Perlenmeer

By SharonB

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Nancy Rivers ist ein ganz unspektakuläres Mädchen, das nicht viel von sich hält. Sie sammelt Perlen und liest... More

Perlenmeer
Perlenmeer Kapitel 03
Perlenmeer Kapitel 04
Perlenmeer Kapitel 05
Perlenmeer Kapitel 06
Perlenmeer Kapitel 07
Perlenmeer Kapitel 08
Perlenmeer Kapitel 09
Perlenmeer Kapitel 10
Perlenmeer Kapitel 11
Perlenmeer Kapitel 12
Perlenmeer Kapitel 13
Perlenmeer Kapitel 14
Perlenmeer Kapitel 15
Perlenmeer Kapitel 16
Perlenmeer Kapitel 17
Perlenmeer Kapitel 18
Perlenmeer Kapitel 19
Perlenmeer Kapitel 20
Schlusswort

Perlenmeer Kapitel 02

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By SharonB

Hallo meine Lieben! Ich weiss, es hat sehr lang gedauert und das tut mir leid. Aber ich war in den Studienwochen und hatte keine Zeit zum Updaten oder Schreiben. Auf jeden Fall ist das 2. Kapitel jetzt da und ich hoffe es gefällt euch! xoxo Sharon

,,Hallo! Bin wieder zu Hause“, rief ich, als ich im Eingang unseres Hauses stand. Irgendwo hatte jemand vergessen das Radio abzustellen. Ich ging in die Küche und hob den Deckel von der Pfanne, um zu sehen, was es zum Abendessen gab. Reis.

Ich stellte meine Tasche ab und ging in den oberen Stock.

Luca sprang mir entgegen und hielt sich an meinem Bein fest.

,,Oh hallo Luca. Was ist denn?“ Der kleine sechsjährige Junge war splitterfasernackt und klammerte sich an mir fest.

Meine Mutter kam mir entgegen, mit dem Shampoo in der Hand.

Sie seufzte.

,,Hallo, mein Liebes. Wie war’s in der Schule?“, fragte sie und kauerte sich zu meinem kleinen Bruder herab.

,,Du musst jetzt in die Wanne, Luca. Sonst wird das Wasser kalt!“

,,Neiiin!!“, rief der blonde Junge und sah zu mir auf.

Ich lächelte.

,,Die Schule war okay. Mami hat Recht, Luca. Du musst in die Wanne“, sagte ich und dann liess er mich los und rannte in sein Zimmer.

Ich grinste.

,,Soll ich übernehmen? Sonst brennt noch das Abendessen an“, bot ich an und meine Mutter nickte dankbar und gab mir das Shampoo.

,,Das ist also dein Zimmer?" Agnes trat zögernd herein und sah sich um.
Mein Zimmer hat eine sehr hohe Decke und die Wände sind lavendelblau gestrichen. Der Baldachin über meinem Bett ist weiss und lang, mein Schreibtisch aus dunklem Ebenholz ist ein Erbstück meiner Grossmutter und steht unter dem grossen Fenster mit dem altmodischen nicht isolierten geschwungenen Fensterrahmen. Agnes ging auf dem Parkettboden über zum langen Regal neben meinem Schreibtisch, das ebenfalls sehr altmodisch war.
,,Ich hab mir ja gedacht, dass du Bücher besitzt... aber so viele?" Sie drehte sich grinsend zu mir um und ich zuckte mit den Schultern.
,,Ich liebe Bücher", war meine einzige Antwort und trat dann an die grosse Schiebetür aus Glas um den Weg auf den Balkon frei zu machen.
Die Sonne schien hoch am Himmel aber es war trotzdem zu kalt um draussen zu sitzen und zu lernen. Dennoch aber tat uns die frische Luft gut.
,,Und deine Perlensammlung?", fragte mich Agnes plötzlich und verwundert sah ich sie an. Woher wusste sie davon? War Olivia so eine Schwätzerin oder...?
,,Ach… Yuri hat mit Vincent darüber gesprochen. Ich sitze neben ihnen in der Schule ", erklärte sie und ich nickte zögernd, fragte aber nicht weiter nach. Agnes überraschte mich immer und immer wieder…
So kniete ich mich auf den Boden und holte eine weisse lange Box unter meinem Bett hervor. Behutsam legte ich den Deckel ab und schob die offene Box in Agnes' Richtung.
,,Du bist eine der ersten, die sie sieht...'', bemerkte ich und schweigend kniete sie
sich neben mich auf den Boden.
,,Oh, das ist ja echt ein ganzes Meer an Perlen!", rief sie angenehm überrascht. Die ganze Box war über und über mit verschiedenen Glasperlen gefüllt und wirklich jede hatte eine Geschichte, eine Seele, eine tiefere Bedeutung für mich. Es war fast so, als ob ich Agnes mein Tagebuch zeigte, so persönlich war diese Sammlung.
,,Die sind echt schön!" Agnes langte nach einer und betrachtete sie vorsichtig. Es war eine runde türkisfarbene Glasperle.
,,Mein Andenken an Venedig. Es gab da einen sehr speziellen Bastelladen und da habe ich sie gefunden", erzählte ich lächelnd.

Es war nicht einfach Agnes von meinen Perlen wegzubekommen, doch die Pflicht rief. Der wahre Grund für den Agnes hergekommen war. Mathematiknachhilfe.
So setzten wir uns tatsächlich an den Tisch und lernten. Ich brachte ihr die wichtigsten Basics bei und liess sie Aufgaben lösen, bis wir uns zum eigentlichen Thema der nächsten Mathearbeit vorarbeiteten.
Ganze zwei Stunden hielten wir durch, bis wir abschweiften.
Wir holten uns in der Küche Orangensaft und setzten uns auf mein Bett.

,,Hm.. ehrlich gesagt weiss ich es nicht genau… Nur, dass Deborah fürchterlich in Yuri verknallt ist und nicht damit fertig wird, dass er wiederum in dich verschossen ist.''
,,Ah, echt? Es scheint mir, dass jeder von Yuris Gefühlen für mich weiss nur ich nicht… bis ich sein Skizzenbuch entdeckte auf jeden Fall..."
,,Du lebst auch echt in deiner eigenen Welt. Er posaunt ziemlich laut raus, dass du Seine bist und er jeden zur Strecke bringt, der auf dich aus ist!"
,,Was?! Im Ernst?"
,,Klar! Weisst du es macht Debs furchtbar fertig. Deshalb mag sie dich auch nicht so, nimm es nicht persönlich. Und Maya.. tut einfach alles was Debs tut und ich glaube sie fürchtet sich vor dir"
Ich lachte herzlich. Immer hatte ich gedacht Maya und Deborah mochten mich nicht, weil sie sich für was Besseres hielten... doch jetzt stellte sich heraus, dass sie sich sogar vor mir fürchteten.
Wir lästerten einwenigüber unsere Schulkollegen und erzählten von uns. Agnes verriet mir, dass sie kitschige Liebesfilme mochte und knallige Farben, das Universum bewunderte und fürs Leben gern sang.
Und dann irgendwann lümmelten wir auf dem Parkettboden meines Zimmers rum und ich las ihr das erste Kapitel von ''Der Zauberer von Oz'' vor.

,,Also dann. Danke für die Mathenachhilfe und für all die anderen tollen Sachen, die wir gemacht haben" Ich stand im Türrahmen und sah Agnes lächelnd nach. Der ganze Nachmittag war verstrichen und dunkel war es auch schon. Ich streckte mich und kehrte zurück ins Haus zurück.
,,Nancy, hast du was dagegen schnell zum 24 Stunden Supermarkt zu gehen und Eier und Milch zu kaufen?", meine Mutter kam aus der Küche und sah mich bittend an.
Ich seufzte und hätte am liebsten ganz frech erwidert, dass sie sich Eier und Milch sonst wohin stecken sollte, doch stattdessen nickte ich und nahm das mir hingestreckte Geld entgegen.

Ich schnappte mir mein Fahrrad und fuhr zum Supermarkt.
Mittlerweile war es stockdunkel und das, obwohl noch nicht mal ganz 6 Uhr war. Ich parkte mein Fahrrad und trat in den Laden ein. Hastig ging ich zu den Kühlregalen und nahm eine Flasche Milch.
,,Oh hallo!" Ich zuckte zusammen und drehte mich zu der Stimme um. Yuri Callaghan stand auf einmal neben mir und grinste breit.
,,Oh, hi Yuri'', erwiderte ich vorsichtig und klammerte mich an die Milch. Mir kam in den Sinn, dass ich ihm sein Skizzenbuch noch nicht zurück gegeben hatte.
,,Und? Machst du grossen Einkauf?", fragte er und trat von einem Fuss auf den anderen, strahlte mich an.
,,Nicht wirklich. Nur Eier und Milch für meine Mutter'', erwiderte ich und drehte mich weg um zu den Eiern zu gelangen.
Und natürlich folgte er mir. Wieso zum Teufel? Ich hatte ihn heute Mittag schlimm beleidigt und war weggerannt und trotzdem war er so freundlich...
,,Darf ich dich einladen? Auf ein Joghurt?", fragte er mich und zögernd sah ich ihn an. Woher wusste er, dass ich Joghurt mochte?
Und gab dann letztendlich doch nach. ,,Gut, wieso nicht''
Auf dem Weg zum Joghurtregal fragte ich ihn: ,,Bist du nicht wütend? Ich war heute Mittag nicht wirklich nett zu dir...“
,,Ach, sehr viele denken, ich sei ein ignoranter Idiot. Weil sie mich nicht kennen. Aber wenn sie mich kennen würden, so wüssten sie dass ich keiner bin. Deshalb bin ich nicht wütend. Du solltest eher wütend auf dich selber sein, weil du Menschen so schnell beurteilst", meinte er, mit einem recht frechen Unterton in der Stimme, und verwundert sah ich ihn an.
Und so sassen wir gleich darauf draussen auf dem Gehsteig und assen Joghurt. Er hatte sich ein Honigjoghurt genommen und ich eins mit Haselnuss.
Ich drehte mich etwas in seine Richtung und sah ihn neugierig an. Er trug weisse Stoffschuhe und eine rote Jacke mit weissem Reissverschluss. Darunter ein perlenweisses Shirt. Seine rabenschwarzen Haare waren kurz und zerzaust und gefielen mir irgendwie mit jedem Mal besser.
,,Darf ich mal was fragen, Yuri?", hörte ich mich auf einmal sagen und seine grauen hellen Augen erfassten mich.
,,Das Tattoo an deinem Hals... ''rechts'' wieso... ich meine, wie kommst du dazu… weil ich weiss ja dass es die rechte Seite deines Halses ist..." Es fiel mir nicht einfach die richtigen Worte zu finden.
Yuri grinste.
,,Weisst du, das Tattoo hat eigentlich eine grosse Bedeutung. Besser gesagt, es steckt eine ganze Philosophie dahinter...'', begann er und überrascht betrachtete ich ihn. Wie er lässig sein Joghurt ass und mich dabei musterte.
,,Für dich scheint es meine rechte Seite zu sein. Aus meiner Sicht aber ist das Tattoo links auftattoowiert, jenachdem in welcher Richtung man zu mir steht... ist das anders. Es ist nicht so wie es scheint. Für dich ist es die rechte Seite aber eigentlich... ist es doch die Linke'' Ich nickte vorsichtig, versuchte zu verstehen was er meinte.
,,Was ich damit meine ist...'' Er hielt inne und sah sich suchend um.
,,Zum Beispiel dein Joghurtbecher... das Einzige was uns beweist, dass der Yoghurtbecher so aussieht wie er aussieht, ist unser Tastsinn. Wer weiss ob man seinen Augen trauen kann? Vielleicht empfindest du die Farbe Blau so wie ich die Farbe Rot? Ameisen, Bienen, Hunde.. alle sehen die Farben anders, wieso also sollte die Welt in echt genau so aussehen, wie wir sie wahrnehmen? Es könnte ja sein, dass der Himmel violett ist und wir ihn nur blau sehen, weil unser Auge das so wahrnimmt..." Er legte seinen fertig ausgelöffelten Joghurtbecher neben sich auf den Gehsteig und sah mich eine Zeit lang schweigend an.
Ich nickte. Ich war extrem überrascht ab Yuri. Nie hätte ich gedacht, dass er über Philosophien der Aufklärungszeit nachdachte.
Ich nehme die Aussage, dass er in einer anderen Welt lebt als ich offiziell zurück.
,,Darüber habe ich mir auch mal Gedanken gemacht, ehrlich gesagt. Und als ich erfahren habe, dass es Menschen gibt, die wegen dieser Denkweise Selbstmord begangen haben, um endlich ''aufzuwachen'' weil sie die Welt „richtig“ sehen wollten, habe ich mich entschlossen, die Welt so zu geniessen wie sie mir vor Augen geführt wird'', so ich und Yuris Blick durchbohrte mich, forschend und irgendwie sah er erleichtert aus... Als ob sich das Bild, dass er sich von mir gemacht hatte, bewahrheitet hatte. Im guten Sinne.
Wir sprachen über Gott und die Welt. Nur über sein Skizzenbuch nicht. Ich sah es immer vor mir. Wie es auf meinem Schreibtisch liegt, entrissen worden von seinem Herrchen. Und es tat mir selbst weh, dass ich es noch nicht zurück gegeben hatte und jede Minute, die ich mit Yuri verbrachte, erinnerte mich daran, dass ich es ihm zurück geben wollte.

Am nächsten Tag hatte ich das Skizzenbuch dabei. In meiner Schultasche lag es und ich war extrem aufgeregt. Ob ich damit alles kaputt machen würde? Wenn Yuri wüsste, dass ich nun weiss, dass er mich während dem Unterricht abzeichnet, ob er dann nicht mehr so lässig mit mir Joghurt essen kann? Oder vielleicht würde es seine Ehre verletzen und er würde es mir übel nehmen, dass ich es mit nach Hause genommen und nicht einfach liegen gelassen habe? Ich seufzte tief und setzte mich an meinen Platz. Ich packte all das nötige Schulmaterial aus und wandte mich dann an Delaiah, der neben mir sass und mich ansah.

,,Was ist?“, fragte ich nervös.

,,Nichts. Du siehst nur so blass aus.“, meinte er und ich holte tief Luft.

,,Ist doch egal.“

,,Nein ist es nicht... Vielleicht wirst du krank!“, konterte er.

,,Seit wann interessiert es dich, ob es mir gut geht?!“, gab ich zurück und Delaiah verstummte.

Es klingelte und erleichtert drehte ich mich weg.

,,Darüber sprechen wir nach der Stunde“, sagte Delaiah noch, mit dunkler erregter Stimme und ich sagte nichts.

Langsam aber sicher ging es nicht mehr. Ich konnte nicht mehr so tun, als ob er mein bester Freund war. Denn er war es nicht. Er hatte mich hintergangen, mich verletzt und sich nicht darum geschert. Auch wenn er jetzt nett war. Ich wusste, dass er aus egoistischen Gründen handelte. Weil er auf einmal ein schlechtes Gewissen hatte und mich in seinem Alltag als Kumpel brauchte. Für Hausaufgaben, Aufmerksamkeit. Und Wohlbefinden: So zu tun als sei nichts zwischen uns vorgefallen.

Ich hatte viele viele Sorgen an dem Morgen.

1. Delaiah und das Gespräch, das er führen wollte.

2. Yuri’s Skizzenbuch und dessen Rückgabe an ihn.

3. Agnes hatte mich heute noch kein einziges Mal angesehen…

Und als es zur Pause klingelte, schluckte ich hart. Delaiah sah mich auffordernd an und ich konnte gar nicht anders, als ihm nach draussen zu folgen. Irgendwann musste man sich aussprechen, ich konnte es nicht länger heraus zögernd und das wäre auch gar nicht mein Recht.

,,Okay, also…“ Delaiah holte tief Luft und fuhr sich durch sein blondes Haar, während er seinen Blick auf seine Füsse richtete. Als ich mich auf die Mauer setzte, die das Schulareal definiert, sah er auf und betrachtete mich.

,,Was hast du? Was ist dein Problem?!“, fragte er schliesslich und sein bedauernder Gesichtsausdruck ging in Verständnislosigkeit über.

Ich biss mir auf die Lippen und formte die Worte in meinem Mund zurecht, so wie ich vor hatte, sie auf ihn loszulassen.

,,Wie kannst du nur so tun als wäre nichts gewesen?“, gab ich irgendwann zurück und irgendwie hatten die Wörter in meinem Kopf sanfter und weniger direkt geklungen, jetzt aber konnte ich nichts mehr daran ändern. Schweigend sah ich ihn an und wartete.

Delaiah nickte verstehend. Er hatte begriffen, weshalb ich mich so seltsam benahm.

,,Ich dachte, wir könnten sie retten“, erwiderte er und nun nickte ich.

,,Ich weiss, du dachtest wir könnten die Freundschaft retten… nach meinem Liebesgeständnis… aber…“ Ich wiederholte seine Worte, hauptsächlich um etwas Zeit zu gewinnen und fuhr dann fort, auch wenn es nicht sonderlich angenehm war, darüber zu sprechen.

,,Mir ist wie der Appetit vergangen, verstehst du? Nachdem du mir so kalt das Herz gebrochen hast und einfach aufgehört hast mit mir zu sprechen und das viele Wochen… weißt du wie es mir wehgetan hat? Ich kann unsere Freundschaft nicht mehr aufrechterhalten, nach all diesen Schmerzen, die du mir bereitet hast“, gab ich zu und meine Stimme ging in den aufkommenden Tränen immer mehr und mehr unter. Aber ich habe doch recht, nicht? Klar, ein Korb ist nicht angenehm, doch ich hätte damit leben können, wenn er mir ganz normal gesagt hätte, dass er nicht auf mich steht und dass es ihm sehr leid tut. Aber gleich so extrem? Mich stehen lassen und flüchten? Und dann einen ganzen Monat lang nicht mehr mit mir sprechen? Glaubt mir, es gibt kaum etwas Schmerzhafteres, wenn es um Liebe geht…

Meine Worte berührten Delaiah nicht wirklich. Er setzte sich neben mich und sagte:

,,Weißt du… ich wollte dich echt nicht verletzen oder so… ich war nur wütend! Dass du unsere Freundschaft für blöde Gefühlsdusseleien aufs Spiel gesetzt hast!“ Seine Stimme wurde lauter und ich verkrampfte mich.

,,Aber dann wären wir doch sowieso daran zerbrochen!“, gab ich genau so laut zurück.

,,Gar nicht wahr!“

,,Doch!“

,,Ich sag dir jetzt Mal was , Nancy!“ Seine Stimme bebte und er stand wieder auf, um mir genau gegenüber zu sein.

,,Vor genau zwei Jahren, da waren wir neu an dieser Schule, habe ich mich in dich verliebt. Und es hat mir unglaublich weh getan, weil du mich nur als Freund angesehen hast. Habe ich nun wegen solchen Gefühlen gleich die ganze Freundschaft in Gefahr gebracht? Nein! Verdammt, ich habe alles runtergeschluckt, weil es mir unendlich wichtig war, dass wir Freunde sind. Und…“ Er holte Luft, ,,als du dann gesagt hast, dass du mich liebst… weißt du wie es mir weh getan hat zu erfahren, dass du nicht die selben Schmerzen wie ich auf dich nehmen wolltest um unsere Freundschaft zu beschützen, sondern ganz egoistisch gehandelt hast?! Deswegen war ich wütend! Deswegen habe ich kein Wort mehr mit dir gesprochen! Und dann habe ich so gehofft, dass du mindestens nach diesem langen Schweigen erkennen würdest, dass du mich nicht verlieren willst und die Liebe einfach vergisst… aber nein! Stattdessen willst du uns beenden. Du bist egoistisch. Naiv. Kindisch. Rücksichtslos. Und viel zu kompliziert, Nancy Rivers!“

Und dann ging er. Das machte Delaiah immer. Gehen.

Ich konnte es nicht zurück halten. Ich musste weinen. Ab meiner eigenen Dummheit. Ab der Erkenntnis, dass Delaiah irgendwie recht hatte und deswegen, weil er mir trotzdem wahnsinnig weh gemacht hatte. Dass er mir mehr Schmerzen bereitet hatte, als nötig gewesen wäre. Es fiel mir nicht leicht, mich zusammenzureissen, doch mir blieb keine Wahl. Ich kehrte nach einem kurzen Besuch der Mädchentoilette zurück ins Klassenzimmer und versuchte zu meinem eigenen Schutz den wütenden Delaiah rechts von mir auszublenden so gut es ging.

Die Stunde erschien mir endlos und qualvoll. Immer wieder kam die Trauer in mir auf. Ich warf nun alles mir selber vor. Ich war Schuld an allem und das Beste war immer noch, dass ich durch meine eigene Schuld extrem gelitten hatte.

Und als mich der Lehrer aufrief und von mir verlangte eine Seite vorzulesen, war fast mein Herz aus Schock stehen geblieben. Und ich glaube, meine Klasse bemerkte, dass meine Stimme zitterte und dass es mir nicht gut ging. Das einzige Gute daran war, dass mich Agnes heute zum ersten Mal ansah.

Und dann, endlich, war es vorbei. Feierabend. Es klingelte und alle packten ihr Zeug ein und verliessen das Klassenzimmer. Delaiah war natürlich der erste, der draussen auf dem Gang war.

,,Yuri!“

Er stand am Haupteingang mit Vincent und sah überrascht auf, als er mich kommen sah. Besorgt betrachtete er mich. Es war wohl auch ihm aufgefallen, dass ich geweint hatte. Er verabschiedete sich von Vincent und wandte sich an mich.

,,Hey Nance. Ist…alles okay?“, fragte er vorsichtig. Ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte heftig.

,,Ich wollte dir nur noch schnell was geben…“

Jetzt grinste er. ,,Oh, was denn, Nance?“

Stumm hielt ich ihm sein Skizzenbuch unter die Nase. Jetzt war es mir gerade ziemlich egal wie er reagierte, mir ging es eh schon schlecht genug.

Zögernd nahm er es in seine Hände und schlug die erste Seite auf, als ob er erst prüfen wollte, dass es wirklich seins war.

Dann sah er zu mir auf. Seine grauen Augen waren gross und auf mich gerichtet.

Keine Verlegenheit.

Keine Scham.

In den Mundwinkel Yuris kräuselte sich ein keckes breites Grinsen.

,,Es ist das erste Mal, dass du es gesehen hast, stimmts?“, sagte er und es war so unerwartet.

Überrascht betrachtete ich ihn.

,,Ja.“

,,Wird auch langsam Zeit, dass du merkst, dass ich was für dich übrig habe.“ Er lächelte und packte das Skizzenbuch ein. Ich sah bestimmt aus, als wäre ich aus allen Wolken gefallen.

,,Herzlich Willkommen in der echten Welt, Nance!“ Und mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging. Gut gelaunt und breit grinsend.

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