"Damon?"
Kopfschüttelnd fuhr sich Kai durch die Haare. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. Damon konnte niemals direkt vor ihm stehen! Bildete er sich das nur ein? Ja, denn das war die einzige mögliche Antwort. Denn der Letzte, der Kai aus der Gefängniswelt befreien würde, war Damon. Und direkt danach kam Bonnie. Wenn nicht sogar noch davor.
Aber wieso stellte sich Kai ausgerechnet Damon vor? Da stimmte doch irgendetwas nicht. Vor allem als Damon plötzlich anfing wie blöd zu grinsen, wusste Kai, dass er nun völlig durchdrehte. Ja, das war es. Während er irre wurde, gesellten sich noch die Personen dazu, die ihn am meisten hassten und ihm somit natürlich das Leben in diesem Gefängnis zur Hölle machten. Aber das passierte alles natürlich nur in seinem Kopf.
"Du bist nicht real!", rief er. "Verschwinde aus meinem Kopf!" Damon jedoch blieb reglos stehen und sah ihn nur stirnrunzelnd von Kopf bis Fuß an. "Oh man, so verzweifelt hab' ich dich ja noch nie gesehen. Fast schon menschlich." "Ich sag' es noch einmal: Verschwinde! Siehst du nicht, dass ich schon genug Schmerzen habe?! Verschwinde verdammt nochmal aus meinem Kopf!!" Bei diesen Worten zuckte der imaginäre Damon zusammen, und urplötzlich konnte man Besorgnis in seinem Gesicht erkennen.
"Kai, ich bin real. Ich bin keine kranke Vorstellung von dir. Wir wissen, dass du keine Schuld an alldem trägst. Das ist alles das Werk von deiner Familie."
Überrascht blickte Kai auf, das konnte nicht sein. Das war unmöglich.
"Das ist unmöglich. Du lügst. Du bist nicht real." Seine Stimme senkte sich. "Niemand würde mich aus diesem Drecksloch befreien."
Genervt stöhnte Damon auf: "Meine Güte, jetzt komm doch mal aus deinem Loch der Minderwertigkeitskomplexe heraus. Ich bin real und ich hol' dich auch hier wieder 'raus!"
Kai jedoch war noch immer nicht so ganz überzeugt. Wieso war ausgerechnet Damon gekommen, um ihn zu holen? Wieso nicht Lillian? "Wo ist dann Lillian?" Kais Blick durchbohrte den von Damon und ließ den Vampir mit traurigem Gesichtsausdruck auf den Boden gucken. "Damon. Wo ist sie?"
"Sie... Also sie ist... Jo und Lils Vater..."
"Ich werde dieses Miststück umbringen!" Wenn Jo und dieses Schwein ihr irgendetwas angetan hatten, würde er die beiden ohne mit einer Wimper zu zucken umbringen..
"Jetzt beruhig' dich mal! Sie ist nicht
tot. Noch nicht jedenfalls..." "Noch nicht?! Willst du mich verarschen?! Was heißt 'noch nicht'?!", brüllte Kai.
"Später Kai. Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen dich erstmal so schnell wie möglich aus diesem Gefängnis rausholen, sonst sitzen wir beide hier für immer drin fest."
"Ach, und wie kann ich dir vertrauen? Du könntest immer noch irgendeine kranke Vorstellung von mir sein." Mit gehobener Augenbraue und verschränkten Armen begutachtete er Damon. Dieser griff plötzlich in seine Hosentasche und holte einen Gegenstand mit vielen Plätchen und Rädchen heraus. "Meines Wissens nach bist du der einzige, der das hier bedienen kann", grinste Damon und hielt ihm das Gerät hin.
"Der Aszendendent", murmelte Kai.
Damons Grinsen wurde noch breiter, als Kai den Aszendendent erstaunt in die Hände nahm und anfing zu lächeln. Dann blickte er in den Himmel. "Die nächste Sonnenfinsternis wird erst in ein paar Stunden sein. Haben wir bis dahin noch Zeit?"
"24 Stunden hat Bonnie gesagt. Also, ja." Mit einer einladenen Geste deutete Damon auf das Auto, das erstaunliche Ähnlichkeiten mit seinem heutigen hatte.
"Lass bis dahin schonmal alles vorbereiten", seufzte Kai. Er war noch immer ziemlich erschöpft und außerdem tat sein Rücken wegen dem harten Untergrund weh, auf dem er gelegen hatte. Er vertraute der ganzen Sache zwar immer noch nicht, aber schlimmer konnte es ja sowieso nicht werden, also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als dem Vampir zu vertrauen.
"Kommst du?"
"Erst sagst du mir, was mit Lillian passiert ist. Jetzt haben wir ja genug Zeit." Kai verschränkte die Arme und zog abwartend die Augenbraue hoch. Damon seufzte einmal und lehnte sich gegen das Auto.
"Gut. Dein lieber Zwilling hat uns die ganze Zeit verarscht, was du wahrscheinlich schon weißt. Naja, und dann hatte sie schön viel Zeit, um Lils aus ihrem Bett zu schleifen und sie in unserem Keller versteckt zu halten. Dann kam raus, dass Lils doch viel älter ist als alle dachten, bla, bla, bla... Das können wir dir alles später erzählen. Jedenfalls haben Jo und Lils' Vater, der gar nicht ihr Vater ist, sondern irgendeine heiße Affäre von deiner Schwester, sie mit einem Messer schwer verletzt. Zuerst wurde die Wunde geheilt, durch eure Bindung, doch dann wurde die Bindung gebrochen und kurze Zeit später hat es wieder angefangen zu bluten. Wir haben sie direkt ins Krankenhaus gebracht. Noch nicht einmal Vampirblut konnte die Wunde heilen..."
"Verdammt!", brüllte Kai und trat gegen einen morschen Baum. "Ohne mich wäre das Ganze nie passiert! Lillian würde leben! Sie wäre glücklich..."
Kraftlos ließ sich Kai auf den Boden sinken. Das war alles seine Schuld.
Damon jedoch stieß sich von dem blaufarbenem Auto ab und stellte sich direkt vor Kai, der noch immer sitzend und gedankenverloren auf den Boden starrte.
"Das ist echt der größte Müll, den ich jemals gehört habe! Kai, weißt du eigentlich wie ihr Leben verlief, bevor sie dir begegnet ist? Stink langweilig! Als ich sie das erste Mal gesehen habe, an dem Tag, als sie nach Mystic Falls kam, war ihr Gesichtsausdruck leer. Doch immer als ich euch zusammen gesehen habe, haben ihre Augen geleuchtet. Du hast sie praktisch wieder zum Leben erweckt. Sie liebt dich unglaublich. Und als du plötzlich weg warst, kam dieser leere Gesichtsausdruck wieder. Ohne dich ist sie nichts. Und du bist nichts ohne sie. Das ist wirklich wahre Liebe."