Eigentlich hatte ich nur gehofft, dass der Samstag nicht schnell kommen würde, aber als ich Donnerstag Mittagspause mache, kommt Jeff auf mich zu gelaufen. „Louis! Hi! Miss Tremblay hat mich gerade geschickt, der nächste Skandal steht an." Verwundert blicke ich den Assistenten der Chefin und guten Freund von mir an. „Was? Wovon redest du bitte?" will ich wissen und im gleichen Moment hat Jeff auch schon den großen Fernseher angeschaltet, der an der Wand neben den Fenstern hängt. Verwundert sehen mein Kollegen auf und als ich realisiere, was ich dort sehe, muss ich schlucken.
Es ist Harry, genaugenommen ist es die ganze königliche Familie, die den jährlichen Weihnachtsball ankündigt. Sie alle tragen teure Kleidung, die Herren Anzüge und die Damen Kostüme, edle Zweiteiler in hellen Farben. An den Anzügen ist jeweils eine breite Schärpe, goldene Bänder und eine Menge Abzeichen. Die Schuhe glänzen und ich mustere Harry einen Moment länger als ich sollte. Ihm stehen diese Outfits so verflucht gut.
„Weißt du, was mit ihm los ist?" fragt er mich leise und ich spanne mich an. Harry sieht nicht gut aus. Er hat Augenringe, auch, wenn sie so gut es ging überschminkt worden sind. Seine Haare sind gestylt und trotzdem hängen sie irgendwie herunter. Es würde anderen wohl kaum auffallen, aber diese süßen kleinen Falten an seinem Auge fehlen, wenn er lächelt. Es ist das Lächeln für die Kamera, aufgesetzt und falsch.
Je länger ich die Übertragung ansehe, desto mehr Kleinigkeiten fallen mir auf. Er spielt kurz mit dem Saum seines Ärmels, ehe er seine Schultern strafft und tief ein und wieder ausatmet. Sein Blick ist leer, seine Augen glanzlos und sein ganzes Erscheinungsbild irgendwie matt und trist. Er strahlt nicht wie sonst, es kommt einem fast so vor, als wäre er nicht der echte Prinz, sondern würde in das Outfit hinein gezwängt worden sein.
„Missi will, dass du dich darum kümmerst. Es soll in direkten Kontrast zu dem Interview stehen." meint er und sieht mich entschuldigend an. Ich verdrehe die Augen. Super. „Harry geht es einfach mal nicht so gut. Und? Jeder ist mal krank." erwidere ich lediglich, aber Jeff glaubt mir nicht einmal ansatzweise. „Deswegen siehst du auch jeden Morgen so aus, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen, ja? Verarsch mich nicht Louis, was ist hier los?" fragt er, aber ich schüttle den Kopf. „Ich kümmere mich darum, sag Missi das. Ich schreibe den Artikel und das alles." meine ich und setze mich wieder an meinen Schreibtisch. Jeff folgt mir und mustert mich skeptisch.
„Was ist passiert? Habt ihr Krach?" - „Jeffrey." seufze ich genervt und er nickt. „Schon gut, ich frag nicht weiter." erwidert er und verschwindet von der Achten. Ich schalte den Fernseher wieder aus und schaue mir die Übertragung weiter auf meinem PC an. Es wird gesagt, dass der Prinz Müde aussieht und natürlich stellt sich dann die Frage wie das wohl kommt, ob er wohl wieder eine Party geschmissen hat oder ob es andere Gründe hat. Natürlich wird es noch nicht ausgesprochen, aber nach dem Bild von ihm mit dem Tablett mit dem Kokain darauf wird es wohl kaum lange dauern, bis die ersten Parallelen gezogen.
Sollte ich das auch tun? Eigentlich wäre es unfair Harry gegenüber, weil ich ja weiß, dass er nichts Chemisches nimmt. Auf der anderen Seite ist es aber meine Aufgabe, die Situation zu analysieren, mit den bisherigen Ereignissen in Verbindung zu bringen und logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber sollte ich so weit gehen? Ich weiß ja nicht. Er ist der Prinz und wird nach seinen Besuchen in den Kinderheimen von der Mehrheit der Bürger wirklich gemocht. Ist eine Schlagzeile es wert, dass sich das ändert?
Natürlich ist es nicht gut, dass er offensichtlich fertig mit den Nerven ist, aber das passiert nun einmal. Niemand kann mir sagen, dass er selbst noch nie einen schlechten Tag hatte. Ich seufze und fahre mir durch die Haare. Wenn es doch nur das wäre. Ich will es nicht sehen, aber es könnte kaum offensichtlicher sein. Seit Sonntag hat Harry den Palast nicht mehr verlassen und jetzt tritt er müde und fertig vor die Kameras.
Ich bin Schuld daran. Wer auch sonst? Es liegt an Sonntag, natürlich tut es das. Mein Herz, oder das, was davon übrig ist, zieht sich schmerzhaft zusammen und ich schließe für einen Moment die Augen, um nicht schon wieder loszuheulen und meinen Gefühlen Luft zu geben. Meine Gedanken überschlagen sich förmlich und ich weiß nicht, wie lange ich Berufliches und Privates noch auseinander halten kann, wenn ich weiterhin auf der Achten bleiben muss.
Ich will zurück in die Siebte. Langsam aber sicher wird es Zeit, dass ich dahin zurück versetzt werde. Ich muss mit Missi sprechen, ihr sagen, was los ist. Sie wird es doch verstehen, oder? Ich habe keinem blassen Schimmer. Es wäre die Story. Prinz Harry hat eine Affäre mit einem Mann, während er schon längst mit einer Frau verlobt ist, von der die Medien aber bisher auch nie etwas wussten. Scheißdreck. Wo soll das nur hinführen? Es wäre so viel einfacher, wenn Miss Tremblay nie etwas von unserer Beziehung erfahren hätte. Dann hätte es das Interview am Sonntag nie gegeben, dann hätte ich vielleicht in Ruhe mit Harry sprechen können, dann wäre ich jetzt nicht in dieser Bredouille, zu überlegen, es meiner Chefin zu erzählen oder nicht.
Dann würde ich so tun, als würde ich die Achte einfach nicht leiden können. Es wäre im Prinzip nicht gelogen, ich bin ja nicht freiwillig von meinem Schreibtisch hierher gezogen. Ich fand es schon nicht unbedingt berauschend, als ich noch nichts mit Harry zu tun hatte.
Ich lasse meine Mittagspause ausfallen, schaue mir das Video wieder und wieder an und fange an einen Artikel darüber zu schreiben. Ich fange damit an, über den Winterball zu schreiben, eigentlich etwas, das jedes Jahr stattfindet. Dann gehe ich darauf ein, was mit Harry los sein könnte, dass er den Eindruck erweckt, nicht genug Schlaf zu bekommen. Ich schreibe sehr allgemein, lasse die Details aus, die einem nicht auffallen würden, wenn man sein Gesicht nicht schon oft genug von nahem gesehen hat.
Der Artikel wird vermutlich zwei Seiten füllen, wenn man einige Bilder hinzu fügt. Ich lasse die Spekulationen, was mit ihm sein könnte erst einmal aus. Vielleicht reicht Missi das ja sogar. Ich bezweifle es zwar stark, aber probieren kann man es ja. Lange nachdem ich normalerweise Feierabend habe, fahre ich den Computer herunter. Wieso habe ich mich eigentlich für den Artikel so angestrengt? Keine Ahnung.
Freitag morgen gehe ich in Miss Tremblays Büro und lege ihn ihr auf den Schreibtisch, noch bevor sie da ist. Jeff kommt zeitgleich herein und stellt ihr den morgendlichen Kaffee hin. Er möchte etwas sagen, lässt es aber doch. Im Prinzip braucht er es auch nicht, ihm steht praktisch auf der Stirn geschrieben, dass er immer noch neugierig ist, was denn nun bei Harry und mir vorgefallen ist. Ich tue so, als würde ich es nicht merken und verziehe mich an meinen Schreibtisch.
Nicht einmal mit Zayn habe ich inzwischen wieder darüber gesprochen, mit meiner Familie ganz zu Schweigen. Vielleicht mache ich das bald, aber erst, wenn ich mich wieder gefangen habe, zumindest ein wenig und vielleicht eine Nacht durchschlafe, ohne nach einem Traum von Harry aufzuwachen und festzustellen, dass ich ja doch ganz alleine im Bett liege und die andere Seite wie jede andere Nacht auch, kalt geblieben ist.
Miss Tremblay ist der Meinung, dass mein Artikel gut ist und dass in der nächsten Ausgabe dann darauf eingegangen wird, wie es dazu kommen konnte, dass Prinz Harry in einer solchen Verfassung ist. Sie spricht es nicht aus, aber die Spekulation, dass es in den nächsten Tagen zu einem weiteren solchen Zwischenfall kommen könnte, steht trotzdem im Raum. Ich hoffe eigentlich, dass es nicht so ist; ich will nicht schlecht über Harry schreiben, wenn ich weiß, das es Bullshit ist.
Ich will nicht zusehen, wie etwas über ihn veröffentlicht wird, was ein völlig falsches Licht auf ihn wirft und ihn zusätzlich unter Druck setzen wird, sich zusammenzureißen und so zu tun, als wäre er glücklich. Ich brauche meine Zeit und ich kann mir vorstellen, dass es ihm nicht anders gehen wird. Ihn jetzt so stressen zu müssen ist einfach nur beschissen. Kann er sich denn nicht mal eine Auszeit nehmen? Urlaub machen oder so? In jedem anderen Job funktioniert das doch auch.
Es ist unfair. Alle sehen zu ihm auf und die meisten kümmert es nicht, wie sehr er dafür einstecken und stumm über sich ergehen lassen muss. Immer perfekt aussehen, immer lächeln, freundlich sein. Und was bekommt er dafür? Gerüchte und Schlagzeilen, Lästereien und Spekulationen über alle Aspekte seines Lebens. Super.
Mir bleibt wohl oder übel nichts anderes übrig, zuzusehen, wie die Schlagzeile abgesegnet und zum Druck geht. Ein bitterer Geschmack macht sich in meinem Mund breit und läuft den Rachen hinab. Ich beiße auf die Innenseite meiner Wange, um nicht doch noch zu widersprechen und verschwinde danach so schnell es geht aus dem Büro. Das Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn", funktioniert hier nur leider absolut überhaupt nicht.
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Harry ist also doch raus gegangen, aber es geht ihm beschissen. Wie weit werden die Medien wohl gehen und wie wird Louis darauf reagieren. Meint ihr, Harrys Zustand bessert sich bald wieder?
Love L