihrem Fenster zu spät gewesen. Außerdem hätte sie sich ebenso wie ich unter die Gruppe schleichen können. Obwohl, wir sprechen hier von Clerise, die immer den glatteren Weg wählte. Kein Wunder, dass sie für eine Entschuldigung zur Krankenstation gelaufen war. Zumal zufälligerweise ihre Tante Osana die zweite Hand von Oberhexe Puis war. Das alles war aber nicht mein Problem, sondern die bevorstehende Prüfung, wie uns Xana die Aufgabenstellung im Moment schilderte. „Ihr werdet in diese Halle je nach Teamzusammenstellung reingehen. Dort erwartet euch eine Aufgabe, die ihr erst im Prüfungsgelände erfährt. Sobald ihr diese erfüllt habt, begebt ihr euch so rasch wie möglich zum Zielpunkt, denn obwohl ihr mit Bedacht, Kopf und Magie handeln sollt, gibt es zur Bewertung auch eine Zeitmessung. Also trödelt nicht. Gibt es dazu Fragen?"

Einhellig schüttelten wir die Köpfe. Nachfragen waren bei Oberhexe Xana nicht gerne gesehen. „Gut, dann los. Folgt mir."

Witch of the WolvesWhere stories live. Discover now